Gesandte 1645/49 > Sayn-Wittgenstein








Sayn-Wittgenstein,
Johann VIII. von


(14.10.1601 - 02.04.1657)

Prinzipalgesandter des Kurfürsten von Brandenburg in Münster und Osnabrück, 1645-[1648]




Johann VIII. ist der älteste Sohn des Stammvaters der Hauptlinie der Wittgensteins, des Grafen Ludwig II. und der Gräfin Juliana von Solms-Braunfels. Am 30.06.1627 heiratet er Anna Augusta, Gräfin zu Waldeck; aus der Ehe gehen 8 Söhne und 10 Töchter hervor.

Bei Gründung des Heilbronner Bundes 1633 wird er, ein eifriger Kalvinist, in das Consilium formatum (Kriegsrat) aufgenommen. Er arbeitet eng mit dem schwedischen Reichskanzler Axel Oxenstierna (1583-1654) zusammen. Unter Landgraf Wilhelm V. von Hessen (1602-1637) beteiligt sich das Wittgensteinische Regiment u.a. an Kämpfen in Westfalen und an der Weser. In den Prager Frieden 1635 wird Johann VIII. mit aufgenommen. Er steht in enger Verbindung mit dem jungen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688), der ihn im Mai 1643 auf einer Geheimratssitzung angesichts seiner diplomatischen Fähigkeiten, militärischen Erfahrung und seiner guten Beziehung zu schwedischen und französischen Diplomaten als Prinzipalgesandten für die Friedensverhandlungen in Osnabrück und Münster vorschlägt. Auch der kaiserliche Hof interessiert sich für ihn, doch entscheidet sich der Graf für die kurbrandenburgischen Dienste und wirkt 1644 in diplomatischer Mission gegenüber Hessen-Kassel und Frankreich zugunsten der klevischen Besitzungen des Kurfürsten.

Als bestallter brandenburgischer Geheimer Rat und Primarius der Gesandtschaft, der in Münster und Osnabrück verhandelt, trifft er gemeinsam mit dem Gesandten  Fromhold aus Ravensberg kommend Anfang Mai 1645 in Osnabrück ein. Er wohnt in Ledeburs Hof am Neuen Graben, dessen Lage nicht mehr zu rekonstruieren ist. Seine Diener fallen hier 1648 durch Handgreiflichkeiten im Ratsweinkeller auf und müssen von der städtischen Wache vorübergehend in Arrest genommen werden. In Münster bezieht Johann VIII. den Residenzhof in der Clemensstraße 6/8, einen prächtigen, 1540 errichteten, bestens erhaltenen Backsteinbau. Im dortigen "Venetianischen Zimmer" des Erdgeschosses wird am 25.10.1648 der Dankgottesdienst der Reformierten abgehalten. Bei den Verhandlungen profitiert Johann VIII. davon, daß ihm durch seine herausragende Stellung im Consilium formatum die Ziele der schwedischen Politik vertraut sind. Er gilt als meisterhafter Diplomat, der die Ansprüche und Standpunkte des lange politisch isolierten Kurbrandenburg erfolgreich vertritt. Als Ausgleich für die Preisgabe von Vorpommern an Schweden erreicht er für Brandenburg den Erhalt u.a. der Fürstbistümer Minden und Halberstadt und die Anwartschaft auf Magdeburg. Großzügige Zahlungen an die Schweden sollen hierbei eine Rolle gespielt haben. Bereits im März 1647 belehnt ihn der Kurfürst in Anerkennung seiner Verdienste mit den Gütern der 1593 ausgestorbenen Grafen von Hohenstein, den Herrschaften Lohra und Klettenberg, womit er den Titel Reichsgraf erwirbt, was sein Gewicht auf dem Friedenskongreß vergrößert.

Noch während der Verhandlungen, im Mai 1648, erhält er die Anwartschaft auf die Statthalterstelle in Minden-Ravensberg. Das Amt tritt er im April 1649 an. Ab 1652 - nach dem Umzug des Kurfürsten nach Preußen - fungiert er zudem als Statthalter in Brandenburg und kümmert sich auch um die Verwaltung in Kleve. Im protestantischen Norddeutschland und gegenüber dem Haus Oranien ist er auch weiterhin diplomatisch tätig. Wegen Zugeständnissen an Polen in Ungnade gefallen, kann er noch vor seinem Tode die Versöhnung mit dem Kurfürsten erreichen.



Literatur

Cools I, S. 18; Waesberghen Nr. 33 (Abb:); Pacis Antesignani (Münster), fol. 29 (mit farbigem Wappen); Theatrum Europaeum VI, S. 391 (Abb.); Bignon Nr. 22 (Abb.); Moncornet Nr. 18 (Abb.); Aubry (Abb.); Kalender (Abb.); Pacificatores 1697 Nr. 66; Meiern IV Schema Nr. 23; Zedler 34, S. 461-474; Bildnisse 1824 Nr. 14 (Abb.); Runge, S. 169-170; ADB 43, S. 619; Striedinger Nr. 29 (Münster) Nr. 6 (Osnabrück); Katalog Gripsholm Nr. 260, 725; Dethlefs/Ordelheide Nr. 222 (Abb.); Lahrkamp, Schauplatz, S. 320-321; Hövel, S. 170; BWDG 3, Sp. 2453.

Bärbel Rasch-Overberg


Quelle: H. Duchhardt / G. Dethlefs / H. Queckenstedt, "...zu einem stets währenden Gedächtnis", Die Friedenssäle in Münster und Osnabrück und ihre Gesandtenporträts", (=Osnabrücker Kulturdenkmäler, Bd. 8), Bramsche 1998, S. 248f.

Ein  Kooperationsprojekt des Internet-Portals "Westfälische Geschichte" mit dem  LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster (Kupferstiche), und dem  Rasch Verlag, Bramsche (Texte)
 
Porträt des Johann VIII. von Sayn-Wittgenstein (14.10.1601 - 02.04.1657), Prinzipalgesandter des Kurfürsten von Brandenburg in Münster und Osnabrück, 1645-[1648]


Devise


NIENTE SENZA LABORE.

Nichts ohne Mühe.



Kartusche


IOHANNES, COMES DE SAIN ET WITTGENSTEIN, ETC. Dominus in Homburg, Vallendar, Neumagen et Hachberg, Serenissimi Electoris Brandeburgici Consiliarius intimus eiusdemq, nomine ad Tractatus Pacis Universalis, utrobique, Legatus et Plenipotentiarius Primarius etc.




Wappenbeschreibung


Der gevierte Schild ist mit einem roten Herzschild belegt, darin ein goldener herschauender Löwe (Sayn). Feld 1 und 4 zeigen in Silber zwei schwarze Pfähle (Wittgenstein), Feld 2 zeigt in Rot eine silberne zweitürmige Burg [hier in umgekehrten Farben] mit schwarzem Tor und Fenstern (Homburg), Feld 3 in Schwarz einen silbernen Schräglinksbalken, nach der Figur belegt mit drei schwarzen Eberköpfen, die Rüssel nach oben (Freusburg). Auf dem Schild ruhen drei Helme; auf dem gekrönten mittleren ein goldenes Steinbockshorn; die Helmdecken sind rotgolden (Sayn). Der vordere Helm trägt einen schwarzen Hut mit silbernem Stulp, besteckt mit fünf Straußenfedern, die silbern und schwarz wechseln; die Decken sind schwarzsilbern (Wittgenstein). Der dritte Helm trägt die silberne Burg; die Decken sind rot-golden (Homburg).








Kupferstich von Cornelis Galle nach Anselm van Hulle, 1648, aus: Pacificatores Orbis Christiani, Rotterdam 1697, Blatt 66, 30,4 x 19,5 cm (Blatt, beschnitten)
Münster, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Inv.Nr. K 57-228 LM
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