Zeitabschnitte > 1450-1555




 

1. Kontinuität und Umbruch

 
 
 

1.1 Epochengliederung

 
 
 
Die Epochengliederung, welche hier zu bearbeiten ist, entspricht nicht gewohnten Zugriffen. Der Leser würde einen Abschnitt zum Spätmittelalter erwarten, dem dann ein Aufsatz zum frühneuzeitlichen Wandel unter besonderer Berücksichtigung der Reformation zu folgen hätte. Hingegen wird im vorliegenden Fall vom langen 15. Jh. ausgegangen - spätmittelalterliche Konstellationen und Strukturen gilt es für das 16. Jh. zu belegen und mit dem Neuen - und das sind zweifellos die Auswirkungen der Reformation - abzuwägen. Dabei gilt es natürlich auch der zentralen Frage westfälischer Landesgeschichte nachzugehen, was unter Westfalen zu fassen ist, denn: Auch für diesen Zeitraum gilt, dass ein Kernterritorium und eine westfälische Dynastie nicht existierten.

Der Blick in die literarischen Zeugnisse der Zeit lässt erkennen, dass sich Westfalen im Verständnis der Zeitgenossen auch auf das Niederstift Münster, das Fürstbistum Osnabrück, auf die Grafschaften Bentheim, Diepholz, Hoya und Oldenburg im Norden und Nordosten, im Westen auf die Grafschaft Berg und im Süden ebenso auf die Grafschaft Waldeck erstreckte. Somit ist die Landkarte Westfalens gekennzeichnet durch vier große Fürstbistümer, einige Fürstabteien (Corvey, Essen, Herford, Werden), einige größere weltliche Territorien, die aber von auswärtigen Dynasten regiert wurden (Vest Recklinghausen, Herzogtum Westfalen, die Grafschaften Berg, Mark und Ravensberg) und zahlreiche kleinere Territorien von Grafen und Edelherren (je nach Westfalenbegriff bis zu 23). Die dichte Städtelandschaft wird angeführt von den vier Bischofsstädten, sodann den großen Städten am Hellweg von Dortmund bis zur Weserstadt Höxter und der Metallgewerbestadt Iserlohn. Es gab nur eine Reichsstadt, nämlich Dortmund; die mit den Reichsabteien Essen und Herford verbundenen gleichnamigen Städte sind nicht als Reichsstädte aufzufassen.

Als sich die ältere Forschung daran machte, dieses große Westfalen als Raum "objektiv" zu kartieren, bestimmte man als typisches Merkmal Westfalens die Beeinflussung durch Kulturströme. Und in der Tat, trotz der heutigen Skepsis gegenüber einigen methodischen Prämissen des Konzepts können für Westfalen drei Punkte der Argumentationen der Raumforschung als Kennzeichen herausgearbeitet werden: zum ersten der kulturelle und politische Einfluss Kurkölns, letzterer auch ganz manifest durch das kölnische Vest Recklinghausen und das Herzogtum Westfalen, zweitens die Hansestädte im Norden, die wirtschaftlich und (besonders im Reformationszeitalter) kulturell-religiös die großen Städte beeinflussten, und drittens die fruchtbaren Austauschbeziehungen mit dem Niederlanden - hier gab es sprachlich keine Verständigungsprobleme.

Zu bemerken ist noch, dass Westfalen in dieser Zeit ein reichsfernes Gebiet war, auch wenn die münsterische Stiftsfehde 1451 bis 1456 und die Herrschaft der Täufer in Münster 1534/1535 reichsweite Kreise zogen. Auch die am Ende des 15. Jhs. eingeführte Kreisverfassung in Gestalt des Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises erhöhte die Präsenz des Reiches nur unwesentlich und hatte im Übrigen keine zentralisierende Wirkung.
Karl Ditt:  Der Raum Westfalen in der Historiographie des 20. Jhs.


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Der Westfälische Reichskreis 1512-1806



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Die Westfälischen Territorien um 1500
 
 

1.2 Imaginiertes und gesprochenes "Westfalen"

 
 
 
Der Raum Westfalen um das Jahr 1500 kann als "Traditionszusammen-hang" (Johanek) verstanden werden: Für die Eliten der Zeit wurde es konstituiert durch das Wissen um die gemeinsame Geschichte und um eine gemeinsame Stammeszugehörigkeit. Die Westfalen als Teilethnie der Sachsen hätten unter ihrem Anführer Widukind dem Frankenkönig Karl dem Großen lang anhaltenden Widerstand geleistet. Erst durch ihren Mut und ihre Tapferkeit hätten sie Karl zu großen militärische Taten gezwungen; Karls Ruhm wurde also durch (die) Westfalen gemehrt. Zu Mut, Beharrlichkeit und Verlässlichkeit kam aufgrund der Bekehrung durch den großen Kaiser eine besondere Frömmigkeit, welche die Westfalen früher als andere Teilstämme der Sachsen ausgezeichnet habe. Im Westfalenross (silbern auf roten Grund) wurde der Zusammenhang von heldenhaftem Kampf und Bekehrung in einem einheitsstiftenden Symbol zum Ausdruck gebracht. Als erster erwähnt der Braunschweiger Chronist Konrad Bothe 1492 in seiner "Cronecken der Sassen", dass Widukind ein schwarzes Pferd in seinem Wappen geführt habe, doch König Karl habe ihm das weiße Pferd zu einem Zeichen dafür gegeben, "dat he sich vorluchtet hadde in dem geloven". Diese Erzählung wurde in der Folgezeit tradiert und ausgeweitet. Das Westfalenross diente nun zum einen der Kennzeichnung Widukinds und zum anderen nutzten es die Erzbischöfe von Köln im Zuge der Belehnung auf dem Reichstag zu Worms und der Wappenmehrung 1495 für das Herzogtum Westfalen (erste Abbildung in einem achtfeldrigen Wappen 1508 - Fenster im Kölner Dom). Für das Herzogtum Westfalen wurde es seit 1581 als eigenständiges Wappen genutzt.
 
 
 
Die Teilhabe an diesen Gründungsmythen und Charaktereigenschaften wurde um 1500 für all diejenigen konturiert, die zwischen Weser und Rhein wohnten. Die Erinnerung an die Engern blieb nur insofern lebendig, als das Grab Widukinds in Enger bei den schreibenden Eliten Erwähnung fand. (Allerdings gelangten die vermeintlichen Reliquien Widukinds 1414 nach Herford.) Als Beispiel für die Konturierung dieses Traditionszusammenhangs Westfalen kann der 1425 in Laer bei Horstmar geborene Kartäusermönch Werner Rolevinck herangezogen werden. Er fasste 1474 in seiner Schrift "De laude antiquae Saxoniae nunc westphaliae dictae" Westfalen als Land, als terra, im Sinne einer Landschaft, konstituiert durch Stammeseigenschaften und Geschichte. Es gab für ihn einen populus Westphalorum, einen Teilstamm der Sachsen. Rolevinck betrachtete einen politischen Kommunikationsraum, der durch in Landfrieden und Gericht (Veme) konstituiert wurde. Von den alten, heidnischen Sachsen herrührend, hätten sich die Westfalen durch ihren Bekehrung zum Christentum vom heidnischen Erbe der Sachsen gelöst, ohne sächsische Tugenden (Charakterstärke, Tapferkeit, Treue) verloren zu haben. Die Missionare Liudger, die beiden Ewalde, Lebuin, aber auch und gerade die Antipoden Widukind und Karl wurden von Rolevinck ob ihrer Bedeutung für Westfalen hervorgehoben.

War die historische Erinnerung Bestandteil des Denkens der Bildungseliten, so galt für alle, dass der Kommunikationszusammenhang Westfalen durch die Sprache gefestigt wurde: Das Westfälische wies als Sprech- und Schreibsprache Eigenständigkeiten auf und besaß relativ eindeutige Grenzen zum Ostfälischen, Hessischen und dem Ripuarischen (die "Coelsche spraiche"), während die Übergänge zum nordniederdeutschen Hanseraum und zum Holländischen fließend waren. Allerdings waren auch Sprachkontakte mit dem Rheinland möglich. In Westfalen wusste man um die Eigenständigkeit der Sprache: Geschieden wurde "vnsere Westphäsche zung und spraach", so der Dortmunder Theologe Schöpper (verstorben 1554), von den Sprachräumen der Nachbarschaft. Der Kommunikationsraum Westfalen wurde auch durch volkssprachliche Drucke verstetigt (Münster 1485, Soest 1523, Lippstadt 1528). Aber auch die frühen Druckereien in Deventer, Kampen und Zwolle sowie in Köln produzierten für den westfälisch-niederdeutschen Markt. Und für diese eigenständige Sprech- und Schreibsprache spricht auch die erste Lutherbibel von 1525, die nach der Übersetzung des Theodor Smedecken von Johannes Bugenhagen in Wittenberg erstellt wurde. Überhaupt war die Reformation der "Höhepunkt des Sprachausbaues" des Westfälischen (Robert Peters), man denke nur an Rothmanns Schriften für Münster oder Westermanns Katechismus für Lippstadt. Doch nur wenige Jahre später gab es in den fürstbischöflichen und städtischen Kanzleien (Fürstbistum Münster 1543 bis 1551) im auswärtigen Schriftverkehr den Sprachwechsel (nicht den Sprachausgleich) zum Hochdeutschen (ostmitteldeutsch-ostoberdeutsche Ausgleichssprache). Das Westfälische blieb Volkssprache, doch neue Entwicklungen zeichneten sich ab.
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Grabrelief Widukinds in der Engeraner Kirche


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Widukind auf einem historisierenden Kupferstich des 17. Jhs.


Materialien für den Schulunterricht: Anne Roerkohl über  Widukind - Geschichte und Mythos
 
 
 

2. Die spätmittelalterlichen "Territorialstaaten"

 
 
 

2.1 Die politische Landkarte

 
 
 
Die im  vorangegangenen Überblick von Mark Mersiowsky geschilderte Tendenz zur Territorialisierung setzte sich fort, mit all den Brüchen und genealogischen Zufällen, die für eine solche Betrachtung zu berücksichtigen sind. Da eine Hegemonialmacht nicht existierte, strebte nach den Flurbereinigungen des 14. Jhs. (Klaus Scholz) jeder Territorialherr danach, Rechte zu akkumulieren und den Landesausbau, auch unter Ausschaltung konkurrierender Herrschaftsträger, voranzutreiben. Doch erst im Zeitalter der Reformation gelang es einigen Territorialherren, den Städten und lokalen Herrschaftsträgern auf dem Land (Klöstern!) Rechte abzutrotzen. Zuvor standen Verpfändungen und Herrschaftskrisen/Herrschaftsteilungen dem systematischen Ausbau der Landesherrschaft entgegen.

Das wichtigste territorialgeschichtliche Ereignis ist für das Jahr 1511 zu nennen: In diesem Jahr kamen aufgrund der Heirat der Erbtochter Maria des Herzogs von Jülich-Berg mit dem jungen Herzog Johann von Kleve-Mark die westfälische Grafschaft Ravensberg mit der Grafschaft Mark - seit 1391/1398 in Personalunion mit Kleve vereinigt und 1461 gemeinsam verwaltet - zusammen. Der Länderkomplex der Herzöge von Kleve-Jülich-Berg mit den westfälischen Grafschaften Mark und Ravensberg blieb bis zum Tod des Herzogs Johann Wilhelm 1609 der größte weltliche Territorienkomplex Nordwestdeutschlands.

Um die Besetzung der westfälischen Fürstbistümer wurde auch 15./16. Jh. heftig gerungen: Nach der Niederlage in der Soester Fehde versuchte der Kölner Erzbischof Dietrich von Moers, der ja auch Administrator des Fürstbistums Paderborn war, im Rahmen der sog. münsterischen Stiftsfehde seinen jüngeren Bruder Walram auf den Bischofsstuhl in Münster zu hieven, scheiterte aber (1451-1456). Sein Konkurrent, Graf Johann von Hoya, wollte seinen als Bischof von Osnabrück nicht zum Zuge gekommenen Bruder Erich durchsetzen. Diese Ambitionen wie auch der dritte Bischofsprätendent Konrad von Diepholz zeigen, dass die nordwestdeutschen Dynasten durch die Besetzung der westfälischen Fürstbistümer ihre regionalen Herrschaften aufzuwerten suchten.

Daran änderte sich auch in der Folgezeit nichts. 1508 hatte sich die Richtung ins Niedersächsische bzw. Welfische gedreht: Osnabrück und Paderborn fielen an Erich von Braunschweig-Grubenhagen (1508-1532), Minden an Franz von Braunschweig-Lüneburg (1508-1529) und Münster an Erich von Sachsen-Lauenburg (1508-1522). Doch mit Franz von Waldeck (um 1491-1553), der drei Fürstbistümer akkumulieren konnte (Minden 1531, Münster und Osnabrück 1532), geriet wieder eine Familie in den Blickpunkt, die dem westfälischen Adel angehörte. Eine Personalunion zwischen Kurköln und einem westfälischen Fürstbistum kann zweimal belegt werden. Der Kölner Erzbischof Hermann von Hessen war von 1498 bis 1508 Administrator des Fürstbistums Paderborn, und von 1532 bis 1547 nahm Erzbischof Hermann zu Wied diese Position ein. Dieser hatte bereits seinen Bruder Friedrich zum Bischof von Münster (1522-1532) durchsetzen können, doch erst im Zeitalter der katholischen Reform sollte die Verbindung zwischen Köln und dem bedeutendsten geistlichen Territorium Westfalens, Münster, wieder enger werden.

Westfälische Edelfreie und Dynasten kamen bei der Besetzung der Bischofsstühle nur ausnahmsweise zum Zuge: Das Fürstbistum Paderborn war traditionell Interessengebiet der lippischen Edelherren. Für unsere Periode ist Bischof Simon 1463 zu nennen. Weiterhin ist Konrad von Rietberg (um 1456-1508) anzuführen, der in Münster und Osnabrück von 1497 bzw. 1482 bis 1508 Bischof war. Demgegenüber war die Zeit der Ritterbürtigen bzw. des Stiftsadels noch nicht angebrochen. Die Wahl des Seniors des Paderborner Domkapitels Rembert von Kerssenbrock (1474-1568 aus dem Hause Brinke auf Gut Bruch bei Melle) 1547 in Paderborn markierte aber einen Wendepunkt.

Die kleinen weltlichen Territorien wiesen einen geringen Handlungsspielraum auf; die Dynasten konnten kaum Territorialisierungsgewinne erzielen, sieht man von den Edelherren von Lippe ab, denen es gelang, ihr Kernterritorium Lippe zu festigen. 1512 erhielten sie den Reichsgrafenstand. Ihre Ursprungsstadt Lippstadt mussten sie seit 1445 in Form einer Gesamtherrschaft mit Kleve-Mark teilen. Die Herrschaft Rheda verloren die Edelherren endgültig 1491 an die Grafen von Tecklenburg, denen es nach heftigen Grenzstreitigkeiten 1565 gelang, dem Fürstbistum Osnabrück einige Ortschaften abzutrotzen. 1493 führte eine Erbteilung zur Trennung von Tecklenburg-Rheda und Lingen. Die Bentheimer Grafschaft (1486 Reichsgrafschaft) wurde 1454 zwischen Bernhard (Bentheim) und Arnold (Steinfurt) geteilt, 1487 kam es aber zur Erbvereinigung. Am Ende des Betrachtungszeitraumes (1557) gelangte die Grafschaft Tecklenburg mit Rheda durch die Heirat der Erbtochter Anna von Tecklenburg mit Everwin III. (Eberwin) an Bentheim. Für kurze Zeit - 1606 wurde erneut geteilt - gab es einen größeren Territorienkomplex in der Hand einer westfälischen Grafenfamilie (Bentheim, Rheda, Steinfurt, Tecklenburg).
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Die sechs Herzöge von Kleve und Grafen von der Mark, um 1650


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Herzog Johann


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Armbrustpfeile aus dem Waffenarsenal der Stadt Soest


Materialien für den Schulunterricht: Klaus Kösters über  Soest in der Neuzeit


Hans-Joachim Behr:  Biografie des Franz von Waldeck


Mark Mersiowsky,  Territorien und Städte - Westfalen im Spätmittelalter 1180-1450


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Graf Eberwin III. von Bentheim, 1560


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Karte der Grafschaft Tecklenburg
August Karl Holsche:  Historisch-topographisch-statistische Beschreibung der Grafschaft Tecklenburg nebst einigen speciellen Landesverordnungen mit Anmerkungen, als ein Beytrag zur vollständigen Beschreibung Westphalens, 1788
 
 

2.2 Die Entwicklung der Landesherrschaft

 
 
 
Der Zug zum Aufbau einer Zentralverwaltung und zur Distriktbildung war bei Weitem nicht so ausgeprägt wie in den rheinischen Territorien (und dazu sind im nachhinein auch Berg und Kleve zu zählen). Erst um 1500 setzte sich in den großen geistlichen Territorien allmählich der Rat als zentrales, permanentes Regierungsorgan durch und schränkte das persönliche Regiment des Landesherrn ein, der mit Unterstützung der Hofbeamten und der Kanzlei regiert hatte. So setzte Bischof Simon von Paderborn einen ständig in der Kathedralstadt amtierenden Rat ein. Intensiviert wurde die bürokratische Erfassung der Besitzstände, Herrschaftsrechte und Steuerleistungen. Zu nennen sind etwa das Schatzbuch der Grafschaft Mark 1486, die münsterischen Willkommschatzungen von 1498/1499 (s. u.), die lippischen Landschatzregister von 1533 und 1545 sowie das Ravensberger Urbar von 1556. Nach vorne wies - und auch hier ist der rheinische Vorsprung zu konstatieren - die Verwaltungsorganisation im kölnischen Westfalen. Nach der Erblandesvereinigung von 1463 wurden von Arnsberg aus sowohl der kirchliche Bereich (Offizialat) als auch die Ämter und Wälder verwaltet. Besonders der umfangreiche Waldbesitz bedurfte der Aufsicht, da aus ihm bedeutende Einnahmen aus Mast und Holz erzielt werden konnten. Der "Holzförster" des großen kölnischen Arnsberger Waldes entstammte der Arnsberger Bürgerschaft und ist seit 1421 kontinuierlich nachzuweisen. Er verkörperte, so Ralf Günther, die Macht des Landesherrn vor Ort nachhaltig, da er die landesherrlichen Marken und Waldungen vor Holzdiebstahl zu schützen, den Schweineeintrieb zu organisieren und den Holzverkauf zu organisieren sowie gleichzeitig die dort zudem bestehenden Marken der Markenbeerbten zu berücksichtigen hatte.
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Karte der Grafschaft Mark, 1761
 
 
Schlechter war es, gemessen am Idealtyp Territorialisierung, um die Neustrukturierung der Ämter bestellt. Zwar ging der Aufbau der von Burgen oder Amtsstädten verwalteten Ämter voran, doch oft zwang Geldnot den Landesherrn zur Verpfändung. Unter Amt wurde zudem Verschiedenes verstanden: So bestanden im Hochstift Paderborn neben den bischöflichen domkapitularische Ämter und Samtämter, die im Falle von Schwalenberg, Stoppelberg und Oldenburg mit Lippe verwaltet wurden. Auch gab es Ämter im adligen Besitz und Unterämter.

Konfliktträchtig blieb das Lehnsrecht, denn der Territorialherr musste sich vergegenwärtigen, dass der Adel durchaus Lehnsbindungen zu auswärtigen Territorialherren eingegangen war. So versuchte Hessen auf diesem Wege, Einfluss im Hochstift Paderborn zu gewinnen, und forderte 1544 die Edelherren von Büren auf, die Wewelsburg als hessisches Lehen zu empfangen.

Die Defizite im Ausbau des Territoriums werden auch an der Residenzenbildung deutlich: Der Bischof kehrte (noch) nicht (militärisch) in seine Kathedralstadt zurück; statt dessen wurden (zögerlich) die Residenzen außerhalb der Städte ausgebaut. Nur Arnsberg ist als Hauptstadt und zeitweilig genutzte Residenz eines quasi geistlichen Territoriums aufzufassen. Im Fürstbistum Münster wurde Ahaus, im Westen des Fürstbistums gelegen, ausgebaut. Die Burg bewährte sich in der münsterischen Stiftsfehde und wurde 1458 nach einer Verpfändung eingelöst. Im Hochstift Paderborn war Neuhaus, vor den Toren der Kathedralstadt gelegen, Hauptresidenz, Sitz einer Amtsverwaltung und militärischer Stützpunkt. Immerhin sind für 1450 ca. 30 Bedienstete belegt. Umfangreiche Ausbauten fanden in der in der ersten Hälfte des 16. Jhs. statt, zunächst das Haus Braunschweig, erbaut von Bischof Erich von Braunschweig (fertiggestellt 1525/1526), gefolgt vom Haus Köln (erbaut von 1532 bis 1547 von Administrator Hermann von Wied). Neue, "moderne" Architektur wurde aus Mitteldeutschland importiert; Vorbild für den Baumeister Jörg Unkair (Haus Braunschweig) waren Schloss Hartenfels in Torgau und der hallische Dom. Treppentürme, Zwerchhäuser mit Radgiebelabschluss und Portale mit Wappen stehen für den Wandel von der Burg zur repräsentativen Schlossanlage. Die Bischöfe von Osnabrück residierten in Iburg oder in Fürstenau, die von Minden in Petershagen. Dort wurde die Anlage zusammen mit der städtischen Siedlung 1519 im Zuge der Hildesheimer Stiftsfehde zerstört und von 1544 bis 1547 im Stil der Weserrenaissance neu erbaut.

Die Stände (Ritterschaft, Städte, ggf. das Domkapitel) können um 1500 als etabliert gelten, auch wenn die Zusammenkünfte oft noch ohne formalisierte Abläufe stattfanden und ihnen eine Regelmäßigkeit fehlte. Immerhin wurden sie nun als Landtage bezeichnet. Der Gemeinplatz der Forschung, dass ständische Interessen und Landesinteresse zusammenhingen, kann auch für Westfalen um 1500 gezeigt werden. In den Nebenländern waren es die Stände, welche die Einheit und den Erhalt des Landes im Territorialkomplex sicherten, u. a. auch, indem sie beim Aufbau der Zentralverwaltung einbezogen waren. 1482 wurde der kölnische Marschall als Vertreter des Erzbischofs ersetzt durch "Landdrost und Räte zu Arnsberg", durchweg Angehörige des Adels. Motor der Territorialisierung waren die märkischen Stände - Ritterschaft und Städte -, die 1486 eine allgemeine Landessteuer gegen die Zusage geordneter Finanzverwaltung bewilligten. Von Kleve aus wurde dann ein Ratskollegium mit festen Kompetenzen eingeführt. In den genuin westfälischen Territorien vertraten die Stände die terra gegenüber dem Landesherrn und sicherten so Existenz und Festigung des Territoriums, wobei in den Fürstbistümern die Domkapitel eine Sonderrolle einnahmen, die soweit gehen konnte, dass es auf dem platten Land eigene Ämter (s. o.) gab und mit Lippspringe sogar eine Siedlung vom (Paderborner) Domkapitel 1445 Stadtrechte zuerkannt bekam. Die Ziele des Domkapitels bestanden darin, den zahlreichen Besitz im Umland zu schützen und eine vom Bischof unabhängige Burg mit städtischer Infrastruktur auszustatten.

Die oben erwähnte münsterische Willkommschatzung von 1498/1499 war eine außerordentliche Kopfsteuer, welche die Landstände dem neuen Bischof Konrad von Rietberg zubilligten, damit dieser seine mit dem Amtsantritt entstandenen Kosten abtragen konnte. In Lippe waren es Ritterschaft und Städte, die gemäß dem Pactum unionis von 1368 darüber wachten, dass das Territorium durch Erbteilung nicht geschmälert wurde. In der Reformationszeit unterstützten in den weltlichen Territorien die Stände den Weg zum Luthertum, so in Lippe 1538 und in Tecklenburg 1543, während offensichtlich in den geistlichen Gebieten die Stände den überkommenen Katholizismus bewahrten, nicht zuletzt um die Säkularisation zu verhindern. So stoppten 1545 Domkapitel, Ritterschaft und Städte gemeinsam den Reformationsversuch des Paderborner Administrators Hermann von Wied und 1548 den des Osnabrücker Bischofs Franz von Waldeck. In der kleinen tecklenburgischen Herrschaft Rheda waren es die Klöster Clarholz, Herzebrock und das münsterische Marienfeld, welche qua Standschaft die Reformation für ihre Klöster und Dörfer aufhielten.

Die soziale Verfestigung im Sinne ständischer Schranken machte sich insofern bemerkbar, als sowohl das Domkapitel als auch die Ritterschaft sich gegenüber Patriziat und Niederadel abschotteten. Als Argumente dienten Wappen und Abstammung; das Rittergut war demgegenüber noch nicht das Kriterium für Landtagsfähigkeit. Für die Landtage wurde der landsässige Adel in Matrikeln erfasst. Für Paderborn liegt für 1444 ein komplettes Verzeichnis der Ritterschaft vor, das 47 ritterbürtige Geschlechter mit 110 Rittern und Knappen enthält. Die Abgrenzung erfolgte dabei durch eine Aufzählung der Rechte und der Anciennität. Von den führenden Geschlechtern wird gesagt, sie "hadden (ge)richte, dorpe, herlicheid, graeffescop, denste un gebede". Es seien "alder, riker, guder geslechte."
 
Die Wewelsburg


 
Residenz Neuhaus, heute Stadt Paderborn
 
 
 

3. Die Städte

 
 
 

3.1 Die Städtelandschaft

 
 
 
Das Städtewesen bewegte sich in den vorgezeichneten Bahnen: Das Städtenetz weist um 1500 sowohl die Groß- und Mittelstädte des 12. und 13. Jhs. als auch die oft unter territorialpolitischen Einfluss stehenden Gründungsstädte und Minderstädte (Wigbolde, Flecken, Freiheiten) des 13. und 14. Jhs. auf. Gemeinsam ist allen Stadttypen, dass sie an Bevölkerung und an sozialer Differenzierung hinzu gewannen. Die drei bedeutendsten Städte blieben Münster und die beiden Hellwegstädte Dortmund und Soest, wobei sich ganz allmählich Münster in Bezug auf Gewerbe, Bevölkerung (Münster um 1500 wohl mehr als 10.000 Einwohner, zum Vergleich die bedeutende Weserstadt Höxter 2.500) und kulturellem Profil an die Spitze setzte. Der niederländische Humanist Murmellius, Konrektor der münsterischen Domschule, schrieb 1503 in diesem Sinne ein lateinisches Gedicht zum Lob der "Hauptstadt" Westfalens.
 
Zwischen 1350 und 1520 entstandene Städte und Minderstädte in Westfalen
 
 
Eine immense Bautätigkeit ist besonders für die großen Städte festzuhalten: Dazu gehörten nicht nur die Giebelhäuser in den Zentren (in Münster sind für die Zeit von 1500 bis 1533 32 Neubauten nachweisbar), sondern auch die Auffüllung der Lücken im städtischen Areal. Die Befestigungswerke der bedeutenden Städte wurden ausgebaut und repräsentierten Wehrhaftigkeit und Wirtschaftskraft. Das von 1523 bis 1525 errichtete Soester Osthofentor - eines der ehemals zehn Tore der Stadt - ist auch heute noch hierfür beredtes Beispiel.
Die Kleinstädte aber überwogen. So gab es um 1500 im Hochstift Paderborn neben dem Bischofssitz Paderborn und den drei mittleren Städten Warburg, Borgentreich und Brakel noch 19 weitere Kleinstädte mit z. T. eingeschränkten Rechten. Auch diese Städte wuchsen und hatten mit den Siedlungen vor der Krise des 14. Jhs. wenig gemein. Auf der beiliegenden Wachstumskarte des westfälischen Städteatlasses für das Wigbold Ottenstein - im Münsterland stand der Begriff Wigbold ursprünglich für die Erbleihe eines Grundstück und ging dann als Erinnerung an die herrschaftliche Gründung auf die kleinstädtische Siedlung über - wird innerstädtisches Wachstum und topografische Differenzierung des 15. und frühen 16. Jhs. deutlich.
 
 

3.2 Die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt

 
 
 
Heinrich Rüthing hat für die Weserstadt Höxter anhand der Steuerregister die Vermögensdifferenzierung sozialtopografisch dargestellt: Am Markt und Rathaus und den großen Plätzen wohnten die reichen Kaufleute und Handwerker, in den Randlagen der Stadt die Armen.
 
 
 
Ähnliche Befunde lassen sich auch für andere Städte machen, wobei die ärmeren Bevölkerungsgruppen nicht automatisch an den Rand gedrängt wurden. Viele wohnten als Mieter der Kaufleute und Gildehandwerker in Hinter- und Nebenhäusern. Das Handwerk erlebte eine horizontale Differenzierung, was an der Ausweitung der Ämter in der Stadt deutlich wird. Für Spezialisierung und Exportorientierung stehen die Leinenproduktion und einige Spezialprodukte. Besonders in Lemgo und Münster wurde Leinen en gros für den Exportmarkt hergestellt. In Bezug auf andere Exportgüter ragte zum einen die Metallproduktion im Märkischen hervor. Neben Altena und Lüdenscheid war vor allem Iserlohn eine Stadt des Metallgewerbes: Das Eisen wurde im Umland mit Hilfe wassergetriebener Hammerwerke erzeugt und in der Stadt zu Drähten und Eisenstäben sowie Fertigprodukten (Panzerhemden, Messer, Nadeln, Ösen) weiter verarbeitet. Massenprodukt war auch das "weiße Gold": In den westfälischen Salzstädten am Hellweg Werl und Westernkotten, am Salzproduktionsort Salzkotten bei Soest sowie in Westernkotten wurde die Sole aus Brunnen geschöpft und dort versotten. Diejenigen Bürger, die qua Pacht oder Lehnsbeziehungen Zugriff auf die Sole hatten und sich diesen in Form exklusiver Siederrecht für sich und ihre Kinder sichern konnten, festigten ihre Spitzenstellung in der Stadt und entwickelten sich zu einem Salzpatriziat, mit z. T. geburtsständischer Grundlage, etwa in Werl, was auch in den Statuten der Sälzer deutlich wird.

Damit ist die soziale und politische Hierarchie in der Stadt angesprochen: In den großen Städten blieb das Patriziat - hier als wissenschaftlicher Begriff verstanden - an den Schalthebeln der Macht. In der Grauzone zwischen Adel und Nichtadel vermochten es die Erbmänner in Münster nach der münsterischen Stiftsfehde wieder die Mehrheit im Rat zu besetzen, rangen aber gleichzeitig um Anerkennung ihres Adels beim landsässigen Stiftsadel. Die Soester Patrizier, die ihr Vermögen z. T. auch aus der Saline Sassendorf bezogen, können ebenfalls angeführt werden. In exklusiver Geselligkeit - in Soest trafen sich die Männer in der Sterngesellschaft, in Dortmund gab es die Junkergesellschaft - ahmte man den landsässigen Adel nach, mit einem gewichtigen Unterschied: Auch wenn die Patrizier Güter auf dem Land besaßen und Herrschaft über Land und Leute ausübten, ihr Lebensmittelpunkt blieb (zunächst) noch die Stadt. Die Erbmänner in Münster aber zogen im Verlaufe des 16. Jhs. auf ihre Wasserburgen im Umland der Stadt; nur einige übernahmen unmittelbar nach der Täuferzeit auf Geheiß des Bischofs städtische Ämter. Für Osnabrück macht der Aufstieg des Ertwin Ertmann in das Osnabrücker Patriziat deutlich, dass das Patriziat in der Generationenfolge durchaus offen war für soziale Aufsteiger. Ertmann, Sohn eines Händlers und Enkel eines Bierbrauers, studierte, übernahm das Amt des Bürgermeisters, war aber gleichzeitig im Dienst des Bischofs tätig - bekannt ist seine Chronik der Osnabrücker Bischöfe - und erhielt 1475 einen kaiserlichen Wappenbrief. Doch blieb seinen Söhnen der Aufstieg in den Stiftsadel verwehrt, da sie in der Stadt blieben; einer von ihnen war im Übrigen am Stadtkonflikt von 1525 beteiligt.
 
 
Im Alltag der Stadt machte sich der soziale Gegensatz nicht nur in Prozessions- und Aufwandsordnungen fest. Reichtum und politische Macht wurden in Gestalt der Stadthöfe der Patrizier und der Stadtsitze des Landadels (Ledenhof in Osnabrück) in Marktnähe, an zentralen Plätzen oder - wie in Dortmund - im Süden der Stadt an den alten Sitzen der Ministerialen und ersten Kaufleuten zum Ausdruck gebracht; die Kleinsthäuser der Armen mit ein bis zwei Zimmern waren in der ganzen Stadt, und nicht nur an den Rändern zu finden (Soest um 1500 annähernd die Hälfte der Wohnbebauung). In der zweiten Hälfte des 15. Jhs. nahmen aber auch die Häuser der Stadtarmen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung: In Soest sind Unterkellerungen der Gaden, und eine Raumaufteilung mit hoher Küche und einem seitlichen, zweigeschossigen Kammereinbau nachzuweisen. Für das Wohlstandsgefälle in der Stadt, aber auch für die christliche Caritas sprechen die vielfältigen Maßnahmen zur Versorgung der Alten, Armen, Kranken und Waisen. Das Hospitalwesen, die Leprosenhäuser und die Armenspeisungen wurden weiter ausgebaut und dabei setzte sich der Trend zur Kommunalisierung fort; der Rat bestimmte über Einzug und Lebensordnungen der Hospitaliten.
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Rekonstruktion des Gebäudebestandes des Soester Stadthofs Steingraben 23 im Zustand des späten 18. Jahrhundert
 
 

3.3 Ratsherrschaft

 
 
 
Für die Handwerkerschaft der Stadt ist die institutionelle und verfahrensmäßige Beteiligung ihrer Gilden - in Westfalen Ämter genannt - am ursprünglich patrizischen Stadtregiment festzuhalten (Gildenverfassung). Diese politische Mitsprache war ein Teil der vielfältigen Aufgaben der Ämter, zu denen auch die Aufsicht und Kontrolle des Gewerbes, die Sozialfürsorge, die Geselligkeit und die Memoria für die Verstorbenen traten. Handwerker waren in den Wahlgremien vertreten - ohne ihren Konsens durften auch Patrizier nicht in den Rat. Ein Quorum legte den Anteil an den Ratssitzen fest, doch kann von einem Zunftregiment nicht gesprochen werden, da Patrizier und Honoratioren nach wie vor im Rat saßen und faktisch die zentralen Positionen einnahmen. Entscheidend waren für die Mitregierung wohl eher die auf Verfassungskompromissen beruhenden Ausschüsse. In Münster fungierte die Gesamtgilde seit 1447 als Organ, das mit dem Rat gemeinsam Beschlüsse zu fassen hatte, und in Dortmund standen die Vierundzwanziger, von den Sechsgilden besetzt, neben dem Rat, in dem zwölf der achtzehn Ratssitze und die Positionen der Bürgermeister, Rittmeister und Kämmerer den Patriziern und Honoratioren vorbehalten blieben.

Stadtkonflikte um politische Teilhabe und soziale Positionen sind für die zweite Hälfte des 15. Jhs. eher selten. Erst in der Reformation sollte dies wieder anders werden. Zu nennen ist die Auseinandersetzung in der münsterischen Bürgerschaft im Rahmen der Stiftsfehde: Aufgestachelt von Graf Johann von Hoya, der sogar um Aufnahme in die Bürgerschaft nachsuchte, gelang es der Gemeinheit 1454, die Erbmänner aus dem Rat auszuschließen und der Stadt zu verweisen. Ein anderer Konfliktherd sorgte in Osnabrück für tumultuarische Unruhen: die wirtschaftlichen und juristischen Privilegien des Klerus. Der nach dem Schneidermeister Lenethun benannte Aufstand von 1488 in Osnabrück richtete sich gegen die von Geistlichen vorgenommene Einzäunung von Grundstücken in der Feldmark und die gewerbliche Produktion ihrer Dienerschaft. 1490 endeten die immer wieder mit Gewalt ausgetragenen Auseinandersetzungen mit der Hinrichtung des Lenethun auf dem Marktplatz.
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Rathaus Osnabrück mit Vorplatz
 
 
Ratsherrschaft, egal ob patrizisch dominiert oder unter starker Mitwirkung der Ämter, bedurfte der Legitimation: In der Ikonografie des Rathauses, des Ratsgestühls in der Kirche, im Zeremoniell der Ratswahl und im religiösen Handeln, etwa in den Stadtprozessionen (s. u.), wurde dieser Legitimitätsanspruch nach außen getragen. Das Ratsgestühl der Reinoldikirche in Dortmund (entstanden vor 1462) zeigte den Rat fast klerusgleich am Ort des liturgischen Geschehens; Apostelfiguren trugen die Stifterwappen und zeigten damit das kulturelle Kapital der führenden Geschlechter der Stadt an. Auch Ratskapellen boten die Möglichkeit, die Wichtigkeit des Amtes zu überhöhen, so in St. Lamberti, Münster. Die Rathäuser demonstrierten in Architektur und Bildprogramm die Zuständigkeit des Rates für die Belange der Stadt. In Münster stand König Salomon im Dreieckgiebel für die irdische Herrschaft des Rates. In Dortmund verwies das Rathaus auf die Reichsunmittelbarkeit, denn eine Figur Karls des Großen schmückte den Marktgiebel. Im Inneren befanden sich, so Westhoffs Chronik für 1548, Bilder von Kaiser Karl IV., der Kaiserin Elisabeth und der sieben Kurfürsten. Die Multifunktionalität des Rathauses wird insbesondere in den kleineren Städten deutlich: In Werne war das von 1510 bis 1512 erbaute Rathaus Kaufhalle, Sitzungssaal, Kanzlei, Gerichts- und Gefängnisort, wobei mit den Einzug des römischen Rechts die Gerichtssitzung von den Laubengängen nach innen verlegt wurden. Der große Saal in den Rathäusern wurde für exklusive Geselligkeit genutzt. Hinzu kamen die Verwaltung und das Archiv, letzteres war in Dortmund in einem Anbau des Ratshauses untergebracht.
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Dortmund, St. Reinoldi: Adlerpult und Chorgestühl in der Kirche St. Reinoldi, 1999


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Alter Rats- und Gerichtssaal, sog. Friedenssaal, im Rathaus Münster


Materialien für den Schulunterricht: Anke Killing über  Historische Rathäuser in Westfalen
 
 
 

4. Ländliche Gesellschaft

 
 
 
Die ländliche Siedlung war in Westfalen zweigeteilt: Im südlichen Westfalen finden wir Haufendörfer/Weiler mit den umliegenden Gemarkungen, im Nordwesten - oberhalb der Lippe - die Bauerschaften (Drubbel), Einzelhöfe und die Kirchdörfer. Letztere wuchsen allmählich an. Um die Kirche errichteten die Bauern Spieker, als Aufwärmstuben, als Getreidelager; eine Gaststätte - ein Gildehaus - kam hinzu. Um 1500 ist eine Aufsiedlung festzuhalten; der Kirchhof wurde zum Wohnort der Dorfarmut.

In den Bauerschaften und rund um die Haufen- und Straßendörfer begann in Umkehrung der Wüstungen der Vorperiode eine langsame Rekultivierung und Vermehrung der Stellen. Hinzuweisen ist hier insbesondere auf das südliche Weserbergland, wo Waldflächen gerodet und Dörfer neu gegründet wurden. Im Paderborner Land waren es die Klöster (besonders Böddeken und Dalheim) und der lokale Adel, welche die Wüstungen in ihre Gutswirtschaft integrierten. Von 41 mittelalterlichen Siedlungen auf dem Wüstungsfläche des Sintfeldes waren um 1550 wieder elf vorhanden, die in Verbindung mit dem Bevölkerungswachstum zu neuen Haufendörfern anwuchsen. Auch im Sauerland kam es im zweiten Viertel des 16. Jhs. zu neuen Dorfgründungen (Altastenberg, Obersorpe, Altenfeld), während im mittleren und südlichen Westfalen die Wiederbesiedlung und Siedlungsausbau durch die Nachsiedlerschicht der Klein- und Mittelkötter geprägt wurden. Sie sind in der Hellwegregion am Rande der Kirchdörfer und im Münsterland und in der Grafschaft Ravensberg in den Marken, den Ressourcen an Weide und Wald, nachzuweisen. So waren im Jahre 1537 bereits 20 % aller Stätten in der Grafschaft Ravensberg Markkotten. Im Ostteil Lippes unterstützten die Markkotten den für den Süden Westfalens so typischen Prozess der Verdorfung, im Westteil waren sie "schwammartig" (M. Balzer) am Rande der Gemeinheiten verstreut. Das Wachstum der Stätten in Lippe (von 1500 im Jahre 1507 auf 3000 im Jahre 1590) wird durch diesen Prozess erklärbar.
 
Verbreitung der ländlichen Siedlungstypen seit dem Spätmittelalter (nach Wilhelm Müller-Wille, 1977)


Website des LWL-Landesmuseums für Klosterkultur / Kloster Dalheim
 
 
Die Herrschaft über Land und Leute hatte, sieht man von einigen Patriziern ab, nach wie vor geistliche Institutionen, der Landesherr und der landsässige Adel inne. Die Abhängigkeitsverhältnisse waren dinglich und persönlich. Letzteres war insbesondere im Institut der Eigenbehörigkeit im Münsterland und im Ravensberger Land etabliert. Zu den Abgaben, die aus der erblichen Nutzung der Stelle rührten (Hand- und Spanndienste, Weinkauf bei Neubesetzung der Stelle und Heirat), kamen der Sterbfall, die Gesindezwangsdienste der Kinder und der Freikauf. Im Süden gab es demgegenüber rechtlich freie Bauern auf Pachtgrundstücken, während im östlichen Westfalen, vor allem in Lippe und Paderborn mit dem Meierrecht eine Art von Zeitpacht mit Tendenz zum erblichen Besitzrecht existierte.

Die strukturelle Auseinandersetzung zwischen Grundherren und Bauern kreiste um Zeitdauer und Abgabenhöhe. Während um 1450 Land reichlich vorhanden war, führte die relative Knappheit zu Beginn des 16. Jhs. dazu, dass die Grundherren im Süden langfristige Pachtverträge mit höheren Abgaben durchsetzen konnten.

Ausgebaut wurde von den Klöstern im südlichen Westfalen die Gutswirtschaft, um an der Agrarkonjunktur Anteil zu haben. Hierfür ist das Kloster Böddeken ein gutes Beispiel. Das Kloster (1522: 39 Chorherren und 156 Laienbrüder) war bis ca. 1450/1470 damit beschäftigt, die wüst gefallenen Fluren zu rekultivieren, um sie für die Eigenwirtschaft nutzbar zu machen. Dann konnten Getreide, Fleisch und Wolle auf den überregionalen Märkten verkauft werden.1470 besaß das Kloster 130 Pferde, 300 Stück Rindvieh und 2.000 Schafe. Der Bedarf an lohnabhängigen Knechten und Mägden war groß. Es wurden z. B. 1521 53 Frauen als Schafschererinnen bezahlt. Zahlreiche Handwerker waren tätig. So zeigte sich für die Klöster ein Ausweg aus dem Überangebot an Land. Auch am Markengrund inkl. der Waldnutzung wird die Abhängigkeit des Bauern von den Grundherren deutlich. So wurden um 1500 alljährlich in den landesherrlichen und nichtlandesherrlichen Marken des Arnsberger Waldes im Herbst 10.000 Schweine für die Eichel- und Bucheckernmast eingetrieben. Genossenschaftliche Organisation und Einigung mit dem Markenherren waren überlebenswichtig.

Doch kann grund- und leibherrliche Abhängigkeit nicht mit Armut gleichgesetzt werden. Insbesondere im Norden und Nordwesten (Münsterland, Osnabrücker Land und Ravensberg) entstand mit den Meiern und Schulten ein "Bauernadel", der es in Bezug auf Wohlstand und Hofausstattung (Gräftenhof) mit dem Niederadel, der um Anerkennung beim Stiftsadel rang, aufnehmen konnten. Ja Werner Rolevinck klagt, einige Adlige würden zum Raubrittertum gezwungen, während der reiche Bauer seine Töchter mit Junkern verheiraten würden und prachtvolle Höfe besäßen. Und er lässt Adlige klagen: "Unsere Unfreien steigen auf und wir sinken mit unseren Wappenschildern herab". Die Schatzungsregister zeigen auf, dass diese personenstarken Höfe z. T. in Erinnerung an die Zeiten der Villikation noch Abgaben erhielten und Sonderrechte an den Marken für sich beanspruchten. Auch beim Holzgericht, als Burrichter und als Provisoren sind diese Bauern nachzuweisen.
 
 
 

5. Frömmigkeit um 1500

 
 
 
Für Westfalen sind keine spezifischen Kultformen hervorzuheben. So gab es zwar Stadtpatrone (Reinold in Dortmund, Patroklus in Soest und - mit Einschränkungen - Pusinna in Herford), aber keine Landespatrone, sieht man von dem nicht überall zum katholischen Heiligenhimmel gehörenden Karl (verehrt in Osnabrück) ab. Als spezifischer Bistumsheiliger kann der Hl. Liborius für Paderborn genannt werden. Die Stadtprozession mit seinen Gebeinen und das anschließende Liborimahl ist 1449 erstmals belegt und lässt sich auch am Ende des Betrachtungszeitraumes (1547) nachweisen. Hinzu trat in Paderborn die Erinnerung an das heilige Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde. Demgegenüber konnte der Hl. Liudger im Bistum Münster kaum an Ausstrahlung gewinnen. Zwar nicht spezifisch westfälisch, aber für ganz Westfalen erwähnenswert ist die Marienverehrung, die insbesondere im Vesperbild ihren bewegenden Ausdruck fand, stand doch die Trauer der Mutter für ihren am Kreuz verstorbenen Sohn für das Leiden in der Welt. Die compassio Mariae wurde auch im Rosenkranz zum Ausdruck gebracht, zu welcher die marianischen Betrachtungen in den Katechismen des Franziskaners Dietrich Kolde (geb. 1435 in Münster) gehörten.
 
Patrokli-Münster in Soest

 
Grabstätte des hl. Liudger in der Krypta der Benediktinerabtei Werden a. d. Ruhr
 
 
Tatsächlich als Spezifikum Westfalens anzusprechen ist die Prägung der Bildungseliten durch die Devotia moderna. Diese humanistisch orientierte Frömmigkeit, die in den Niederlanden mit Gerhard Groote am Ende des 14. Jh. begann, stand als neuartige vita communis der Fraterherren zwischen Kirche und Welt (Münster, Zum Springborn, gegründet 1400, und Herford) am Ende des 15. Jhs. in voller Blüte, und sie strahlte mit der Windesheimer Kongregation auch auf das monastische Leben aus. Frenswegen, Böddeken und Dalheim wurden kurz vor 1450 im Sinne Windesheims neu bzw. wieder aufgebaut, 1468 folgte mit Blomberg die Gründung eines weiteren Konvents.

In älteren Studien ist darüber nachgedacht worden, ob für die Retabelwerke des 15. Jhs. westfälische Eigenheiten nachzuweisen sind. Paul Pieper machte in Band IV, 3 des Raumwerks das Westfälische gröbere Ausdrucksformen und eine "fortschrittlichen Konservativismus" fest, der sich auch und gerade in der Darstellung eines "zurückhaltenden, gedämpften Menschentums" zeige. So wird heutzutage nicht mehr argumentiert, doch die Erkenntnis Piepers bleibt, dass Köln der entscheidende Impulsgeber war. Die Kalvarienberge wurden volkreicher dargestellt, wobei der Gute Hauptmann mit seinem Christusbekenntnis noch mehr ins Zentrum rückte. Die Abbildungen Mariens gewinnen in der Tradition des "Weichen Stils" des großen westfälischen Malers Konrad von Soest an Ausdruck und Nähe. Berühmte Retabelwerke sind der Marienfelder Altar von 1456 des Münsteraner Johann von Koebecke, die Arbeiten des Meisters von Schöppingen (auch Billerbecker Altar), von Liesborn (auch Amelsbüren und Herzebrock) und um 1500 die Werke Gerts van Lon aus Geseke, von dem zahlreiche Tafeln im Landesmuseum Münster überliefert sind. Erwähnenswert ist auch, dass Heilsgeschichte und (städtische) Gegenwart miteinander in Verbindung traten. So findet sich das Abbild der Stadt Dortmund auf dem Sippenaltar von Derick Baegert (um 1480 in der ehemaligen Klosterkirche der Dominikaner, heute Propsteikirche), und Koerbecke lässt Pilatus gegenüber Christus auf einen Münster nachempfundenen Marktplatz seine Hände in Unschuld waschen. Koerbeckes Amelsbürener Altar zeigt den charakteristischen Turm der Ludgerikirche.

In der Volksfrömmigkeit spielten Wallfahrten und Bruderschaften eine große Rolle: Die Wallfahrer entdeckten als Pilger - die Wallfahrtsprozession gehört erst der Epoche der Konfessionalisierung an - noch mehr als zuvor die Region: Als Marienwallfahrten können Altlünen, ab ca. 1540 Telgte, als Kreuzwallfahrten Coesfeld, Stromberg, und einschränkend Bocholt und Freckenhorst hervorgehoben werden. Im lippischen Blomberg lösten 1460 Hostienfrevel und Brunnenwunder eine ungeheure Kultdynamik aus; Windesheimer Chorherren übernahmen in einem vom Landesherrn gegründeten Stift die Seelsorge. Für den eucharistischen Kult in Rulle (Zisterzienserkloster im Hochstift Osnabrück) liegt für die Zeit von 1512 bis 1521 eine Mirakelsammlung vor. Bei seiner Legationsreise 1451/1452 kritisierte Nikolaus von Kues auch in Westfalen explizit die Hostienkulte und verlangte die Beseitigung der vermeintlich blutenden Hostien. Doch im Alltag war es nicht so sehr die Hostienwallfahrt, sondern die Verehrung des in Brotgestalt gegenwärtigen Christus, die sich in aufwendigen Sakramentshäusern in den Kirchen und in den seit 1450 einsetzenden Fronleichnamsprozessionen ihren Ausdruck verschaffte. Auch die überkommenen Heiligentrachten mit Reliquien oder Bildern wurden nun mit dem Sanctissimum durchgeführt.

Die Sakralgemeinschaft Stadt wird in der Beschreibung der Mindener Fronleichnamsprozession am Vorabend der Reformation durch den Chronisten Heinrich Piel ersichtlich. Die ganze Stadt zeigte sich am Freitag nach Fronleichnam im festlichen Gewand, denn die Bürger hatten die Straßen geschmückt und sich "aufs beste" gekleidet. So gingen die "vornehmen" Bürger im Harnisch und ihre Frauen hatten sich mit silbernen Spangen geschmückt. Klerus und Einwohner, nach sozialem Rang und Geschlecht gegliedert, folgten dem Sakrament, wobei vier Ratsherrn den Baldachin trugen. Vor jeder Pfarrkirche wurde eine statio gehalten, am Schluss erfolgte der sakramentale Segen durch den Weihbischof. Den festlichen Abschluss bildete die Bewirtung. So zogen die "furnemen" zusammen mit denen von Adel in den städtischen Weinkeller und beschlossen den Tag "in aller frolichkeit. Die amptere und bruderschaft, die zerten auch jeder an seinem orte und waren in gutem friede frolich."
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Billerbecker Altar


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Allegorie der Erlösung von Gert van Lon, um 1475


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Kloster Marienfeld vor der 1829 erfolgten weitgehenden Zerstörung (o) und in ihrem heutigen Zustand (u)


 
Gotischer Schrein der Herzogin Ida in der Wallfahrtskirche St. Ida, Herzfeld, um 1930
 
 
 

6. Die Reformation

 
 
 
Die Sakralgemeinschaft von Dorf und Stadt zerbrach in der Reformation, die in Westfalen zunächst ein städtisches Ereignis war. In den vier Kathedralstädten sowie in Dortmund, Herford, Lippstadt und Soest begannen die Auseinandersetzung in der Mitte der 1520er Jahre, die kleineren Territorialherren Bentheim, Lippe, Rietberg und Tecklenburg folgten nach. Darüber hinaus beeinflussten die Herzöge von Kleve-Berg mit ihrer humanistischen Suche nach einem mittleren Weg das Geschehen sowohl in ihren westfälischen Territorien als auch in den Städten.
Vera Isaiasz: Quellenedition zum Thema  "Westfalen im konfessionellen Zeitalter"
 
 
In der ersten Phase, beginnend 1523 in Dortmund, dann 1525 in Münster und Osnabrück und 1528 Paderborn, thematisierten Handwerker und "Volk" in ihren Gravamina gegenüber dem Rat Missstände der alten Kirche. Schaut man sich die Forderungskataloge an, waren es die Forderungen des 15. Jhs., also die Reduktion der kirchlichen Privilegien, die im Zentrum standen: Besteuerung der "toten Hand", Einschränkung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Gesindes der Kleriker sowie der Beginen, Zurückdrängung der sog. Pfaffenweiber aus dem öffentlichen Leben. Hingegen spielten die Kommunion unter beiderlei Gestalt, die Verwerfung des Opfercharakters der Messe, Schriftprinzip oder die Rechtfertigung durch den Glauben noch keine Rolle. Ziel der Stadträte war es, einen neuen Konsens herzustellen, was auch gelang. In der folgenden Phase übernahmen Prädikanten das Heft des Handelns. Der erste große westfälische Prediger im Sinne Luthers war der Lippstädter Augustinereremit Johannes Westermann, dessen Katechismus - eigentlich eine Auslegung der Zehn Gebote - die erste reformatorische Druckschrift Westfalens war. Während Westermann, aber auch die Fraterherren in Münster und Herford die Reform der alten Kirche anstrebten, war die Folgegeneration der Prädikanten (Rothmann in Münster; Buthmann in Osnabrück; Oemeken in Soest, Lemgo, Lippstadt, Minden; Krage in Minden; Kampen und Borchwede in Soest; Dreier in Herford, Minden) auf deren Untergang aus. Dabei ist für Westfalen typisch, dass es immer wieder Austauschbeziehungen mit dem Hanseraum gab (Kontakte zu Bugenhagen, Prediger wurden von dort angeworben: Bonnus aus Lübeck, Dreier aus Braunschweig) und dass die charismatischen Prediger von einer Stadt zur anderen wechselten.
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Kaiser Karl V.


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Martin Luther, 1540
 
 
Die Durchsetzung des lutherischen Bekenntnisses - von 1528 (Minden) bis 1533 (Lemgo, Münster) - entspricht der aus der Reformationsforschung bekannten Dramaturgie. Zentral war die gegen den Rat gerichtete "Provokation durch Aktion" (Alois Schröer für Oemeken in Lippstadt) seitens der Prädikanten: Predigt, Proteste von Innungen und "Volk" gegen die alte Kirche, Ausschussbildung, Spottgedichte, Thesenanschlag mit Aufforderung an den katholischen Klerus zur Disputation (Rudolphi in Lemgo 1528, Krage in Minen 1530, Borchwede in Soest 1531, Buthmann in Osnabrück 1532) und Aufruhr gegen den Rat (besonders aufschlussreich der Soester Thomasauflauf, 21.12.1531, der von einer Schwureinung begleitet wurde). Im Bundbrief formulierte Borchwede, es sei von Ämtern und Gemeinheit "besluit unde erensthafftige begerte", dass neue Prediger eingesetzt und die alten abgesetzt würden. Der Rat müsse dieser Forderung nachkommen, um die von den Katholiken (und vom Teufel) ausgehende Zwietracht zu beseitigen. Aber: er müsse auch bei seiner Zusage betonen, dass er dies nicht "uit druwen" (aufgrund einer Drohung) bewilligt habe!
 
 
 
Die Stadträte, z. T. selbst mit Lutheranern durchsetzt - in Münster errang die lutherische Partei am 03.03.1533 einen überwältigenden Sieg -, akzeptierten die Forderungen. Die alte Kirche brach hier relativ schnell zusammen. Auch der Einsatz des Dominikaners Jost von Romberg in Lippstadt und Soest änderte nichts daran. Für Münster ist in diesem Zusammenhang zu vermerken, dass Bischof Franz von Waldeck die Reformation in den Pfarrkirchen im sog. Dülmener Vertrag (Februar 1533) akzeptierte, was aber die Radikalisierung in Münster nicht aufhalten konnte. In Paderborn scheiterte die Reformation, da Bischof Erich die frühreformatorischen Tumulte 1528 durch einen Vergleich beendete, der den Rat in der Folgezeit band. Als dann im Herbst 1532 in der Zeit der Sedisvakanz die Paderborner Lutheraner die Reformation einforderten, spielte der Rat auf Zeit. Der neue Landesherr, der Kölner Erzbischof Hermann von der Wied, erlebte bei seinem Einzug in die Stadt die Verweigerung der Huldigung, was er als Ungehorsam gegenüber Kaiser, Landesherr und Rat wertete. Flehentlich baten die 16 vom Bischof zum Tode verurteilten Paderborner und ihre Frauen um die fürstliche Gnade, die auch gewährt wurde, doch Paderborn blieb katholisch. Ein neuer Rezess bestätigte die Zustände vor 1528 und drohte dem Rat neues Ungemach an, sollte er nochmals Unruhen in der Stadt dulden.
 
 
 
Der organisatorische Abschluss der städtischen Reformation ist an den Kirchenordnungen festzumachen, welche die vom Rat mit der Abfassung beauftragten Prädikanten nach auswärtigen Vorbildern (Braunschweig und Nürnberg) anfertigten und in denen sich Regelungen für den Gottesdienst, die Kirchenorganisation inkl. Einführung des Superintendenten sowie des Schul- und Armenwesens finden: Minden 1530 (hier als Faktor der Beschleunigung der Reformation), Lippstadt 1531, Soest, Herford 1532, Lemgo 1533 und Osnabrück 1543. In Münster kam es nicht mehr zur Einführung einer Ordnung. Ein Entwurf Rothmanns vom April 1533 wurde zwar noch von hessischen Theologen geprüft, aber wegen des darin geäußerten Abendmahlverständnisses abgelehnt. Ein weiterer Entwurf vom November 1533 seitens hessischer Theologen fand in der Stadt, die nun täuferisch gesonnen war, keine Berücksichtigung. Lediglich die "Tuchtordeninge" vom Sommer 1533, in der sich spätmittelalterliche Regelungen von Aufwand und öffentlicher Ordnung mit Vorgaben der auf Kirchenzucht abzielenden Straßburger Zuchtordnung von 1528 vermischten, wies Elemente einer Normierung des religiösen Lebens auf, nicht zuletzt, um die von den "Secten" in der Stadt ausgehenden Unruhen zu ersticken.

Die Fürsten- und Grafenreformation setzte 1533 mit der kleinen Grafschaft Rietberg - Lehen Hessens - ein. In Lippe bestätigten die Stände auf dem Landtag von Cappel 1538 die lutherische Kirchenordnung, die auf Initiative der Vormünder des Grafen Bernhard VIII., Jobst von Schaumburg, Adolf von Schaumburg und Philipp von Hessen, erstellt worden war. Sie legte die Aufteilung des Territoriums in drei Superintendanturen fest und markierte auch auf diese Weise den Beginn des landesherrlichen Kirchenregiments. In diesem Zusammenhang ist auch die Visitation der lippischen Pfarren (mit Ausnahme Lemgos) durch den hessischen Theologen Corvinus festzuhalten - es war die erste landesherrliche Visitation im lutherischen Sinne in Westfalen (zur Kleve-Jülich-Berger Visitation 1533 s. u.). Ein wichtiges Stichjahr für die Fürsten- und Grafenreformation ist das Jahr 1543. In diesem Jahr begann Erzbischof Hermann von Wied einen Reformationsversuch in seinen Gebieten. Ihm folgte Franz von Waldeck für Osnabrück, der allerdings 1548 die Reformation aufgrund einer Intervention der Stände zurücknehmen musste. Für Minden akzeptierte Franz die schon bestehende lutherische Grundorientierung des Stifts. In Münster hingegen wurde der Katholizismus nach der Niederschlagung der Täufer 1535 wieder eingeführt. In Tecklenburg setzte der tolle Cord 1543 ebenso wie Graf Arnold 1544 in Bentheim die Reformation durch. In der Kirchenordnung von 1543 wird der Anspruch Cords deutlich, ein landesherrliches Kirchenregiment aufzubauen. Cord verkündete die Ordnung
"alß eine van Gade verordente Overheit, der de erholdinge der waren Religion und des rechten Gadesdensts van Gade vornemlich opgelecht und bevollen, in unseren Graveschop, herschafften, Steden, Kloistern und Parkerken wie navolgt, uit Gades gnaden verordnet hebben".

Hingegen hatte die humanistische Reform in Westfalen einen schweren Stand - der dritte Weg führte nicht zu einer Lösung des Konfessionskonflikts. Zwar wirkten am Hofe Herzog Johanns von Jülich-Kleve-Berg die Ideen des Humanisten Erasmus von Rotterdam (um 1469-1536). Die herzogliche Kirchenordnung von 1532 (Präzisierung in der Declaratio 1533) zielte denn auch auf eine innerkirchliche Reform bei Anerkennung einiger lutherischer Kritikpunkte. In Form einer Visitation, die 1533 auch die Grafschaft Ravensberg erreichte, wollten die landesherrlichen Beamten die erasmianische Reform der Frömmigkeit durchsetzen. In den kleineren Städten und auf dem platten Land in der Mark und in Ravensberg entschieden sich allerdings um 1550 Pfarrer und Stadt- bzw. Kirchräte in der Regel für das Luthertum. Auffallend für die westfälischen Gegebenheiten ist das unterschiedliche Schicksal der humanistischen Reform. In Herford konnte die Gemeinschaft der Fraterherren, die von Luther unterstützt wurde, trotz der Anfeindungen der evangelischen Geistlichkeit, weiterleben (Vergleich von 1542), wandte sich aber ab 1560 dem Luthertum zu; in Münster blieben die Fraterherrn katholisch. In der Reichsstadt Dortmund existierte ein von einigen "Missbräuchen" gereinigter Katholizismus bis in die 1540/1550er Jahre - so gab es weiterhin Prozessionen und Seelgerätstiftungen. Auch das 1543 gegründete Gymnasium, die Gemeine Schule, war ein Hort des Humanismus. Der Katechismus des Lehrers und Seelsorgers Jacob Schöpper, Sohn eines Dortmunder Priesters (!) und Ratssekretärs, ist ein Musterbeispiel für den Versuch einer eigenständigen humanistischen Stadtreformation. Erst 1564 erfolgte mit dem Abendmahl unter beiderlei Gestalt die Hinwendung zum Luthertum.
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Jan van Leiden, 1536


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Bernd Knipperdolinck, 1536


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Antonius Corvinus


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Hinrichtung der Täufer Jan van Leiden, Bernd Krechting und Bernd Knipperdolling auf dem Prinzipalmarkt zu Münster am 22.01.1536. Idealisierte Illustration aus der  Widmannschen Übersetzung der "Geschichte der Wiedertäufer" von Hermann Kerssenbrock, 1771


 Kirchenordnung der Herrschaft Waldeck, 1556


 Kirchenordnung der Grafschaft Lippe, 1571
 
 
Für das Ende des Betrachtungszeitraumes ist, wenn wir das Interim von 1548 beiseite lassen, die konfessionelle Spaltung Westfalens festgeschrieben: Die Fürstbistümer blieben katholisch, obwohl Minden de facto dem Luthertum zugehörig war. Die westfälischen Grafschaften waren ebenso auf das Augsburger Bekenntnis festgelegt; daran vermochte auch die Niederlage des Schmalkaldischen Bundes, dem u. a. auch Rietberg und Tecklenburg angehörten, und das Interim nichts mehr ändern. In Mark und Ravensberg erscheint die Situation uneinheitlich. In den großen Städten hingegen hatte das Luthertum gesiegt, obwohl es auch katholische Inseln in der Stadt gab (etwa das Patroklistift in Soest oder das Domstift in Minden). In den katholischen Städten Münster und Paderborn existierte das Luthertum als geduldete Strömung im Untergrund. Im nachfolgenden Zeitalter der Konfessionalisierung sollte die Frage nach dem Bekenntnis neu und anders gestellt werden.
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Erasmus von Rotterdam


 Augsburger Reichsabschied
 
 
 

7. Literatur

7.1 Allgemeine Geschichte

Ehrenpreis, Stefan / Lotz-Heumann, Ute
Reformation und konfessionelles Zeitalter. Darmstadt 2002.

Isenmann, Eberhard
Die deutsche Stadt im Spätmittelalter: 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Stuttgart 1988.

Johanek, Peter (Hg.)
Vorträge und Forschungen zur Residenzenfrage, Sigmaringen 1990.

Kaufmann, Thomas
Geschichte der Reformation. Frankfurt a. M. [u. a.] 2009.

Rexroth, Frank
Deutsche Geschichte im Mittelalter. 2. Aufl. München 2007 (hier Teil IV: Das Reich im späten Mittelalter).

Schubert, Ernst
Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter. München 1996.

Troßbach, Werner/Zimmermann, Clemens
Die Geschichte des Dorfes. Von den Anfängen im Frankenreich zur bundesdeutschen Gegenwart. Stuttgart 2006.
 
 
 

7.2 Westfälische Geschichte


Quellen:

Bücker, Hermann (Hg.)
Werner Rolevinck 1425-1502. Ein Buch zum Lobe Westfalens des alten Sachsenlandes. Münster 1953.
Text und Übersetzung des 1474 erschienen Werkes zeigen das “Westfalenbewusstsein” der gebildeten Eliten: Die westfälische Geschichte ist Teil der Heilsgeschichte, und Rolevinck konturiert westfälische Eigenschaften (=Stereotypen). Darüber hinaus ist Rolevincks Werk auch zur Frömmigkeit der Zeit und zur regionalen Zuordnung, was unter Westfalen verstanden wurde, mit Gewinn zu lesen.

Rüthing, Heinrich (Hg.)
Die Chronik Bruder Göbels. Aufzeichnungen eines Laienbruders aus dem Kloster Böddeken 1502 bis 1543. Bielefeld 2005.
Die Chronik gibt viele Informationen zur Eigenwirtschaft des Klosters, zum Leben und Arbeiten der Bauern sowie zur Frömmigkeitsgeschichte. Zur Reformationsgeschichte Paderborns findet sich ein Augenzeugenbericht Göbels.

Schwartz, Hubertus
Geschichte der Reformation in Soest. Soest 1932.
Schwartz hat viele aussagekräftige Quellen zur Reformationsgeschichte der Stadt ediert, darunter Schmähgedichte und den Bundbrief Borchwedes, ferner Berichte des Rates über den Thomas-Auflauf sowie die Kirchen- und Armenordnungen.



Literatur:

Balzer, Manfred
Grundzüge der Siedlungsgeschichte (800-1800). In: Wilhelm Kohl (Hg.), Westfälische Geschichte, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches, Düsseldorf 1983, S. 231-274.
Stadt- und Agrargeschichte wird hier im Spiegel der Siedlungsgeschichte aufbereitet. Für unsere Epoche sind insbesondere die Aspekte der Dorfgeschichte und die Markennutzung und -siedlung von Belang.

Becker, Walter
Schloss Neuhaus. Das ehemalige Wohngebäude der Paderborner Bischlfe. Paderborn 1970.
Becker macht exemplarisch den Wandel von der Burg zum Schloss deutlich. Das Schloss war aber um 1550 noch nicht die einheitliche repräsentative Anlage, wie sie uns heute erscheint. Hierfür war Dietrich von Fürstenberg verantwortlich.

Biermann, Friedhelm
Der Weserraum im hohen und späten Mittelalter. Adelsherrschaften zwischen welfischer Hausmacht und geistlichen Territorien. Bielefeld 2007.
Die umfangreiche Studie beschreibt in unserem Zusammenhang die Auswirkungen, die das Wiedererstarken der Welfen für die geistlichen und weltlichen Herrschaften im Weserraum mit sich brachte. Exemplarisch können Territorialisierungsprozesse nachvollzogen werden.


Büttner, Nils/ Schilp, Thomas/Welzel/Barbara (Hg.)
Städtische Repräsentation. St. Reinoldi und das Rathaus als Schauplätze des Dortmunder Mittelalters. Bielefeld 2005.
Die Autoren beschreiben anschaulich die Visualisierung städtischer Herrschaft in Gestalt des Ratsgestühls und des Bildprogramms der Reinoldikirche. Auch das Rathaus findet in diesem Zusammenhang Berücksichtigung.

Günther, Ralf
Der Arnsberger Wald im Mittelalter. Forstgeschichte als Verfassungsgeschichte. Münster 1994.
Die Studie verdeutlich die enorme Bedeutung, welche die Nutzung des Arnsberger Waldes für die Kölner Erzbischöfe aufwies. Ausführlich werden der Aufbau von Verwaltung, aber auch die Bedeutung der Ressource Wald für die ländliche Gesellschaft aufgezeigt.

Johanek, Peter
Landesbewußtsein in Westfalen im Mittelalter. In: Werner, Matthias (Hg.), Spätmittelalterliches Landesbewußtsein in Deutschland, Ostfildern 2005, S. 265-292.
Einschlägiger Aufsatz zur Konturierung des “Traditionszusammenhanges Westfalen”, welcher die Territorien überwölbte. Ferner behandelt Johanek weitere Faktoren westfälischer Identität im Spätmittelalter: Landfriedensbünde und die Veme.


Klocke, Friedrich von
Das Patriziatsproblem und die Werler Erbsälzer. Münster 1965.
Was unter geburtständisch und patrizisch zu fassen ist, wird vom Nestor der westfälischen Genealogie vorgeführt: Die Stammbäume und die Statuten verdeutlichen die Strategien der Erbsälzer, nur wenigen bevorrechtigten Familien den Zugriff auf das “Weiße Gold” zu ermöglichen. Spannend ist auch die Schilderung der Konflikte um Rang, Ehre und Ratssitz mit den Handwerkern der Stadt.

Kloosterhuis, Elisabeth M.
Erasmusjünger als politische Reformer. Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Köln u.a. 2006.
Die münsterische Dissertationsschrift beschreibt in vergleichender Perspektive die Verwaltungsreformen in Kleve-Jülich-Berg im 16. Jahrhundert und deren Trägergruppen. In diesem Zusammenhang wird auch der Kirchenpolitik der Herzöge betrachtet.

Mersiowsky, Mark
Niederadel, Großbauern und Patriziat. Soziale Dynamik im spätmittelalterlichen Westfalen. In: Kurt Andermann und Peter Johanek (Hg.), Zwischen Adel und Nicht-Adel. Ostfildern 2001, S. 239-284.
Präzise Beschreibung der Auf- und Abstiegsprozesse auf dem “platten Land” und der Stadt, die das statische Bild ständischer Gesellschaft korrigieren. Insbesondere die schwammigen Grenzziehungen zwischen Niederadel und “Bauernadel” werden deutlich gemacht.

Michels, Hubertus
Zur Entwicklung des Hausbaus und des Wohnwesens in Soest von 1150 bis 1530. In: Heinz- Dieter Heimann (Hg.), Geschichte der Stadt Soest, Bd. 2: Die Welt der Bürger. Politik, Gesellschaft und Kultur im spätmittelalterlichen Soest, Soest 1996, S. 373-435.
Höchst anschaulich wird entlang der Zeitachse die Bau- und Raumstrukturen städtischer Wohnhäuser vorgestellt. Patrizisches Wohnen (große Parzelle mit Vor- und Hinterhaus, das Aufkommen des Saals, frühe Nutzung von Stein) kann ebenso wie die Bauten und die Raumstruktur der Häuser der Handwerker und der Stadtarmut (Gaden) verdeutlicht werden.

Peters, Robert
Westfälische Sprachgeschichte von 1500 bis 1625. In: Macha, Jürgen u.a. (Hg.), Rheinisch-Westfälische Sprachgeschichte, Köln u.a. 2000, S. 165-179.
Thematisiert die westfälischen Variablen des Niederdeutschen und den Schreibsprachenwechsel um 1550.

Poeck, Dietrich W.
Osnabrück im späten Mittelalter. In: Gerd Steinwascher (Hg.), Geschichte der Stadt Osnabrück, Belm 2006, S. 87-160.
Einerseits eine “klassische” Stadtgeschichte, die auf Verfassungs- und Sozialgeschichte abhebt, die aber andererseits auch dem städtischen Alltag und dem Zusammenhang von liturgischem Gedenken (Memoria) und Stadtgesellschaft nachgeht. Ein sehr gutes Beispiel für neue Tendenzen der Stadtgeschichtsforschung am westfälischen Beispiel.

Rüthing, Heinrich
Höxter um 1500. Analyse einer Stadtgesellschaft. Paderborn 1986.
Diese Studie ist (über Westfalen hinaus) beispielgebend für die reichen Erträge einer methodisch aufwändigen und ausgereiften Sozialgeschichte der Stadt. In Tabellen, Grafiken und Karten wird mustergültig die soziale Differenzierung der westfälischen Mittelstadt deutlich gemacht.

Pieper, Paul
Das Westfälische in Malerei und Plastik (= Der Raum Westfalen IV, 3). Münster 1964.

Pieper, Paul
Die deutschen, niederländischen und italienischen Tafelbilder bis um 1530. Münster 1986.
Nach wie vor handelt es sich um die besten Bestandsaufnahmen der westfälischen Tafelmalerei, auch wenn viele Einzelergebnisse (Zuschreibungen, Kontext)) inzwischen revidiert bzw. modifiziert worden sind.


Scholz, Klaus
Das Spätmittelalter. In: Kohl, Westfälische Geschichte, Bd.1, S. 403-468.
Wer etwas zu politischen Konflikten des 15. Jahrhunderts und zum Aufbau der Territorien erfahren möchte, kann sich hier kompetent einlesen und die angegebene Literatur nutzen.

Schoppmeyer, Heinrich
Die Ausformung der Landstände im Fürstbistum Minden. In: Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins 65 (1993), S. 7-47.
Ein beispielhafter Überblick zur starken Rolle der Stände bei der Sicherung und dem Ausbau der Territorialherrschaft der Mindener Bischöfe. Die Argumentation beschreibt im Sinne Otto Brunners das Miteinander von Fürst und Ständen.

Schröer, Alois
Die Kirche in Westfalen vor der Reformation. Verfassung und geistliche Kultur, Mißstände und Reformen. 2 Bde. 2. Aufl. Münster 1967.
Ein nach wie vor großartiger Überblick zu Kirche und Frömmigkeit vor 1500 für Westfalen. Neben der präzisen Schilderung von Kirchenverfassung und Ordenslandschaft finden sich viele Zeugnisse vergangener Frömmigkeit (Passionsfrömmigkeit, Marien- und Heiligenverehrung) sowie eine umfassende Darstellung zur Devotio moderna.

Schröer, Alois
Die Reformation in Westfalen. Der Glaubenskampf einer Landschaft. 2 Bde. Münster 1979/1983.
Nicht im Sinne einer Strukturgeschichte, sondern als Nacherzählung der städtischen und territorialen Ereignisse aufgebaut. Als Materialsammlung und Überblick bis heute unübertroffen.

Veddeler, Peter
Das Westfalenross. Geschichte des westfälischen Wappens. Münster 1987.
Hier finden sich zahlreiche chronikalischen und bildlichen Nachweise für die westfälische Traditionsstiftung um 1500.
 
 
 
Stand des Haupttextes: 2004.