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1. Leitbilder
1908 - 1919 - 1949


 
 
 
Drei Jahreszahlen, die wesentliche Etappen auf dem Weg zur sozialen, rechtlichen und politischen Gleichstellung von Frauen markieren: 1908 wurden Frauen in Preußen offiziell zum Studium zugelassen, 1919 konnten Frauen in Deutschland erstmals das aktive und passive Wahlrecht nutzen, 1949 wurde die Gleichberechtigung im Grundgesetz festgeschrieben.

Im Zentrum dieser ersten Abteilung werden Portraits derjenigen Frauen gezeigt, die zu den Pionierinnen dieser Entwicklung gehören: Ihre Erkenntnisse und ihr mutiges Handeln initiierten vielfältige Formen politischer Partizipation von Frauen, die bis heute traditionsbildend wirken. Dazu gehören besonders Petitionen und Demonstrationen sowie die Bildung von Vereinen. Viele ihrer Forderungen nach gleichberechtigter politischer Partizipation, nach Ehe- und Sexualreformen und freier Berufswahl von Frauen konnten zwischen 1908 und 1933 bereits umgesetzt werden. Gleichzeitig gaben die Erfolge der Frauenbewegung im Bildungsbereich vielen Frauen eine Chance zur selbständigen Persönlichkeitsentwicklung und die Möglichkeit zu für sie neuartigen Bildungs- und Berufskarrieren.

Neben Zeitschriften bedienten sich die Aktivistinnen der Frauenbewegungen, meist Frauen aus dem gehobenen Bürgertum, auch größerer theoretischer Abhandlungen, die - häufig in Form von Streitschriften - Bezug nahmen auf zeitgenössische antifeministische Ressentiments oder in programmatischen Aufklärungsschriften bis heute gültige Forderungen nach Freiheit und Gleichheit beider Geschlechter formulieren. Vor allem aber schlossen sie sich in Vereinen zusammen, um für das Recht auf Bildung, Erwerb und politische Mitsprache einzustehen.

 Teil 1: Ausstellung
 Teil 2: Tagung


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Bürgerliche Frauenvereine zu Beginn des 20. Jahrhunderts
 




 

Vordenkerinnen

 
 
 
Alle Porträtzeichnungen von Pedda Borowski (2009).
 
 









Olympe de Gouges (1748-1793)
geborene Marie Gouze

 
 
 

"Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich an Rechten. Die sozialen Unterschiede dürfen nur im allgemeinen Nutzen gegründet sein."


Artikel 1 der "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin", 1791

 
 
 
Als Schriftstellerin, Revolutionärin und Frauenrechtlerin setzte sich Olympe de Gouges in ihren literarischen Texten, Theaterstücken und Artikeln konsequent für soziale und politische Reformen ein. Dabei stieß sie mit ihrer mutigen Kritik an der in den französischen Kolonien geübten Praxis der Sklaverei wie auch mit ihren Vorschlägen zur Verbesserung der Bildung und Rechtsstellung von Frauen nicht selten auf Ressentiments und Unverständnis. Schließlich veröffentlichte sie in Reaktion auf die am 03.09.1791 verabschiedete Französische Verfassung mit ihrer nur einseitig auf Männer bezogenen 'Menschenrechtserklärung' ihre Frauenrechtserklärung, die in ihrer Klarheit und Radikalität zum Vorbild für politische Gleichheitsforderungen der nachfolgenden Frauenbewegungen wurde.
 









Louise Otto-Peters (1819-1895)
geborene Otto

 
 
 

"Wir wollen unser Theil fordern: das Recht, das Rein-Menschliche in uns in freier Entwickelung aller unserer Kräfte auszubilden, und das Recht der Mündigkeit und Selbständigkeit im Staat."


Programm in: Frauen-Zeitung 1, 1849, 1791

 
 
 
Durch ihre Arbeit als Schriftstellerin, Herausgeberin und Redakteurin der ersten politischen 'Frauenzeitung' Deutschlands, die unter dem Motto stand "Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen" (1849-1853), sowie als (Mit-)Begründerin zahlreicher Frauenvereine wie dem 'Allgemeinen Deutschen Frauenverein' und weiterer Zeitschriften gilt Louise Otto-Peters als maßgebliche Initiatorin der organisierten deutschen Frauenbewegungen. In ihrem Eintreten für das Recht der Frauen auf (Aus-)Bildung und Erwerbsarbeit vermochte sie sowohl auf praktisch institutioneller wie auf politisch propagandistischer Ebene Maßstäbe für die Arbeit der nachfolgenden Generationen zu setzen.

Die uneingelösten Versprechen von Gleichheit und Freiheit, wie sie in den Revolutionen von 1789 und 1848 von bürgerlichen Männern erhoben wurden, veranlassten mutige Frauen - Vordenkerinnen, Journalistinnen, Schriftstellerinnen, Engagierte aus den Frauenvereinen - Foren für eine eigenständige Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Wie Louise Otto mit ihrem Plädoyer für die Unteilbarkeit der Rechte für beide Geschlechter und alle sozialen Klassen, so thematisieren sie in ihren Zeitschriften immer wieder den Ausschluss von Frauen aus Bildung, Erwerb und Politik.
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Frauen-Zeitung (1849)

 "Das Recht der Frauen auf Erwerb" (1866)
 









Hedwig Dohm (1831-1919)
geborene Schlesinger

 
 
 

"Mehr Stolz, ihr Frauen! Der Stolze kann missfallen, aber man verachtet ihn nicht. Nur auf den Nacken, der sich beugt, tritt der Fuß des vermeintlichen Herrn."


Die Antifeministen, Berlin 1902, S. 164f.

 
 
 
Mit ihrer bereits 1873 erhobenen Forderung nach einem politischen Stimmrecht für Frauen gehört Hedwig Dohm zu den Pionierinnen einer vollständigen - sowohl politischen wie rechtlichen, sozialen und ökonomischen - Gleichberechtigung beider Geschlechter. Selbst Autodidaktin, die zunächst keinerlei Unterstützung für ihre wissenschaftliche Bildung erfahren hatte, setzte sie sich früh für eine umfassende Bildungsreform und das Frauenstudium ein. Als führende Theoretikerin der Frauenbewegungen in Deutschland, als Schriftstellerin, Frauenrechtlerin und Mitbegründerin mehrerer Frauenvereine kritisierte sie in ihren zahlreichen Schriften die herrschende biologistische Geschlechterideologie, die Frauen lediglich auf die Hausfrauen-, Ehefrauen- und Mutterrolle festlegte.
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Die Antifeministen (1901)
 









Lily Braun (1865-1916)
geborene Amalie von Kretschmann

 
 
 

"Wir verlangen Anwendung der Prinzipien des modernen Staates - der allgemeinen Menschenrechte - auch auf die andere Hälfte der Menschheit, die Frauen. Wir, eine Armee von Millionen und Abermillionen Frauen, die wir unsere Kräfte in den Dienst der Allgemeinheit stellen so gut wie der Mann, verlangen unser Recht, an der Gestaltung der Allgemeinheit mitzuarbeiten."


Lily von Gizycki, Die Bürgerpflicht der Frau. Vortrag im Berliner Verein Frauenwohl, 1894

 
 
 
Ebenso wie Hedwig Dohm gehört auch Lily Braun mit ihrer 1894 in Berlin gehaltenen Rede für das Frauen­stimmrecht zu den Wegbereiterinnen der vollständigen politischen Partizipation von Frauen in Deutschland. Die aus adligem Haus stammende Schriftstellerin und Publizistin trat 1895 der Sozialdemokratie bei, in der sie sich u. a. - letztlich allerdings vergebens - um eine Vermittlung zwischen der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung bemühte. Mit ihren scharfsinnigen Analysen der Doppel- und Dreifachbelastung berufstätiger Mütter und ihren innovativen Vorschlägen zur Reform der Haus- und Erziehungsarbeit war sie sowohl ihrer Partei wie auch großen Teilen der damaligen bürgerlichen Frauenbewegungen weit voraus.
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Die Frauen und die Politik
 









Clara Zetkin (1857-1933)
geborene Eissner

 
 
 

"Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschen­geschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein. Nur in der sozialistischen Gesellschaft werden die Frauen wie die Arbeiter in den Vollbesitz ihrer Rechte gelangen."


"Für die Befreiung der Frau". Vortrag auf dem Internationalen Arbeiter-Congress zu Paris am 19.07.1889. Abgedruckt in: Protokoll des Arbeiter-Congresses zu Paris abgehalten vom 14. bis 20.07.1889, Nürnberg 1890, S. 84

 
 
 
Die Publizistin Clara Zetkin, die während des Kaiserreichs der SPD, in der Weimarer Republik als Reichstagsabgeordnete zunächst der Fraktion der USPD, dann der KPD angehörte, zählte zu den einflussreichsten sozialistischen Frauenrechtlerinnen und Politikerinnen. In ihren Reden und Schriften kritisierte sie das Vorgehen und die Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegungen. Stattdessen verstand sie die Frauenfrage als Nebenwiderspruch der ökonomischen Bedingungen, den sie dem Hauptwiderspruch zwischen Arbeit und Kapital unterordnete. Gleichzeitig initiierte sie gegen den Willen ihrer männlichen Parteikollegen den Internationalen Frauentag, der erstmals am 19.03.1911 begangen wurde, setzte sich für die gewerkschaftliche Organisierung von Arbeiterinnen ein und für die volle politische Gleichberechtigung von Frauen.
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Die Gleichheit (1917)

 "Die Frage des Frauenwahlrechts (1907)
 










Anita Augspurg (1857-1943)

 
 
 

"Die Frauenfrage ist zwar zum großen Teil Nahrungsfrage, aber vielleicht in noch höherem Maße Kulturfrage, (...) in allererster Linie aber ist sie Rechtsfrage, weil nur auf der Grundlage verbürgter Rechte (...) an ihre sichere Lösung überhaupt gedacht werden kann."


Gebt acht, solange noch Zeit ist!, in: Die Frauenbewegung 1, 1895, S. 4

 
 
 
Die Publizistin, Pazifistin und erste promovierte Juristin Deutschlands gehörte zu den führenden Vertreterinnen des sogenannten radikalen Flügels der ersten Frauenbewegung, der sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts für die Selbstbestimmung und Gleichberechtigung von Frauen einsetzte. Als Mitbegründerin zahlreicher Frauenzeitschriften und Frauenvereine wie des ersten deutschen Zweigvereins der Internationalen Abolitionistischen Föderation (IAF), der sich gegen Freiheitsbeschränkungen von Prostituierten wandte, oder des ersten deutschen Frauenstimmrechtsverbandes, deren Vertreterinnen als die 'Suffragetten Deutschlands' galten, wie auch in ihrem politischen Einsatz für den Frieden wirkte Anita Augspurg als Avantgardistin und Pionierin einer geschlechtergerechten Gesellschaft.
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Die Frau im Staat
 








Minna Cauer (1841-1922)
geborene Wilhelmine Theodora Marie Schelle

 
 
 

"Die Frauenbewegung ist zu groß für eine Partei!"


Warum muß die Frauenbewegung eine unabhängige bleiben?, in: Die Frauenbewegung Nr. 7, 1897, S. 72

 
 
 
Als Mitbegründerin des Vereins 'Frauenwohl', des 'Bundes fortschrittlicher Frauenvereine' sowie der Zeitschrift 'Die Frauenbewegung' setzte sich Minna Cauer dafür ein, "die Idee der Frauenbewegung [zu] propagieren", "umwälzend [zu] wirken" und "hergebrachte Anschauungen [zu] beseitigen". In ihrem konsequenten Eintreten für das Frauenstimmrecht, die Unterstützung lediger Mütter und die freie Berufswahl von Frauen zählte Minna Cauer ebenso wie Anita Augspurg und Hedwig Dohm zu den 'Radikalen' der ersten Frauenbewegung, die uneingeschränkt politische Rechte für Frauen forderten und eine 'natürliche Bestimmung' der Geschlechter ablehnten.
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Die Frauenbewegung
 










Helene Lange (1848-1930)

 
 
 

"Anknüpfend an die Leistungen der Frau in der Familie ... fordert die deutsche Frauenbewegung ... höchstmögliche Entfaltung und freie soziale Wirksamkeit der weiblichen Kulturkräfte."


Fünfzig Jahre deutsche Frauenbewegung, in: Die Frau 23, 1915/16, S. 20

 
 
 
Die Lehrerin Helene Lange gehörte Ende des 19. Jahrhunderts zu den prominentesten Streiterinnen für eine verbesserte Mädchen- und Frauenbildung. Neben ihren vielfältigen Reformtätigkeiten auf pädagogischem Gebiet - so gründete sie u.a. den Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein wie auch mehrere Mädchengymnasien - avancierte sie als langjähriges Vorstandsmitglied des Bundes deutscher Frauenvereine und Vorsitzende des Allgemeinen deutschen Frauenvereins zur wichtigsten Vertreterin des 'gemäßigten' Flügels der ersten Frauenbewegung. Als Mitbegründerin der DDP wurde sie nach Einführung des Frauenwahlrechts in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt, der sie 1919 als Alterspräsidentin vorstand.
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Die Frau