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Das Täuferreich von Münster


 
 
Einleitung
Die Vorgeschichte des Münsteraner Täuferreiches zeigte bis zum Sommer 1533 die typischen Konflikte zwischen Bürgertum, Stadtherrn und Klerus. Münster war zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Mittelstadt von 7.000 bis 8.000 Einwohnern, als Bischofssitz ein geistiges Zentrum in Nordwestdeutschland und ein regionales Handelszentrum. Im Mai 1525 kam es erstmals zu Unruhen, in deren Verlauf die Gilden dem Rat Beschwerdeartikel übergaben. Diese richteten sich unter anderem gegen das Schwesternhaus Marienthal, genannt Niesing. Die Schwestern handelten mit selbst produzierten Tuchwaren, mit denen sie in Konkurrenz zum städtischen Gewerbe standen. Eine weitere Forderung war die Mitwirkung der Bürgerschaft bei der Berufung von Kaplänen an die Pfarrkirchen. Der Aufstand wurde friedlich beigelegt; die Bürgerschaft scheiterte letztlich mit ihren Forderungen.

Seit 1529 predigte Bernhard Rothmann, Kaplan am vor den Toren der Stadt gelegenen Chorherrenstift St. Moritz, im Sinne Luthers. Er fand viele Anhänger in der Bürgerschaft und auch im Stadtrat. Bereits im Spätsommer 1532 wurden alle sechs Pfarrkirchen Münsters mit evangelischen Predigern besetzt, der Rat war mehrheitlich lutherisch.

Der Fürstbischof verlangte nun, Rothmann nebst den übrigen lutherischen Predigern der Stadt zu verweisen und alle kirchlichen Neuerungen einzustellen. Die Etablierung des Luthertums in Münster war jedoch nicht mehr zu unterbinden, und so musste der Bischof im Vertrag von Dülmen am 14.02.1533 die religiösen Verhältnisse in der Stadt anerkennen.

Bis zum Sommer 1533 ist der Verlauf der Reformation in Münster also nicht von dem in anderen Städten zu unterscheiden. In der Folge sollte sich die religiöse und politische Situation nun zunehmend radikalisieren. Zur Frage, wie es zum "Aufruhr von Münster" kam, gibt es zahlreiche Meinungen, die je nach Standpunkt die politischen, religiösen oder wirtschaftlichen Ursachen betonen. Dass es zu einer Katastrophe diesen Ausmaßes kam, war aber wohl gerade eine Folge der Verquickung verschiedener Umstände. Lange wurde die These vertreten, dass das Täuferreich ein Aufstand der städtischen Unterschichten gewesen sei. Inzwischen konnte jedoch nachgewiesen werden, dass sich unter den Anhängern der Täufer viele Mitglieder der ratsfähigen Münsteraner Familien befanden. Der Zuzug zahlreicher Täufer aus den Niederlanden und dem Umland sollte die religiösen Spannungen in der Stadt jedoch verschärfen.
 
 
Bernhard Rothmann hatte sich schon Anfang der 1530er Jahre den Lehren des Züricher Reformatoren Zwingli zugewandt und wurde, weil er das Abendmahl nun mit Weißbrot austeilte, auch "Stutenbernd" genannt. Ab Sommer 1533 geriet er unter den Einfluss des Täufertums, einer radikalen Abspaltung der Zwinglianer, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine Anhängerschaft in den Niederlanden besaß. Das Täufertum lehnte die Kindertaufe ab und forderte stattdessen die Gläubigentaufe. Die Vertreter dieser Lehre wurden daher abwertend auch "Wiedertäufer" genannt. Schon 1528 hatte der Kaiser ein Mandat gegen das Täufertum erlassen, 1529 folgte das Verbot im Reich mit der Begründung der Ketzerei und des Aufruhrs. Rothmann setzte sich darüber hinweg und predigte nun auch in Münster gegen die Kindertaufe. Er konnte einen Teil der lutherischen Bewegung auf seine Seite ziehen, der Rat der Stadt jedoch verbot ihm umgehend die Predigt und versuchte das lutherische Kirchenwesen zu festigen, indem er eine Kirchenordnung verfassen ließ.

Die Anfänge der täuferischen Bewegung in Münster gerieten seit Herbst 1533 zunehmend unter den Einfluss von Täuferaposteln aus den Niederlanden, die das nahe Weltende predigten. Im Januar 1534 empfingen Rothmann und ein Großteil seiner Gemeinde von den Täuferaposteln die Erwachsenentaufe. Die holländischen Täuferführer Jan Mathijs und Jan van Leiden gelangten nach Münster und riefen es zum neuen Jerusalem aus, dem Ort, an dem die Gläubigen am unmittelbar bevorstehenden Tag des Jüngsten Gerichts Rettung finden würden. Zahlreiche Täufer aus den Niederlanden, dem Münsterland und der weiteren Region sollten von nun an nach Münster ziehen.

Bei der jährlichen Ratswahl im Februar 1534 übernahmen die Täufer die Ratsherrschaft. Katholische und lutherische Bürger verließen nun die Stadt. Die neu eingeführte Gesellschaftsordnung beruhte auf der Gütergemeinschaft und der Taufe. Alle Bewohner, die nicht die Erwachsenentaufe empfangen hatten, wurden der Stadt verwiesen. Im Dom und in den Klöstern kam es zu Bilderstürmen, zur gewaltsamen Vernichtung von Heiligenbildern und Altären.

Fürstbischof Franz von Waldeck versuchte nun, seine lange ausgehöhlte Herrschaft über die Stadt wiederherzustellen und die "Ketzerei" zu beenden. Seit Februar 1534 ließ er Münster belagern und verhängte eine Handelssperre über die Stadt. Zugleich warb er im Reich um Unterstützung und erhielt sie aus Jülich-Kleve-Berg, Köln, Kursachsen und Hessen. Für die Zeitgenossen stellte das Täuferreich die bekannte soziale und politische Ordnung auf den Kopf. Luther sah in Münster den Teufel am Werk.

Nachdem Jan van Leiden schon im April die Ratsverfassung abgeschafft und einen Ältestenrat eingesetzt hatte, wurde im Juli 1534 die Mehrehe für Männer eingeführt. Im September schließlich wurde van Leiden zum König ausgerufen. Gegen alle Gegner und Kritiker gingen die Täufer mit großer Grausamkeit vor und ließen sie hinrichten.

Nachdem mehrere Versuche, die Stadt zu erobern, gescheitert waren, wurde Münster im Februar 1535 endgültig abgeriegelt. Im Juni 1535 gelang schließlich die Eroberung der ausgehungerten Stadt, bei der fast alle Männer hingerichtet und die Frauen ausgewiesen wurden. Im Januar 1536 wurden die drei Täuferführer Jan van Leiden, Bernd Knipperdolling und Bernd Krechting hingerichtet und ihre Leichen am Lambertiturm in eisernen Körben zur Schau gestellt. Die ehemaligen Bewohner Münsters kehrten zurück. 1541 stellte der Fürstbischof die städtischen Privilegien außer der Ratswahl und der Gildeverfassung wieder her. Die Stadt kehrte zum Katholizismus zurück.

Das Münsteraner Täuferreich war ein "Medienereignis": Zahlreiche Flugschriften wurden gedruckt, die die Münsteraner Zustände schilderten. Über die Geschehnisse in der Stadt sind wir durch erhaltene Verhörprotokolle mit den Täufern und durch Erinnerungen unterrichtet.