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Landwehr in Bocholt

 
 
 
Zu den ältesten Städten im Fürstbistum Münster gehört die Stadt Bocholt, deren Entwicklung von einem bischöflichen Haupthof und der auf seinem Grund errichteten Pfarrkirche St. Georg ausgegangen ist. Wichtige Stationen ihrer Stadtwerdung sind die Verleihung des Weichbildrechtes 1201 durch Bischof Hermann von Münster sowie die des münsterischen Stadtrechtes 1222. Dies bildete die Grundlage für die Einsetzung eines bischöflichen Stadtrichters, vor dem die Bürger in der Folgezeit ihr Recht suchten. Der Geltungsbereich des Stadtrechtes war durch so genannte Friedpfähle markiert, deren Lage später durch Steinkreuze vor den Toren Bocholts angegeben war.

Nach A. Schmeddinghoff orientierte sich die "middelste lantwer“ an dieser frühen Gerichtsgrenze, indem sie vor dem südlichen Neutor dem Lauf der Haspel-Aa folgte, nach Osten die Dingbänke, den Versammlungsort des Gogerichtes, aussparte und von dort zur bischöflichen Königsmühle verlief. Dann folgte die Landwehr dem Sandbach und wandte sich bei der Ruwenwysche nach Norden. Am Lütken Vildeken vorbei soll sie unweit der Nordseite der Stadtbefestigung verlaufen sein. Eine andere Möglichkeit erschließt sich in der Linienführung des Schievenbaches, in dessen Nähe die Flurbezeichnung "Schendorn“ festzumachen ist. Auf der Höhe des nordwestlichen Friedpfahles wäre die Landwehr dann nach Süden abgebogen und an der Windmühle vorbei der alten Aa zugesteuert. Die Flurbezeichnung "Birnbaum“ könnte den Ausgang der Straße nach Werth und Anholt markieren. 1484/85 wurde auf der Landwehr vor dem Neutor ein Bergfried errichtet.

Die Namengebung "mittelste Landwehr“ setzt eine innere wie äußere Landwehrlinie voraus. Im Fall der inneren Wehrlinie ist nur an die Stadtbefestigung zu denken, die von frühester Zeit an aus einem Wall bestanden hat und sich im äußeren Erscheinungsbild vor der Stadtmauer wenig von einer Landwehr unterschieden haben mag.

Die äußere Landwehr erfassen wir aus den Stadtrechnungen des 15. Jhs., in denen seit 1422 auf Instandsetzungsarbeiten an den Schlagbäumen Bezug genommen wird. Ihr so zu erschließender Verlauf bei den Höfen Aholt im Westen, Degelinck im Süden, an der Syderheide im Süden sowie beim Hof Geuting im Nordosten macht deutlich, dass die Grenzen der späteren Feldmark mit Ausnahme der Ziegelheide gesichert werden sollten. Eine Erweiterung des städtischen Einfluss- und wohl auch Rechtsbereiches hatte sich bereits mit den Ankäufen der Höfe Geuting 1359 und Wecel 1429 angebahnt und lässt sich auch aus einer weiteren Zahl aufgegebener Hofstellen im näheren Umkreis der Stadt nachweisen. Einen sicheren Beleg für den Verlauf der äußeren Landwehr erhalten wir auf der Nordseite der Feldmark. Eine historische Karte aus dem 18. Jh. belegt, dass sie schon damals sehr lückenhaft war, denn eine Rekonstruktion wird erst durch die ausführliche Legende möglich. Vermutlich auf diese Landwehr bezieht sich eine Nachricht von 1571, nach der das Gogericht alle Kirchspielleute "buten der Landweer“ umfasste.
Cornelia Kneppe

Landwehren im Fürstbistum Münster




 
Stadtgebiet von Bocholt auf der Grundlage der Urkatasterübersicht von 1826 mit der Verlaufsrekonstruktion der mittleren Landwehr nach Angaben von A. Schmeddinghoff
 
 
Die Anfänge der Stadtlandwehr Bocholts lassen sich nicht exakt bestimmen, doch spricht die Orientierung der mittleren Landwehr an dem ältesten Stadtrechtsgebiet für eine frühe Enstehung im 14. Jh. Dieser Eindruck wird durch die frühen Belege für die Teilnahme der Bocholter Bürger an bischöflichen Kriegszügen in den Fehden des 14. Jhs. bekräftigt. Zuerst sind sie 1304 bei der Gefangennahme Hermanns von Lon belegt, dann aber auch in der Fehde mit Geldern um 1320, und es beruht sicher auf keinem Zufall, wenn Fragen der Entschädigung bei Kriegsverlusten 1336 geregelt wurden. Zur selben Zeit wurde der Einfluss des bischöflichen Stadtrichters, der auch der Bocholter Bürgerschaft angehörte, durch die 1295 zuerst nachweisbaren beiden Bürgermeister der Stadt abgelöst und damit die Selbstverwaltung der Bürger verstärkt.

Der äußerst geringe Niederschlag, den die mittlere wie die äußere Landwehr in der Flurnamenüberlieferung gefunden haben, verweist darauf, dass sie frühzeitig eingeebnet wurden. Hierfür könnte ausschlaggebend gewesen sein, dass Stadt- und Landgericht von jeher in Personalunion verbunden waren und die Landwehren als sichtbare Markierung der städtischen Rechtsgrenze an Bedeutung zurückgetreten sind. Mit der Aufgabe ihrer Verteidigungsfunktion haben demnach die Bocholter Stadtlandwehren ihre Bedeutung verloren und verschwanden nahezu vollständig aus dem kollektiven Bewusstsein.
 
 
Literatur
Bröker, E.
Zur Geschichte des Bocholter Gerichtswesens. Unser Bocholt 2, 1951, S. 157-168.

Reigers, F.
Einige Beiträge zur Geschichte der Stadt Bocholt und des vormaligen Amts Bocholt. Westfälische Zeitschrift 42, 1884, S. 95-157.

Schmeddinghoff, A.
Zur Baugeschichte der Stadt Bocholt. In: Bocholt 1222-1922. Bocholt (1922) bes. S. 144-162.

Scholz, Kl.
Stadt und Landesherr. In: Stadt Bocholt (Hg.), Bocholter Quellen und Beiträge 1. Münster (1976), S. 53-67.


Abdruck aus: Cornelia Kneppe, Die Stadtlandwehren des östlichen Münsterlandes, Veröffentlichungen der Altertumskommission für Westfalen XIV, Münster 2004, S. 126f.