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Ansgar Weisser

Der Regierungspräsident

 
 
 
Der Regierungspräsident ist der leitende Beamte eines Regierungsbezirks. Regierungsbezirke bestehen in mehreren Bundesländern als staatliche Verwaltungseinheiten zwischen der Ebene der kreisfreien Städte und Landkreise und der Landesebene. Die staatliche Mittelbehörde wird als "Regierungspräsidium", "Bezirksregierung", "Regierung" oder auch "Der Regierungspräsident" bezeichnet. Der Regierungspräsident ist allgemeiner Vertreter der Landesregierung in seinem Bezirk und unterliegt den Weisungen der Landesminister. Als politischer Beamter hat er das Vertrauen der Landesregierung, von der er auch ernannt wird. Allgemeiner Vertreter des Regierungspräsidenten ist der Regierungsvizepräsident (Stellvertreter, ab 1924: Regierungsvizepräsident), der ihn in der Leitung der Behörde unterstützt und zugleich Vorgesetzer des Behördenpersonals ist. Im Gegensatz zu den Ministerien oder anderen Landesbehörden, die nach fachlichen Gesichtspunkten gegliedert sind, besitzen die Regierungspräsidien eine universelle Zuständigkeit sofern bestimmte Aufgaben nicht an Sonderbehörden abgegeben sind. Diese Zuständigkeit für die wichtigsten Fachaufgaben aller Landesministerien in einer Behörde und die Verzweigung und Weitergabe der Aufgaben auf die kommunale Ebene wird als Bündelungsfunktion bezeichnet.

Die Regierungspräsidien beteiligen sich maßgeblich an der Regionalplanung und erledigen allgemeine Verwaltungsaufgaben, wozu u.a. das Polizei-, das Schul- und Gesundheitswesen, Umweltschutzaufgaben, die regionale Wirtschaftsplanung sowie Verkehrsangelegenheiten gehören. Dem Regierungspräsidenten obliegt zudem die Aufsicht über die unteren Landesbehörden. Schließlich führt er die Kommunalaufsicht über die Kreise und kreisfreien Städte und ist Bindeglied zwischen der Landesregierung und der kommunalen Selbstverwaltung. Der Regierungspräsident muss unter Berücksichtigung der regionalen Interessen und Besonderheiten für einen Ausgleich innerhalb des Regierungsbezirks sorgen. Darüber hinaus vertritt er die Interessen des Bezirks gegenüber der Landesregierung.

Die Behörde des Regierungspräsidenten wurde bereits in Preußen im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen 1808 eingeführt und ersetzte die seit 1723 bestehenden Kriegs- und Domänenkammern als Mittelinstanz. Ziel der Einrichtung der sogenannten "Königlichen Regierungen" war eine Vereinfachung der Verwaltung durch die Zusammenführung sämtlicher Angelegenheiten der allgemeinen Landesverwaltung auf Bezirksebene in einer einzigen Behörde. Nach den Befreiungskriegen und den Gebietszuweisungen durch den Wiener Kongreß 1815 bestand für Preußen die Notwendigkeit zur Integration der neuen Landesteile sowie der territorialen und administrativen Neugestaltung. Mit der "Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden" vom 30.04.1815 wurde das preußische Staatsgebiet in zehn Provinzen aufgeteilt, die wiederum in zwei oder mehr Regierungsbezirke geteilt wurden, sowie die Organisation der Behörden bestimmt. Bei der Einteilung der Provinzen wurde versucht, auf landschaftliche Verschiedenheiten Rücksicht zu nehmen. Dabei wurde auch die neue preußische Provinz Westfalen mit den drei Regierungsbezirken "Regierung im Münsterland" mit Sitz in Münster, "Regierung im Weserland" mit Sitz in Minden und die "Regierung von Mark und Westfalen" mit Sitz in Hamm und später in Arnsberg geschaffen.

Aufgaben und Organisationsform der Regierungspräsidien haben sich seit ihrem Bestehen immer wieder verändert. Während die Regierungen zunächst aus lediglich zwei Abteilungen bestanden, wurden sie bereits ab 1825 aufgrund des Aufgabenzuwachses in vier Abteilungen für Inneres (I), für Kirchenverwaltung und Schulwesen (II), für direkte Steuern, Domänen und Forsten (III) und für indirekte Steuern (IV) gegliedert. Jedoch mußten die Regierungspräsidien von Beginn an auch Aufgaben an neu eingerichtete Sonderbehörden abgeben, insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus, in der auch die Zuständigkeit für die Polizei herausgelöst und die Regierungspräsidien als Mittelinstanz zunehmend geschwächt wurden. Nach 1945 wurden im Zuge der Verwaltungsreform zudem einige den Bezirksregierungen unterstehende Behörden kommunalisiert.

Galt nach der Instruktion für die Regierungen von Oktober 1817 ein kollegiales Behördenprinzip, wonach der Präsident zusammen mit den an der Spitze der Abteilungen stehenden Direktoren im Plenum entschied, wurde dieses mit den Neuregelungen von 1825 und 1880 schrittweise beseitigt und die Stellung des Regierungspräsidenten gestärkt. Mit der Reform der allgemeinen Landesverwaltung 1883 wurden sogenannte Bezirksausschüsse geschaffen, die den Regierungen als Beschlussbehörde und Verwaltungsgericht angegliedert wurden. Sie setzten sich aus dem Regierungspräsidenten als Vorsitzenden, zwei vom König auf Lebenszeit ernannten Beamten und vier aus den Einwohnern des Bezirks ernannten Laien zusammen. Die Ausschüsse waren Berufungsinstanz in Verwaltungsstreitverfahren und erhielten einige Zuständigkeiten, die zuvor die Regierungen inne hatten. So waren sie u.a. für die Genehmigung von Ortsstatuten und die Bewilligung von Anträgen zur Genehmigung bestimmter gewerblicher Anlagen zuständig und mussten dem Erlass von Polizeiverordnungen oder der Versagung der Bestätigung der Wahl von Gemeindebeamten zustimmen. Im Dezember 1933 wurden die Bezirksausschüsse als Beschlussbehörden wieder beseitigt und ihre Zuständigkeiten fielen an die Regierungspräsidenten zurück. Gleichzeitig ging die Funktion der Ausschüsse als Verwaltungsgericht auf Bezirksverwaltungsgerichte über, deren Vorsitz von den Regierungsvizepräsidenten wahrgenommen wurde.

In den Provinzialhauptstädten wurde das Amt des Regierungspräsidenten zwischen 1815 und 1883 vom Oberpräsidenten in Personalunion ausgeübt. Diesem war es jedoch freigestellt, einen Regierungsvizepräsidenten mit den laufenden Geschäften zu beauftragen.

Aufgrund des unklaren Verhältnisses von Ober- und Regierungspräsident zueinander sowie der ungenauen Kompetenzzuweisung war eine Vereinfachung der staatlichen Mittelinstanz in Preußen ein ständiges Thema für eine beabsichtigte Verwaltungsreform. In allen Diskussionen wurde entweder die Abschaffung des Oberpräsidentenamtes oder die Auflösung der Regierungspräsidien gefordert, ohne dass jedoch eine Veränderung der vorgefundenen Strukturen stattfand.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg und der Beseitigung der Oberpräsidenten hielten die Debatten um den Fortbestand der Regierungspräsidien an. Im mehreren Bundesländern erfolgte vor allem während der Gebietsreformen in den 1960er und 1970er Jahren eine Zusammenlegung von Regierungsbezirken, in einigen Ländern wurde die Behörde auch aufgelöst - zum Teil erst in jüngster Zeit.

In Nordrhein-Westfalen wurde nach der Angliederung des Landes Lippe 1947 der bisherige Regierungssitz Minden nach Detmold verlagert. Im Jahr 1972 erfolgte zudem die Zusammenlegung der Regierungsbezirke Köln und Aachen, so dass in Nordrhein-Westfalen zur Zeit die fünf Regierungsbezirke Arnsberg, Detmold und Münster für Westfalen sowie Düsseldorf und Köln für das Rheinland bestehen.


Relevante gesetzliche Regelungen zur Entstehung und Entwicklung des Regierungspräsidentenamtes


16.12.1808 
 Publikandum, betreffend die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden der Preußischen Monarchie, in Beziehung auf die innere Landes- und Finanzverwaltung 
26.12.1808 
 Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und Finanzbehörden 
30.04.1815 
 Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden 
23.10.1817 
Instruktion zur Geschäftsführung der Regierungen in den Königlch-Preußischen Staaten 
31.12.1825 
 Allerhöchste Kabinettsorder betreffend eine Abänderung in der bisherigen Organisation der Provinzial-Verwaltungsbehörden 
31.12.1825 
 Instruktion für die Oberpräsidenten 
26.07.1880 
Gesetz über die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung 
30.07.1883 
 Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung 
30.11.1920 
 Verfassung des Freistaats Preußen 
03.09.1932 
Verordnung zur Vereinfachung der Verwaltung 
15.12.1933 
 Gesetz über die Erweiterung der Befugnisse der Oberpräsidenten 
15.12.1933 
 Gesetz über die Anpassung der Landesverwaltung an die Grundsätze des nationalsozialistischen Staates 
10.07.1962 
Gesetz über die Organisation der Landesverwaltung 



Literatur


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Die Installierung und drei Gedenktage der ostwestfälisch-lippischen Bezirksregierung, 1816-1866-1916-1966. In: Lippische Mitteilungen 36. (1967), S. 82-118

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Der preußische Regierungspräsident im NS-Herrschaftssystem. Am Beispiel der Regierung Düsseldorf, in: Dieter Rebentisch und Karl Teppe (Hg.), Verwaltung contra Menschenführung im Staat Hitlers. Studien zum politisch-administrativen System, Göttingen 1986, S. 121-140.

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Zusammenbruch und neue Ordnung. Von Minden nach Detmold. Eine Dokumentation. Herausgegeben vom Regierungspräsidenten in Detmold aus Anlaß des 40. Jahrestages der Zusammenlegung der Regierung Minden mit der Lippischen Landesregierung. Detmold 1987.

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175 Jahre alt - Bezirksregierung in Ostwestfalen 1816 - 1991. Eine Dokumentation. Herausgegeben vom Regierungspräsidenten in Detmold aus Anlaß des 175. Jahrestages der Gründung der "Regierung im Weserlande zu Minden". Detmold 1991

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Regierung Münster 1803-1953. Festschrift zum einhundertfünfzigjährigen Bestehen. Münster 1953.

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Der Regierungspräsident in Arnsberg - zentrale staatliche Verwaltungsbehörde im südwestfälischen Raum. In: Bezirksregierung Arnsberg (Zusammenstellung), Südwestfalen gestern - heute. Regierungsbezirk Arnsberg 1816-1966, Berlin 1967, S. 79-97.

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Die Regierungspräsidenten im Gesamtaufbau der Verwaltung. In: Verwaltungsarchiv 73 (1982), S. 153ff.