Generalvikariat, Münster, Altes Archiv (GV AA)

Geschichte Die Einsetzung von Generalvikaren erfolgte bereits im Mittelalter. Diese standen in Konkurrenz zu einer anderen Gewalt: dem Amt der Archidiakone. Letztere galten zwar zunächst als Gehilfen und Stellvertreter des Bischofs, das Handeln der Archidiakone erfolgte jedoch kraft eigenen Rechts und war häufig auch gegen den Willen des Bischofs gerichtet. Die Generalvikare bauten seit dem 12. Jh. ihre Macht ständig aus, schoben sich als eigenständige Instanz zwischen Bischof und Pfarrei, beschränkten dessen direkte Herrschaft über seine Diözese und hatten die ordentliche Jurisdiktion inne.

Dieser Machtfülle begegneten die Bischöfe mit dem Aufbau einer unbepfründeten Beamtenschaft, die nach einem festen Gehalt arbeitete und ihrem Herrn gegenüber, der sie jederzeit einsetzen und abberufen konnte, besonders verbunden war. Diese Beamten, insbesondere der bischöfliche Offizial (Richter am geistlichen Hofgericht) und der Generalvikar, wurden zu natürlichen Verbündeten des Bischofs in seinen Auseinandersetzungen mit den Archidiakonen. Seit dem Ende des 14. Jhs. waren die Generalvikare als Stellvertreter des Bischofs für die gesamte Regierungsgewalt zuständig. Auch bekleidete der Generalvikar zumeist die wichtige Funktion des Sieglers (sigillifer curiae Monasteriensis) und hatte damit die Aufsicht über den Klerus, theologische Prüfungen, Visitationen, Diözesansynoden und Benefizien.

Einen Höhepunkt seiner Machtstellung erreicht das Amt des Generalvikars unter Fürstbischof  Ferdinand I. von Bayern (reg. 1612-1650). In Umsetzung des Konzils von Trient (1545-1563), das die Macht der Archidiakone beschränkt hatte, erhielt Generalvikar Dr. Johannes Hartmann (1613-1621) zur Durchsetzung der Konzilsbeschlüsse neben seinen weltlichen und geistlichen Kompetenzen auch die Befugnis, alle kirchlichen Strafmittel (Exkommunikation, Interdikt) anzuwenden, geriet dabei jedoch in schwere Konflikte mit Domkapitel und Archidiakonen. In der Zirkumskriptionsbulle  De salute animarum aus dem Jahr 1821 findet das Amt des Archidiakons dann keine Erwähnung mehr.

Nach dem Codex Iuris Canonici von 1917 gilt der Generalvikar heute als Stellvertreter des Bischofs, verfügt über die gleiche Jurisdiktionsgewalt, muss diese jedoch im Einvernehmen mit diesem ausüben. Vom Bischof wird er frei ernannt und abgesetzt; mit dem Ende (Tod, Amtsverzicht u. a.) der bischöflichen Jurisdiktion des Oberhirten, der ihn ernannt hat, erlischt auch die Jurisdiktion des Generalvikars.

Vgl. auch  Inventare der nichtstaatlichen Archive Westfalens (INA), Alte Folge (AF),  Beibd. 3: Bischöfliches Diözesanarchiv Münster.
Benutzungsort Bistumsarchiv Münster
Eigentümer/in Bistumsarchiv Münster
Bestand
Urkunden Regestenliste | Suche im Bestand
Bestandsignatur A 01 / 01
Umfang 1.175 Urkunden (1807-1980: 100 Regesten)
Laufzeit 1190-1806 (1807-1980 im Bistumsarchiv einsehbar)
Information Die Erschließung und Verzeichnung des Urkundenbestands im Alten Archiv des Generalvikariates erfolgte - ohne Bestandseinleitung - durch die Bistumsarchivare Dr. Heinrich Börsting (1900-1969) und Dr. Peter Löffler (geb. 1941).

Die Erstverzeichnung der damals 1.133 Originalurkunden wurde durch Börsting in den 1930er Jahren vorgenommen und fand Eingang in sein "Inventar des Bischöflichen Diözesanarchivs in Münster“ (1937). Unter den 349 Kurz- und Vollregesten finden sich freilich nur 76 Originalurkunden. So beginnt Börstings Übersicht bezeichnenderweise mit einer Urkunde angeblich aus dem Jahr 834, die allerdings nur als Abschrift aus dem 18. Jh. existiert. Die erste Urkunde aus dem Bestand des Generalvikariates, die im Bistumsarchiv Münster als Original vorliegt, stammt aus dem Jahr 1190 und wird bei Börsting erst unter Nummer 53 aufgeführt. Urkundenregesten im allgemeinen Urkundenbestand liegen bei Börsting bis zum Jahr 1400 vor. Jüngere Urkunden weisen dagegen in der Regel nur Signatur und Kurztitel auf. Sie wurden von Börsting nach Pertinenzen (Bischöfe, Bistum, Verwaltung, Pfarreien, Klöster, Schulwesen u. a. m.) auf verschiedene Teilbestände des Generalvikariates verteilt.

Einige Urkunden aus jüngeren Beständen staatlich weltlicher Provenienz, die bis 1936 dem Bistumsarchiv Münster übergeben wurden, gingen an das Staatsarchiv in Düsseldorf, während Börsting ebenfalls jüngere Urkunden kirchlicher Herkunft (Pfarrarchive Darup, Dorsten) dem Generalvikariatsarchiv zuordnete (vgl. Inventar Börsting, S. XI).

Durch Peter Löffler erfolgte eine grundlegende Neubearbeitung (vgl. Findbücher GV AA Urkundenregesten, Bd 1-4, Münster 2001): Die bereits bestehenden Regesten wurden überarbeitet und teilweise ergänzt sowie für die Zeit nach 1400 fortgeführt. Daher zog Löffler die Urkunden aus den verschiedenen Teilbeständen des Generalvikariatsarchivs und vereinte sie zu einem Gesamtbestand Urkunden. Der von Löffler vermehrte Bestand (bis zur Urkunde U 1252) umfasst im wesentlichen den Zeitraum von 1190 bis zum Untergang des Alten Reiches (1803). Einige Urkunden stammen aus dem 20. Jahrhundert (u. a. Kardinalserhebung von Bischof  Clemens August von Galen, Ernennung von Heinrich Tenhumberg zum Bischof von Münster). Urkunden aus Pfarrarchiven wurden von Löffler aus dem Bestand des Generalvikariats in den 1980er Jahren ausgesondert und dem Referat II zugewiesen, das im Bistumsarchiv die Bestände aus den einzelnen Pfarrarchiven betreut (das hatte es zu Zeiten Börstings nicht gegeben).

Insgesamt existieren zur Zeit (März 2011) 1.305 Urkunden im Urkundenbestand des Generalvikariates. Die Differenz zur offiziellen Urkundenzählung (bis U 1252) ergibt sich aus dem Umstand, dass zuweilen unterschiedliche Urkunden zu einem gleichen Anlass unter einer Signatur zusammengefasst wurden statt fortlaufend weiterzuzählen. (Beispiel: päpstliche Bischofserhebung von Galens am 05.09.1933: Übertragung der vollen geistlichen und temporären Gewalt sowie Bekanntgabe der Bischofsernennung an Klerus und Volk: U 1017/1 und U 1017/2). Etwa 150 Urkunden des Generalvikariates werden in der Archivaliensammlung Gerhard Lorenz (1797-1876, 1834-1876 Pfarrer in Waltrop) aufgeführt. (vgl. Findbuch Löffler, 1997, Sign. A 1/4/9). Auch diese Urkunden wurden mit dem zentralen Urkundenbestand des Generalvikariates vereinigt.

Eine Fülle von neueren Urkunden, deren Zahl beständig wächst, findet sich heute in den Beständen einiger Abteilungen des Generalvikariates (Rechtsfragen, Kirchenrecht, Territoriale Ordnung).
Weitere Ressourcen Ressourcen zu Münster und zum Fürstbistum Münster im Internet-Portal "Westfälische Geschichte"

Bistum Münster

Stadt Münster
Literatur Börsting, Heinrich / Schröer, Alois
Handbuch des Bistums Münster, Bd 1, 2. Aufl., Münster 1946, S. 134f.

Schröer, Aloix
Die Generalvikare und Siegler in Münster. In: Alois Schröer, Die Bischöfe von Münster. Biogramme der Weihbischöfe und Generalvikare (= Das Bistum Münster, Bd. 1), Münster 1993, S. 371f. (mit weiteren Literaturhinweisen).

Stoob, Heinz (Hg.)
Münster. Westfälischer Städteatlas, Lieferung 4. Altenbeken 1993.
Systematik
Zeit2.14   1150-1199
2.15   1200-1249
2.16   1250-1299
2.17   1300-1349
2.18   1350-1399
2.19   1400-1449
2.20   1450-1499
3.1   1500-1549
3.2   1550-1599
3.3   1600-1649
3.4   1650-1699
3.5   1700-1749
3.6   1750-1799
3.7   1800-1849
Ort2.21   Münster, (Fürst-)Bistum < - 1802>
3.5   Münster, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet16.6.3   Geistliche, Rabbiner, Ordensleute
16.6.5   Domkapitel / Klöster / Stifte, Klosterleben
Datum Aufnahme 2011-02-01
Datum Änderung 2011-11-04
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