Einzelthemen > Politische Partizipation


 

1. Zur Begriffsgeschichte des Partizipationsbegriffes

 
 
 
Der Begriff "Politische Partizipation" ist abgeleitet aus dem spätlateinischen "partizipatio" und bedeutet 'Beteiligung' sowohl im Sinne von 'Teilnahme', als auch von 'Teilhabe'. Die Definition dieses Begriffes hängt von dem ihm zugrundeliegenden Demokratieverständnis, vom Menschenbild, sowie von den je verschiedenen historisch-gesellschaftlichen Kontexten ab. Man kann die verschiedenen Definitionen in zwei große Gruppen einteilen: In den instrumentellen und in den normativen Partizipationsbegriff.
 
 
 

1.1 Instrumenteller Partizipationsbegriff

 
 
 
Wählt man einen instrumentellen Partizipationsbegriff, so versteht man unter politischer Beteiligung alle Tätigkeiten, die Bürger freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen. Das Mittel zu diesem Zweck liegt vor allem in der Stimmabgabe bei der Wahl der politischen Vertretung. Dass in solchen Definitionen meist nur die grammatikalisch männliche Form des Substantivs 'Bürger’, nicht aber die weibliche Form 'Bürgerinnen’ benutzt wird, ist kein Zufall. In diesen Definitionen werden Frauen nicht ausdrücklich erwähnt und bestenfalls nur mitgedacht. Vor allem dann, wenn es um Partizipation in historischen oder zeitgenössischen Gesellschaften geht, die kein Frauenwahlrecht kannten oder kennen, wurden bzw. werden Frauen völlig ausgeschlossen. Mit Blick auf Westfalen-Lippe heißt das, dass Frauen erst seit 1908 (Reform des Preußischen Vereinsrechtes) die Möglichkeit hatten, sich politisch zu engagieren. Noch länger mussten sie auf das Wahlrecht warten: Dieses wurde ihnen erst - wie im Deutschen Reich insgesamt - 1919 zugestanden.
 
 
 

1.2 Normativer Partizipationsbegriff

 
 
 
Der normative Partizipationsbegriff ist weiter gefasst. Er bezieht sich auf die politisch-soziale Teilhabe von Individuen in verschiedenen Gesellschaftsbereichen. Er geht also über die engere Sphäre des Politischen bzw. über die Ebene der politischen Repräsentation hinaus und schließt Männer und Frauen ein. Der normative Partizipationsbegriff richtet sich auf deren Beteiligung an der politischen Entscheidungsfindung sowie am gesellschaftlichen und sozialen Wandel. Er ist ergebnisorientiert und zielt auf eine andere, bessere Politik und eine gerechtere Gesellschaft.

Mit Blick auf eine geschlechtergeschichtliche Herangehensweise ist es sinnvoll, beide Partizipationsformen in den Blick zu nehmen. Der instrumentelle Begriff allein würde zu eng greifen und wesentliche Aktivitäten von Frauen nicht erfassen. Denn gerade Frauen waren es, die sich außerhalb des parlamentarischen Raumes in kirchlichen und gesellschaftlichen Organisationen, Vereinen, Verbänden sowie in autonomen Gruppen organisierten und gesellschaftliche Prozesse maßgeblich mitgestalteten. Um Partizipationsformen von Frauen im politischen Geschehen im 19. und 20. Jahrhundert aufzuspüren, bedarf es einer solchen breiteren Auffassung von Politik.
 
 
 
 

2. Gründung von Frauenverbänden
vor dem Ersten Weltkrieg

 
 
 

2.1 Westfälischer Provinzial-Frauen-Verein

 
 
 
Der preußische "Vaterländische Frauenverein" (VFV) wurde 1866 in Berlin als Dachverband ins Leben gerufen, um die Gründung von lokalen Frauenvereinen auf dem Gebiet der militärischen Krankenpflege und Wohlfahrtspflege zu fördern. Ihm schlossen sich lokale Vereine in ganz Preußen an, auch in Westfalen. 1868 bestanden hier sechs Vereine in Coesfeld, Dortmund, Höxter, Minden, Münster und Soest.
 
 
In Westfalen verlief die Gründung von Zweigvereinen allerdings eher schleppend. Um stärkeren Einfluss nehmen zu können, veranlasste der Zentralverein 1881 einen Zusammenschluss der westfälischen Zweigvereine zum "Westfälischen Provinzial-Frauen-Verein" mit Sitz in Münster. Diese Zentralisierung bewirkte den Durchbruch: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges wuchsen die Mitgliedszahlen in Westfalen stetig.
Typisch auch für andere westfälische Städte ist die Gründung eines Zweigvereins in Rheine, die vom  Regierungsvizepräsidenten von Münster am 28.01.1886 angeordnet wurde. Bereits im Mai konnte der Bürgermeister von Rheine erfolgreich die Gründung eines Zweigvereins in Rheine vermelden ( Quelle), der auf seine Initiative hin entstanden war.
 
 
Mit Blick auf die Zusammensetzung der Vorstände schrieb der Zentralverein in Berlin vor, dass in der Regel mindestens zwei Mitglieder männlich sein sollten: der Schatzmeister und der Schriftführer. Ausnahmsweise reichte auch ein männliches Vereinsmitglied im Vorstand. Begründet wurde diese Verfügung damit, dass Frauen allein auf sich gestellt in kritischen Situationen (z.B. im Kriegsfall) überfordert sein würden.

1886 gehörten dem Provinzial-Verein bereits 60 Mitglieder an. Verglichen mit den anderen preußischen Provinzen verlief die Mitgliederentwicklung in Westfalen günstig. Am Ende des Kaiserreiches hatten sich die Vaterländischen Frauenvereine als neues Muster von Wohltätigkeitsvereinen voll etabliert.
In einem  Schreiben vom Juni 1888 leitete der Vorstand des Verbandes der Provinz Westfalen die Instruktionen aus Berlin über die Zusammensetzung der Vorstände an die Vorstände der westfälischen Zweigvereine weiter.
 
 

2.2 Konfessionelle lokale Frauenvereine

 
 
 
Im 19. Jahrhundert besaß die meist ehrenamtliche Mitarbeit in Vereinen für bürgerliche Frauen einen hohen Stellenwert. Gesellschaftspolitisches Engagement war für sie eine der wenigen Möglichkeiten, sich öffentlich zu artikulieren.

Insbesondere auf dem Feld der Sozialpolitik engagierten sich konfessionelle Frauenvereine. Dies belegen z.B. der 1876 gegründete katholische "Verein zur Pflege bedürftiger verheirateter Wöchnerinnen jeder Konfession", der von Frauen aus Bürgertum und Adel ins Leben gerufen wurde ebenso wie der 1899 von Agnes Neuhaus in Dortmund gegründete "Katholische Fürsorgeverein für Mädchen und Frauen".
Eine Biografie zur Vereinsgründerin sowie Verweise auf die Gründungsgeschichte des heutigen "Sozialdienstes katholischer Frauen" in einem Online-Beitrag von Agnes Neuhaus
 
 

2.3 Bund Deutscher Frauenvereine

 
 
 
1894 wurde der "Bund Deutscher Frauenvereine" (BDF) gegründet. Der Bund betrachtete die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung als eine wesentliche Voraussetzung für die Emanzipation von Frauen und trat für die Reform des Mädchenschulwesens, für das Recht auf Studium und akademische Abschlüsse für Frauen ein. Bis zur Jahrhundertwende entwickelte er sich zu einem wichtigen Faktor im politischen und kulturellen Leben des Kaiserreiches. In Westfalen entstanden bis 1901 lokale Vereine in Minden, Bochum, Essen und Hagen. Dem 1901 gegründeten Rheinisch-Westfälischen Frauenverband (dem ersten innerhalb des BDF gegründeten Landesverband) gehörten 1912 insgesamt 77 Mitgliedsverbände und -vereine mit rund 18000 Mitgliedern an.
 Gertrud Bäumer aus Hohenlimburg war von 1910 bis 1919 Vorsitzende des BDF und von 1919 bis zur erzwungenen Selbstauflösung 1933 stellvertretende Vorsitzende. Das Archiv des Bundes Deutscher Frauenvereine (1894-1933) ist Teilbestand des im Landesarchiv Berlin verwahrten Helene-Lange-Archives. Eine Inhaltsbeschreibung findet sich in den Beständen des Helene-Lange-Archivs.
 
 

2.4 Frauenorganisationen auf kommunaler Ebene

 
 
 
Auch auf kommunaler Ebene schlossen sich zum Teil lokale Vereine innerhalb des BDF zusammen. In Münster z.B. entstand so 1908 die "Arbeitsgemeinschaft Münsterscher Frauenorganisationen Stadt und Land". Bei den 27 Mitgliedsorganisationen handelte es sich um konfessionelle, parteipolitische und humanitäre Verbände, Interessensvertretungen, Selbsthilfeorganisationen und Standes- bzw. Berufsorganisationen. Bei ihren quartalsmäßigen Treffen diskutierten die Mitglieder fürsorge- und sozialpolitischen Themen, die häufig zu Eingaben an staatliche, kommunale und andere Institutionen führten.

So entfaltete sich der BDF zu einem komplexen Netzwerk, das Frauenorganisationen auf Reichs-, Provinz- und lokaler Ebene miteinander verzahnte und ein wichtiges Sprachrohr für ihre Interessen wurde.
 
 
 
 

3. Die Einführung des Frauenwahlrechte
in der Weimarer Republik

 
 
 
Mit der Reform des preußischen Vereinsgesetzes von 1908 wurde die Voraussetzung für den Eintritt von Frauen in politische Parteien geschaffen. Zahlreiche führende Vertreterinnen der Frauenbewegung wurden Mitglieder der liberalen Parteien. Parallel kam immer stärker die Forderung nach Einführung des Frauenwahlrechts auf; eine eigene Frauenstimmrechtsbewegung entstand. Mehrere rheinische und westfälische Stimmrechtsvereine gründeten 1909 den "Westdeutschen Verband für Frauenstimmrecht", der das Stimmrecht für Frauen im Rahmen des preußischen Dreiklassenwahlrechts forderte. Damit grenzten sie sich vom "Deutschen Verband für Frauenstimmrecht" ab, der weitreichendere Forderungen stellte und sich für das allgemeine und gleiche Stimmrecht einsetzte. Die Bewegung hatte Erfolg: In der Revolution von 1918/1919 erhielten Frauen erstmals das Stimmrecht und die staatsbürgerliche Gleichberechtigung, die in Art. 109, Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung garantiert wurde.
Feature von Julia Paulus zur  Einführung des Frauenwahlrechts 1919

Für die Stadt und den Kreis Warburg untersuchte Günther Wagner den Wahlkampf und die Ergebnisse der Wahlen von 1918/1919. Dabei geht er besonders auf das Wahlverhalten von Frauen ein, die erstmals wählen durften. (Titel:  "Frauen, lernt wählen!").
 
 

3.1 Die Umsetzung auf lokaler Ebene

 
 
 
Alle Parteien nominierten nun Frauen für die Parlamente, darunter v.a. führende Vertreterinnen der Frauenbewegung. Doch musste das Recht auf "grundsätzliche" staatsbürgerliche Gleichberechtigung immer wieder von den Frauen selbst durchgesetzt werden. Deshalb wurde u.a. die Aufstellung parteiübergreifender Frauenlisten diskutiert. Realisiert wurden sie aber nur in einzelnen Fällen, wie z.B. bei den Kommunalwahlen 1924 in Warendorf. Hier trat eine eigenständige Frauenliste mit neun Kandidatinnen an, die dem "Katholischen Deutschen Frauenbund" (KDF) angehörten. Vier Frauen zogen schließlich in den Stadtrat ein.


3.2 Die Umsetzung auf Provinzebene

Bereits 1824 waren für Westfalen und die Rheinprovinz Provinziallandtage als Volksvertretung angeordnet worden. Der Provinziallandtag als Beschlussorgan und der Provinzialausschuss als Verwaltungsorgan nahmen die dem Provinzialverband (Vorläufer des heutigen Landschaftsverbandes) in der Provinzialordnung vom 01.08.1886 gewährten Selbstverwaltungsbefugnisse wahr.

Die Staatsumwälzung von 1918 brachte auch auf Provinzialebene die Anpassung des Wahlverfahrens der Landtage an parlamentarische Leitbilder. 1920 wurde die Direktwahl nach allgemeinem, gleichem und geheimem Wahlrecht eingeführt. Erstmals wurden auch Frauen Mitglieder des Provinziallandtages.
Über die Warendorfer Frauenliste informiert die Website Politisches Bewusstsein Warendorfer Frauen 1924. Auch in der Lokalpresse schlug sich die Aufstellung einer eigenen Frauenliste nieder, wie exemplarisch ein  Artikel des "Neuen Emsboten" vom 20.04.1924 veranschaulicht.

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Gruppenbild mit  Abgeordneten des Provinziallandtages im Garten des Landeshauses, 1905


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 Hedwig Hoffmann gehörte zu den ersten Frauen, die in den Provinziallandtag gewählt wurde. Von 1921 bis 1932 gehörte sie ihm als Mitglied an.
 
 
 

4. Die Frauenpolitik während der
NS-Zeit

 
 
 
Gegenüber dem politischen Engagement von Frauen in den Parteien und deren Frauenorganisationen, ihrer Mitarbeit in Kommunal- und Länderparlamenten sowie dem Reichstag, trat in der Weimarer Republik die Bedeutung der Frauenvereine zurück. Wie die demokratischen Parteien nahm auch die bürgerliche und die sozialdemokratische Frauenbewegung den Aufstieg der NSDAP vor 1930 ohne sichtbaren Protest hin. Ab 1930 reagierte sie jedoch aktiv auf die wachsende Bedrohung durch den Nationalsozialismus. So führte z.B. der "Rheinisch-Westfälische Frauenverband", dem 1931 54 Verbände und Vereine mit rund 15000 Mitgliedern angehörten, vor den Reichstagswahlen 1932 in Köln eine große Kundgebung durch, um auf die Gefahren durch das NS-Regime aufmerksam zu machen.
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Symbolträchtiges  Wahlplakat aus den 1930er Jahren: Das NS-Regime instrumentalisierte die Frauen als tragende Säulen der "deutschen Familie" und beschränkte sie damit auf ihren privaten Wirkungsbereich als Gattin, Hausfrau und Mutter.
 
 

4.1 Der Ausschluss von Frauen aus der Politik

 
 
 
Nach der "Machtergreifung" Hitlers folgte der Ausschluss der Frauen aus der offiziellen Politik. Der Großteil der Frauenbewegungsverbände und -vereine löste sich im gleichen Jahr selbst auf, um der Gleichschaltung zu entgehen. Die großen Verbände der Hausfrauen- und der Landfrauenvereine ließen sich in das neu gegründete "Deutsche Frauenwerk" (DFW) eingliedern.
Auch in Westfalen-Lippe wurden die in den 1920er Jahren gegründeten Landfrauenvereine aufgelöst. Den ersten Verein Westfalens hatte  Agnes Brirup (1894-1976) 1920 in Gelmer bei Münster gegründet.
 
 
Das DFW versuchte mit Hilfe großangelegter Propaganda-Veranstaltungen, wie z.B. einer Großkundgebung am 21.11.1933 in der Westfalenhalle Dortmund, auch die Frauen aus Westfalen und Lippe für das NS-System zu vereinnahmen.
Die weiblichen Abgeordneten aller Parteien - die NSDAP-Fraktion nahm überhaupt keine Frauen auf - verloren ihr Mandat und das passive Wahlrecht. Viele politisch aktive Frauen der liberalen Parteien und des Zentrums mussten zudem ab 1933 ihre beruflichen Laufbahnen als Lehrerinnen oder Verwaltungsbeamtinnen aufgeben. Ob es in dieser Situation gelang, in Deutschland ein neues berufliches Auskommen zu finden, hing von dem Handlungsspielraum ab, der von den verschiedenen politischen Milieus in unterschiedlichem Maße geboten wurde. Am schwierigsten gestaltete sich dieser Versuch in den Linksparteien, deren Mitgliedern oft nur die Emigration als einziger Ausweg blieb. Andere Frauen wurden aus rassischen Gründen deportiert und nur wenige, wie z.B. Jeanette Wolff, überlebten die Inhaftierung in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern.
Biografische Hinweise zu  Jeanette Wolff
 
 
 

5. Wiederaufbauarbeit in der
Nachkriegszeit 1945-1948

 
 
 
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 waren der deutschen Bevölkerung in der britischen - zu der Westfalen gehörte -, amerikanischen und französischen Besatzungszone grundsätzlich politische Betätigungen in jeder Form und politische Versammlungen untersagt. Doch schon im Juni 1945 gründeten sich die vier großen Parteien der Weimarer Republik, allen voran die KPD, in Berlin neu. Dieses Vierparteienmodell setzte sich seit August 1945 mit regionalen Abweichungen auch in den westlichen Zonen durch.
"Weg zur Gleichberechtigung" heißt der Titel eines Artikels von Gisela Helwig, in dem sie wesentliche Stationen der politischen Partizipationsgeschichte von Frauen darstellt. Zu den Themen gehört auch der Neubeginn nach 1945.
 
 

5.1 Die Gründung von Frauenausschüssen

 
 
 
Während Frauen in allen vier Zonen in der unmittelbaren Nachkriegszeit an diesem politischen Wiederaufbau nur vereinzelt beteiligt wurden, lag die ganze Last des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und die Behebung der Not im täglichen Leben auf ihren Schultern. Sie bildeten in allen Regionen Deutschlands überparteiliche und überkonfessionelle Frauenausschüsse auf kommunaler Ebene. In den vier Besatzungszonen entstanden so mehr als 5.000 Frauenausschüsse. Ihr kurzfristiges Ziel war es, die größte Not zu lindern. Längerfristig wollten sie am Aufbau einer friedlichen und demokratischen Gesellschaft mitwirken.
In Dortmund z. B. wurde am 12.09.1946 ein Frauenausschuss ins Leben gerufen. Zu seinen Gründerinnen zählten politisch engagierte Frauen aus unterschiedlichen Parteien. Um möglichst viele Fraueninteressen zu bündeln, gehörten von Anfang an Vertreterinnen unterschiedlicher Berufe und Organisationen zu den Mitgliedern.
Zu den Gründerinnen des Dortmunder Frauenausschusses gehörte auch die Politikerin  Helene Wessel. Sie war Herausgeberin des "Neuen Westfälischen Kuriers", der im Januar 1948 einen  Arbeitsbericht über den Frauenausschuss enthielt.
 
 
Bielefeld gehört zu den wenigen Städten, in der die Militärregierung die Gründung eines Frauenausschusses ablehnte. Ein im März 1946 von vier Bielefelderinnen gestellter Antrag wurde mit der Begründung negativ beschieden, dass es bereits genügend Ausschüsse gäbe, die am Wiederaufbau des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens beteiligt seien. Sie wurden an das Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt und den Flüchtlingsausschuss verwiesen. Da die Frauenausschüsse oftmals nicht in den offiziellen Gremien integriert waren und sie so außerparlamentarisch agieren mussten, verloren sie schnell an Bedeutung, als sich die politischen Verhältnisse wieder normalisierten. In vielen Städten lösten sich die Frauenausschüsse bereits nach knapp zweijähriger Tätigkeit wieder auf oder wurden von "zentralen (städtischen) Frauenausschüssen" abgelöst.

Die britische Besatzung begrüßte grundsätzlich eine stärkere politische Beteiligung von Frauen. Sie stand nicht nur den Frauenausschüssen positiv gegenüber, sondern befürwortete auch eine angemessene weibliche Repräsentanz in den Stadträten und deren Ausschüssen.
Englische Behörden sprachen sich anlässlich der Kommunalwahlen im Oktober 1948 in einem  Schreiben an den Stadtdirektor von Münster ausdrücklich für eine stärkere Vertretung von Frauen im Rat und in den Ausschüssen aus. Als Ergebnis blieb der Aufruf der britischen Behörden jedoch ohne Erfolg. Im neugewählten Rat waren unter den 33 Mitgliedern nur zwei Frauen. Gegen diese ungenügende Vertretung der Frauen protestierten in einem  Schreiben an den Rat empörte Münsteranerinnen am 03.11.1948.
 
 

5.2 Wieder- und Neugründung von Frauenverbänden

 
 
 
In vielen Fällen gelang es den Mitgliedern der Frauenausschüsse jedoch auch, sich zu größeren, selbständigen Verbänden zusammenzuschließen. 1949 gründete sich in Bad Pyrmont der überparteiliche und überkonfessionelle Deutsche Frauenring (DFR), der an die Traditionen der bürgerlichen Frauenbewegung aus der Weimarer Republik anknüpft. Er engagiert sich v.a. in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, staatsbürgerliche Bildung und Erziehung von Frauen und der Pflege internationaler Beziehungen. Ihm geht es um eine rechtliche und soziale Gleichstellung von Frau und Mann innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung.
Der Deutsche Frauenring wurde maßgeblich von  Gisela Naunin geprägt, die von 1952 bis 1964 Vorsitzende des Ortsringes Münster war. Ab 1953 stand sie dem Landesverband Westfalen vor und war von 1964 bis 1971 Präsidentin des Ringes.
 
 

5.3 Die Gründung von Parteien

 
 
 
Während sich vielerorts soziale und kulturpolitische Vereine von Frauen gründeten, waren Frauen an der Wiedergründung der demokratischen Parteien nur vereinzelt beteiligt. In Bielefeld z.B. konstituierte sich die SPD bereits Anfang April 1945 neu, ohne dass zu ihrem Führungskreis eine Frau gehörte. Erst 1947 wurden in den Bezirksvorstand zwei Frauen gewählt. Auf Ortsebene gab es innerhalb der Parteien in Westfalen ebenfalls sozialdemokratische Frauengruppen, die sich wie beispielsweise in Brackwede regelmäßig trafen und unterschiedliche Themen diskutierten. Diese reichten vom Marshall-Plan über kommunalpolitische Diskussionen oder die Haltung der SPD zur Kirche bis hin zu gesundheitspolitischen Fragen der Zeit. Auch innerhalb der CDU, die in Bielefeld ebenfalls ohne Beteiligung von Frauen wieder aufgebaut wurde, gab es eigene Frauengruppen. In der britischen Besatzungszone trafen sich weibliche CDU-Mitglieder 1946 in sog. "vorläufigen Frauenausschüssen", die an weibliche Organisationsformen der Zentrumspartei während der Weimarer Republik anknüpften. 1949 wurde die Ärztin Viktoria Steinbiß aus Bielefeld als stellvertretende Vorsitzende des CDU-Frauenausschusses der britischen Zone gewählt.
 
 
 
 

6. Die Entwicklung seit 1949

 
 
 

6.1 Die gesetzliche Gleichberechtigung
von Frau und Mann

 
 
 
1949 wurde nach langen Kämpfen der Artikel "Frauen und Männer sind gleichberechtigt" (Artikel 3, Absatz 2 GG) in das Grundgesetz aufgenommen. Erstmals in der deutschen Geschichte war die Gleichberechtigung als konkreter Verfassungsauftrag festgelegt worden. Allerdings zog sich die praktische Umsetzung noch lange hin. Ein erster Schritt zu mehr Geschlechterdemokratie war die Reform der familienrechtlichen Bestimmungen des BGB. Hier wurde 1957 der Stichentscheid des Ehemanns abgeschafft. Weitreichende Konzepte zu einer gesellschaftlichen Erneuerung, in denen die Rolle und Aufgabe der Frau neu überdacht wurde, bestanden jedoch noch nicht.
 
 
 

6.2 Die 'Neue' Frauenbewegung

 
 
 
Seit Ende der 1960er Jahre formierte sich die 'Neue' Frauenbewegung, die sich deutlich von den Forderungen der "alten" Frauenverbände unterschied. Sie zielte auf die „Aufhebung der Trennung von privat- und öffentlich-gesellschaftlichem Leben", da sie diese Trennung als wesentliche Ursache für die Unterdrückung von Frauen ansah. An vielen Universitäten entstanden jetzt "Aktionsräte zur Befreiung der Frau". In Münster wurde wie in anderen Städten auch ein "Weiberrat" ins Leben gerufen, der im Februar 1969 in Flugblättern zum Aufbau von Arbeitsgemeinschaften aufrief. Die 'neuen’ Frauengruppen unterschieden sich v.a. in ihren autonomen Organisationsstrukturen von den korporativen und formalisierten Strukturen der traditionellen Frauenverbände. Was die Einzelaktionen der Gruppen zu einer Bewegung werden ließ, war der gemeinsame Kampf gegen den Abtreibungsparagraphen 218. Im Jahre 1971 entstanden auch in westfälischen Städten (z. B. Dortmund) so genannte "§-218-Gruppen", die sich für die Fristenlösung einsetzten.

Nach und nach entwickelte die Neue Frauenbewegung eigene Kulturen. Zahlreiche Frauencafés, Frauenbuchläden, Frauenzeitschriften, Frauenbildungshäuser, Frauengeschichtswerkstätten und Frauenarchive entstanden.
Die Internetpräsentation des FrauenMediaTurms thematisiert wesentliche Stationen der Geschichte der Neuene Frauenbewegung. Unter dem Titel Chronik der Neuen Frauenbewegung werden die einzelnen Stationen vorgestellt.

Die "Neue Frauenbewegung", Rede von Helke Sander (Aktionsrat zur Befreiung der Frauen) auf der 23. Delegiertenkonferenz des "Sozialistischen Deutschen Studentenbundes" (SDS) am 13.09.1968 in Frankfurt/Main, in:
100(0) Schlüsseldokumente zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts im Internet, betreut u. a. von der Bayerischen Staatsbibliothek München (Tondokument, Textdatei)
 
 

6.3 Frauen(förderung) in Parteien

 
 
 
Auch innerhalb der Parteien fanden Frauen neue Partizipationsmöglichkeiten: In Münster gründeten SPD-Frauen 1978 die "Initiative sozialdemokratischer Frauen" (IsF), um sich mit Themen und Positionen der Neuen Frauenbewegung auseinander zu setzen.
Auf der parlamentarischen Ebene vertritt die Partei Bündnis 90 / DIE GRÜNEN seit 1990 im Landtag NRW zentrale Forderungen der Neuen Frauenbewegung. Bereits zur Bundestagswahl im Jahre 1983 nahm sie als erste Partei in der Bundesrepublik die Frauenparität in ihr Programm auf.
Im März 1986 führte die Münsteraner SPD als erste Parteigliederung die "Quote" ein. Danach sollten Frauen mindestens 40 % sämtlicher Ämter und Mandate innehaben. 1988 folgte die SPD insgesamt dem Münsteraner Beispiel. Auf ihrem Bundesparteitag, der ebenfalls in Münster stattfand, beschloss sie die stufenweise Einführung der Quotierung ihrer Mandate. Bis 1998 sollten mindestens 40 % aller Mandate und Ämter von Frauen besetzt werden.
1996 führte die CDU auf ihrem Bundesparteitag in Hannover ebenfalls eine Quote ein. Sie beschloss, alle Gremien mit dem Anteil an Frauen zu besetzen, der dem weiblichen Anteil an der Parteimitgliedschaft entspricht (sog. "Quorum"). Nur die FDP lehnte bisher jede Form einer Quotierung ab. Sie setzte lediglich eine parteiinterne Gleichberechtigungskommission ein.
Die "Westfälischen Nachrichten" berichteten am 03.03.1986 unter dem Titel  "’Frauen-Power’ bei der SPD" über die Verabschiedung der 40 % Quote auf dem Unterbezirksparteitag in Münster.
 
 

6.4 Frauen in der Landespolitik: Überblick

 
 
 
In der nordrhein-westfälischen Landesregierung konnte sich die Beteiligung von Frauen langsam aber stetig steigern. In der laufenden Legislaturperiode (Stand: 2004) sind immerhin vier der 12 Regierungsämter (33 %) weiblich besetzt. Im Landtag demgegenüber sind Frauen weiterhin unterrepräsentiert. Ein Aufschwung ist jedoch seit Mitte der 1980er Jahre durch die Einführung der Quote und die Vertretung der "Grünen" erkennbar.
 
 
 
 

7. Chronik -
Politische Partizipation von Frauen in Westfalen

 
 
 
1881 
Der "Westfälische Provinzial-Frauen-Verein" mit Sitz in Münster wird gegründet. Er soll soziale Aktivitäten der ihm angehörigen Lokalvereine koordinieren. 


1901 
Der Rheinisch-Westfälische Frauenverband wird gegründet. Er entsteht als erster Landesverband innerhalb des "Bundes Deutscher Frauen", eines Zusammenschlusses der bürgerlichen Frauenbewegung. 


1909 
Mehrere rheinische und westfälische Stimmrechtsvereine gründen den "Westdeutschen Verband für Frauenstimmrecht" 


1918/1919 
Einführung des Frauenwahlrechts im Deutschen Reich 


1924 
Bei den Kommunalwahlen wird in Warendorf erfolgreich eine parteiübergreifende Frauenliste aufgestellt 


1933 
Nach der "Machtergreifung" Hitlers folgte der konsequente Ausschluss von Frauen aus der Politik. Der Großteil der Frauenbewegungsverbände und -vereine löste sich selbst auf. Die weiblichen Abgeordneten aller Parteien mussten den Verlust ihres Mandates und des passiven Wahlrechtes hinnehmen. 


1945 
In vielen Städten werden überparteiliche und überkonfessionelle Frauenausschüsse gegründet 


1947 
Die überparteilichen Frauenausschüsse schließen sich zum "Frauenring der britischen Zone" zusammen

Im gleichen Jahr entsteht der "Westfälische Frauenring" 


1949 
Konfessionelle, berufsständische und kulturelle Frauenverbände der drei Westzonen gründen in Bad Pyrmont den "Deutschen Frauenring" 


1949 
Das Grundgesetz tritt in Kraft. Zwei der vier "Mütter" des Grundgesetzes kommen aus dem westfälischen Raum: Friederike Nadig (SPD) aus Herford und Helene Wessel (DZP) aus Dortmund 


1951 
Am 08.03.1951 wird der Internationale Frauentag eingeführt 


1958 
Am 01.07.1958 tritt das Bundesgesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Gleichberechtigungsgesetz) in Kraft 


1959 
Die Dortmunder Juristinnen Elisabeth Späth und Hildegard Gethmann erreichen beim Bundesverfassungsgericht die Streichung des "Stichentscheids" aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Dieser hatte dem Vater das Alleinentscheidungsrecht in allen familiären Angelegenheiten übertragen. 


1968 
Neue Frauenbewegung mit vielen lokalen Aktivitäten

Der Frauenrat Nordrhein-Westfalen, eine Landesvereinigung von Frauenverbänden und Frauengruppen gemischter Verbände, wird gegründet 


1971 
Auch in westfälischen Städten bilden sich "§-218-Gruppen". Ein Jahr später wird der § 218 reformiert und die Fristenregelung setzt sich durch 


1984 
Nach der Kommunalwahl im Oktober wird Hamm als einzige westfälische Stadt von einer Frau, der Oberbürgermeisterin Sabine Zech (SPD), regiert 


1988 
Die SPD beschließt in Münster die Quote 


1990 
Raghilt Berve wird Regierungspräsidentin in Arnsberg. Sie ist die erste Frau in diesem Amt in der Bundesrepublik 


1994 
Nach der Kommunalwahl im Oktober nehmen Frauen rund ein Viertel aller Ratssitze ein. Von Frauen regiert werden nun 39 Städte und Gemeinden des Landes.

In Westfalen gibt es in Bielefeld (Angelika Dopheide, SPD) und Münster (Marion Tüns, SPD) Oberbürgermeisterinnen. 


1995 
Christa Vennegerts (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) wird Regierungspräsidentin in Detmold 


1998 
NRW hat zum ersten Mal ein Kabinett mit geschlechtsparitätisch besetzter Ministerriege, dem vier Männer und vier Frauen angehören. Die Ministerinnen sind Gabriele Behler (SPD), Ilse Brusis (SPD), Birgit Fischer (SPD) und Bärbel Höhn (Bündnis 90/DIE GRÜNEN). 
 
 
 
 

8. Literatur

 
 
 

8.1 Allgemeine Geschichte

 
 
 
Lauterer, Heide-Marie
Parlamentarierinnen in Deutschland 1918/19-1949. Königstein im Taunus 2002.

Marquardt, Regine
Das Ja zur Politik. Frauen im Deutschen Bundestag 1949-1961. Ausgewählte Biographien 1999.

Muschiol, Gisela (Hg.)
Katholikinnen und Moderne. Katholische Frauenbewegung zwischen Tradition und Emanzipation. Münster 2003
 
 
 

8.2 Westfälische Geschichte

 
 
 
Beese, Birgit
Frauenstadtgeschichte - Ansätze und Anliegen. In: Westfälische Forschungen 42/1992, S. 476-506.

Bender-Wittmann, Ursula / Faber-Hermann, Ulrike
"Von selber ändert sich nichts": Frauen in der Mindener SPD. In: Joachim Meynert (Hg.), Keine vaterlandslosen Gesellen. Beiträge zur Geschichte der Sozialdemokratie in Minden/Lübbecke 1994, S. 256-293.

Bim, Irmgard (Red.) [u.a.]
Frauen im Landtag. Schriften des Landtags Nordrhein-Westfalen. Bd. 4. Düsseldorf 1992.

Daniel, Ute
Die Vaterländischen Frauenvereine in Westfalen. In: Westfälische Forschungen 39/1989, S. 158-180.

Denecke, Brigitte
"Wir hatten eine Kraft, das glaubt man nicht". Frauenalltag und Frauenpolitik der Nachkriegsjahre in Dortmund und Hamm. Dortmund 1997.

Flüchter-Sheryari (Hg.)
Die vergessene Geschichte. 775 Jahre Frauenleben in Hamm. Hamm 2001.

Paulus, Julia und Neugebauer, Anne
"Das Ringen um die Eingliederung der Frau in eine sich wandelnde Welt". Frauenvereine und -organisationen um 1968 zwischen 'alter' und 'neuer' Frauenbewegung. In: Westfälische Forschungen, Bd. 48, 1998, S. 69-95.

Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen (Hg.)
Frauen im Landtag. Düsseldorf 1992.

Rouette, Susanne
Artikel "Frauenbewegung". In: Faust, Anselm (Red.). Nordrhein-Westfalen: Landesgeschichte im Lexikon. Düsseldorf 1994, S. 131-133.

Sauermann, Elisabeth / Halatscheff, Christa (Bearb.)
"Zum Nachdenken blieb keine Zeit." Frauen in Lippe nach dem Zweiten Weltkrieg. Interviews, Dokumente, Bilder. Bielefeld 1995.

Tatje, Susanne (Red.)
"Wir hatten uns so durchgeschlagen..." Frauen im Bielefelder Nachkriegsalltag 1945-1950, hg. von der Volkshochschule der Stadt Bielefeld. Bielefeld 1992.