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Landwehr in Coesfeld

 
 
 
1197 trat Bischof Hermann von Münster der Absicht der Abtei Varlar entgegen, ihre auf dem Klosterhof Coesfeld entstandene Siedlung um die Lambertikirche zur Stadt zu erheben, befreite seinerseits die Bewohner der "villa“ Coesfeld von der von ihm erworbenen Vogtei und stattete den Ort mit dem Recht der Stadt Münster aus. In der Folgezeit galt der Raum innerhalb der Fredesteine, die an den Straßen nach Dülmen, Borken und Holtwick etwa 800 m außerhalb der Stadtmauern standen, als Geltungsbereich des Stadtrechtes, während jenseits davon die Zuständigkeit des Gogerichtes Hastehausen (so 1488 belegt) begonnen hat.

Der Ausgriff der Bürger auf den Bereich außerhalb von Wall und Gräben lässt sich 1258 mit dem Bau einer städtischen Mühle vor dem Münstertor festmachen. Kurz vor 1287 wurde auf dem Boden der Gaupeler Mark die erste städtische Ziegelei errichtet und zur Pacht ausgetan. Dass die Maßnahmen der Bürger bereits damals über den Bereich der Fredesteine hinausgingen, bischöflicherseits aber nicht unwidersprochen blieben, macht eine Auseinandersetzung mit Bischof Everhard von Münster um einen Wegverkauf 1280 deutlich.

Gleichwohl waren die Bischöfe von Münster auf die militärische Unterstützung durch die Bürger angewiesen: 1303 und 1316 unterstützte Bischof Ludwig den Mauer- und Befestigungsbau der Stadt und überließ den Bürgern 1314 das Recht, alle diejenigen, die mit Gewalt gegen die Bürger und ihren Besitz vorgegangen waren, auch außerhalb der Stadt verfolgen zu dürfen und sich in diesem Fall Helfer zu verpflichten. 1367 wurde dieses Privileg von Bischof Florenz noch erweitert. Im Gegenzug verpflichtete die Stadt 1334 sechs Knappen auf Lebenszeit, in Fehden zur Unterstützung des Bischofs mit 12 Bewaffneten auszuziehen und untersagte ihren Bürgern 1344 eigenmächtige Fehdeführung.

Parallel zu der im 14. Jh. zu beobachtenden Beanspruchung der Stadt im bischöflichen Kriegsdienst, der bereits den Einbezug des städtischen Umlandes voraussetzte, lässt sich bis 1350 verstärkt die Auflösung der stadtnahen Höfe feststellen, deren Ländereien an Bürger verpachtet (Siedlungen auf der Lehmsole, bei Hembruggion) oder den geistlichen Stiftungen der Stadt überlassen wurden (Steckinghof, Hof Oldendorpe, Hof Dulmannink, Blomenhof), doch gab es 1344 noch vereinzelt Bürger außerhalb der Stadt..
Cornelia Kneppe

Landwehren im Fürstbistum Münster



 
Rekonstruktion der Stadtlandwehr von Coesfeld auf der Karte des Parcellarkatasters der Stadt Coesfeld von 1847 mit Zusatzen von Peter Ilisch
 
 
Die im Besitz von Bürgern befindlichen Ländereien sowie vereinzeltes Eigentum auswärtiger Grundherren umfasste die 1410 zuerst genannte Stadtlandwehr, die im Zuge der Außengrenzen der Urkatasterfluren I, III, IV, VI und VII der Stadt Coesfeld und teilweise auf Markengrund zu rekonstruieren ist und damit das von den Fredesteinen markierte Gebiet bei weitem überschritten hat. Namentlich bekannte Schlagbäume sind der Schlagbaum an der Klinke, der bei dem um 1410 errichteten Leprosenhaus die Straße nach Münster kontrollierbar machte, weiterhin der 1417 erwähnte Hillenbaum am Weg nach Varlar, der Berchbom (1459), der Emmerkynckbom (1536) und der Cyrkesholtesbaum (1477). Ob auch der 1355 erwähnten Rennebaum "vor dem Berge“, der 1368 genannte Wartbaum bei dem Blomenwinkel sowie der Heitbaum im Bereich der Wüstung Oldendorp im Zuge dieses Landwehrverlaufs lagen, muss offen bleiben. Ein Stück Binnenhagen könnte für eine ältere, enger gezogene Landwehr sprechen, aber auch als Abschnittslandwehr als zusätzlicher Schutz für die nahe gelegene Ziegelei auf dem Brink gedient haben.

Die Stadtlandwehr, die seit dem 16. Jh. ausschließlich als "Stadthagen“ bezeichnet wurde, war ebenso Eigentum der Stadt wie ein beidseitiger Randstreifen von 12 Fuß Breite. Zwei Hagenherren aus dem Stadtrat führten die Aufsicht über den Stadthagen, organisierten den Holzverkauf und stellten die beiden Hagenwarte an.

Die Entstehung der Landwehr dürfte in die erste Hälfte des 14. Jhs. gehören. Dafür spricht die Erwähnung eines "Gosscalcus thon Hagene“ im Jahr 1346 sowie die 1349 gewählte Umschreibung von Ländereien "intra municipalia oppidi Cusveldensis“. Seit 1700 ist der Verkauf der Wehranlage belegt, deren Verlauf weitgehend aus dem Urkataster rekonstruierbar wird. Wenn die Stadt im Bereich des Stadthagens zwar Polizeiaufsicht ausübte, doch nicht die städtische Gerichtsbarkeit über die Fredepfähle ausdehnen konnte, so dürften die weiter bestehenden Lehensbindungen an Adel und Bischof dafür verantwortlich sein. Nur so wird auch verständlich, dass eine Neubesiedlung des Stadtfeldes (Haus Lohburg auf dem bischöflichen Hof Markoldeswik u.a.) seit dem 16. Jh., wenn auch nicht ohne Konflikte mit der Stadt möglich war. Der Coesfelder Stadthagen lässt sich somit als eine spätmittelalterliche Wehranlage mit nur eingeschränkter Rechtskraft charakterisieren.
 
 
Literatur
Hüer, H.
Geschichte der Stadt Coesfeld nach der Darstellung von Bernhard Sökeland neu bearbeitet. Münster (1947) bes. S. 175-184.

Ilisch, P.
Stadt und Umland. In: N. DAMBERG (Hrsg.), Coesfeld 1197-1997. Beiträge zu 800 Jahren städtischer Geschichte. Münster (1999), S. 947-961.

Ders..
Die mittelalterliche Siedlungsschicht in der Bauerschaft Gaupel, Kirchspiel Coesfeld. Geschichtsblätter des Kreises Coesfeld 27, 2002, S. 27-74.

Tenbergen, B.
Die Coesfelder Landwehr. Entstehung, Funktion und heutiger Zustand. Mitteilungen des Heimatvereins Coesfeld 1998, S. 20-26.

Tewes, L.
Coesfeld. Vom Stadtbund zum Landfrieden. Geschichtsblätter des Kreises Coesfeld 11, 1986, S. 13-29.


Abdruck aus: Cornelia Kneppe, Die Stadtlandwehren des östlichen Münsterlandes, Veröffentlichungen der Altertumskommission für Westfalen XIV, Münster 2004, S. 130f.