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Brandenburg / Preußen, Kurfürstentum / Königreich

 
 
 
König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (Ausschnitt), nach 1845
König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, nach 1845 (Ausschnitt)  Medien

Der Name eines zwischen Memel und Weichsel siedelnden baltischen Teilstammes (Prußen) wurde auf das Gebiet des Deutschen Ordens, seit 1525 auf das weltliche Herzogtum Preußen übertragen und bürgerte sich seit 1701 allmählich für den Staat der brandenburgischen Hohenzollern ein. Kurfürst Friedrich I. (1415-1440) hatte außer der eigentlichen Mark Brandenburg die Altmark, die Prignitz und Teile der Uckermark in Besitz. Sein Nachfolger Friedrich II. (1440-1470) erwarb die Neumark, weitere Teile der Uckermark und einige böhmische Lehen sowie Wernigerode. Albrecht Achilles (1470-1486) konnte die Neumark vergrößern und kleinere Gebiete von Pommern angliedern. Johann Cicero (1486-1499) kaufte Zossen. Die originären fränkischen Besitzungen des Hauses gingen durch die Dispositio Achillea zunächst an die fränkischen Linien. Kurfürst Joachim I. (1499-1535) zog die Grafschaft Ruppin als erledigtes Lehen ein. Kurfürst Johann Georg (1571-1598) sicherte sich die böhmischen Lehen Beeskow und Storkow. Unter Kurfürst Johann Sigismund (1608-1619) wurde durch den Anfall des halben Jülich-Klevischen Erbes (Kleve, Mark, Ravenstein und Ravensberg) sowie des Herzogtums Preußen in Personalunion der Umfang des Staates mehr als verdoppelt. Trotzdem war der Aufstieg Brandenburgs zu europäischer Bedeutung auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht vorherzusehen, als sein Enkel Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, 1640 die Nachfolge seines Vaters Georg Wilhelm (1619-1640) in dem vom Dreißigjährigen Krieg schwer in Mitleidenschaft gezogenen Land antrat. Zwar konnte er das infolge des Erbvertrags von Grimnitz (1529) im Jahre 1637 angefallene Pommern nicht völlig sichern, doch erhielt er im Westfälschen Frieden 1648 Hinterpommern, die Bistümer Kammin, Minden und Halberstadt, die Grafschaft Hohnstein und die Anwartschaft auf das Territorium des Erzbistums Magdeburg. 1657 fielen ihm im Vertrag von Wehlau die ehemaligen Ämter des Deutschen Ordens Lauenburg und Bütow sowie die Johanniterbesitzung Draheim als polnische Lehen zu.

Der Friede von Oliva bestätigte 1660 die Souveränität über das Herzogtum Preußen. Zwar konnte Friedrich Wilhelm das den Schweden 1675 entrissene Vorpommern nicht behaupten, erhielt aber 1680 Magdeburg und die Grafschaft Mansfeld und erwarb 1686 den Kreis Schwiebus. Damit war Brandenburg, gestützt auf ein stehendes Heer und eine durchgebildete Verwaltung, trotz seiner territorialen Aufsplitterung zur politischen Vormacht in Norddeutschland geworden. Kurfürst Friedrich III. (1688-1713) erreichte im Krontraktat von Wien die kaiserliche Zustimmung zur Erhebung des außerhalb der Reichsgrenzen gelegenen Herzogtums Preußen zum Königreich und wurde am 18.01.1701 in Königsberg zum König in Preußen gekrönt, d. h. im herzoglichen Anteil, nicht im königlichen polnischen Anteil, der seit dem 2. Thorner Frieden 1466 zu Polen gehörte. Der Friede von Utrecht anerkannte diese Rangerhöhung, deren finanzielle Basis der neue König durch seine ausschweifende Prachtentfaltung weitgehend verspielte. Preußen war auch unter ihm gewachsen: durch Schenkung und Vertrag fielen 1691 die ostpreußischen Herrschaften Tauroggen und Serrey an. Aus der Erbschaft des Hauses Oranien (Oranischer Erbfolgestreit) erwarb er 1702 die Grafschaft Lingen und das Fürstentum Mörs, 1707 Neuenburg (Neuchâtel) mit Valengin, kaufte im gleichen Jahr die Grafschaft Tecklenburg sowie die Erbpropstei über Nordhausen und Quedlinburg. Dagegen trat er 1694 den Kreis Schwiebus an Glogau ab. König Friedrich Wilhelm I., genannt der Soldatenkönig (1713-1740), gewann im Frieden von Utrecht 1713 das Oberquartier Geldern und durch seine Teilnahme am Nordischen Krieg im Frieden von Stockholm 1720 Schwedisch-Vorpommern. Danach verwendete er den größten Teil der staatlichen Energie auf den Aufbau eines starken Heeres. Zur Erwirtschaftung der dafür notwendigen Geldmittel setzte er 1723 das Generaloberfinanz-, Kriegs- und Domänendirektorium ein und suchte durch innere Kolonisation und Bevölkerungswachstum die Staatseinkünfte zu steigern. Heer und Beamtenschaft wurden die Säulen des Staates, der in betonter religiöser Toleranz u.a. Hugenotten und Salzburger Exulanten aufnahm. Eine spezifisch preußische Staatsgesinnung und ein besonderer Beamtenethos bildeten sich heraus.

Während der calvinistische Soldatenkönig in rigoroser Strenge sein Land in enger Anlehnung an die kaiserliche Politik konsolidierte, schuf er die Voraussetzung dafür, daß sein Sohn Friedrich II. der Große (1740-1786) eine führende Rolle in Europa gewann. In den Schlesischen Kriegen gliederte er Schlesien und die Grafschaft Glatz an, die er im Siebenjährigen Krieg erfolgreich behauptete. 1744 hatte er in Vollzug einer Anwartschaft von 1694 beim Aussterben des Hauses Cirksena das Fürstentum Ostfriesland erworben und gewann in der 1. Teilung Polens 1772 Westpreußen und den Netzedistrikt, damit die Landverbindung zwischen der jetzt als Ostpreußen bezeichneten namengebenden Provinz und dem Stammland. 1780 wurde die Restgrafschaft Mansfeld zwischen Sachsen und Preußen aufgeteilt. Trotz der unbestreitbaren Erfolge des großen Königs auch auf kulturellem (General-Landschul-Reglement), wirtschaftlichem und künstlerischem Gebiet war die Verkrustung des Staates durch die allumfassende Bevormundung seiner Bürger nicht zu übersehen. Ein allzu starres System lähmte die Einzelinitiative, erstickte Fortschritt in übertriebenem Formalismus. So war der Niedergang unter König Friedrich Wilhelm II. (1786-1797) vorgezeichnet, obwohl er in der 2. Teilung Polens 1793 Danzig, Thorn und Südpreußen, in der 3. Teilung von 1795 Masowien, Warschau und Neuostpreußen erwarb. Durch den Frieden von Basel war Preußen gleichzeitig aus den Koalitionskriegen ausgeschieden. Als Friedrich Wilhelm III. (1797-1840) die Regierung übernahm, waren auch die fränkischen Markgraftümer Ansbach und Bayreuth wieder Teil Preußens geworden (1791), die Rechtseinheit durch das Allgemeine Landrecht von 1794 hergestellt. Im Reichsdeputationshauptschluß erhielt Preußen für seine Abtretungen auf dem linken Rheinufer die säkularisierten Hochstifte Paderborn und Hildesheim, Teile von Münster, von Kurmainz, Erfurt und das Eichsfeld, die Reichsstädte Nordhausen, Mühlhausen und Goslar sowie die Abteien Herford, Quedlinburg, Elten, Essen und Werden. Im Vertrag von Schönbrunn wurde Preußen das Königreich Hannover zugesprochen, mußte aber auf Ansbach-Bayreuth zugunsten Bayerns, auf Neuenburg und das rechtsrheinische Kleve zugunsten Frankreichs verzichten.

Nach dem Preußisch-Französischen Krieg von 1806 wurde Preußen im Frieden von Tilsit durch den Verlust aller linkselbischen Gebiete und der Erwerbungen aus der 2. und 3. Teilung Polens auf die Hälfte seines bisherigen Umfangs reduziert. Nach der Durchführung grundlegender Reformen des Staates (Gendarmerieedikt, Städteordnung, Bauernbefreiung, allgemeine Wehrpflicht u. a.) unter Führung von Stein, Hardenberg, Scharnhorst, Gneisenau u. a. und aktiver Teilnahme an den Befreiungskriegen konnte das erstarkte Preußen auf dem Wiener Kongreß den größten Teil seiner Gebietsverluste rückgängig machen. Die Landerwerbungen aus der 3. Teilung Polens fielen jedoch an Rußland, Ansbach und Bayreuth blieben bei Bayern, Ostfriesland, Hildesheim und Goslar kamen an das restituierte Hannover. Hinzugewonnen wurde der Nordteil von Sachsen und große Teile der späteren Rheinprovinz, das dänische Vorpommern im Tausch gegen Lauenburg sowie kleinere Gebietsteile von Mediatisierten. Dieses zerrissene Staatsgebilde wurde 1822 in acht Provinzen (Preußen, Posen, Schlesien, Pommern, Brandenburg, Sachsen, Westfalen, Rheinland) gegliedert, die unter der Leitung von Oberpräsidenten standen. Die in der Bundesakte vorgesehene konstitutionelle Verfassung wurde nicht erlassen, stattdessen 1823 Provinzialstände eingeführt. König Friedrich Wilhelm IV. (1840-1878) berief 1847 den Vereinigten Landtag, dessen Fortbildung zu einer echten Volksvertretung durch die Märzrevolution verhindert wurde.

Am 06.12.1848 erhielt Preußen eine oktroyierte, wenngleich liberale Verfassung. Nach der Ablehnung der deutschen Kaiserkrone durch den preußischen König (Kaiserdeputation) und dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung wurde in Preußen das Dreiklassenwahlrecht eingeführt, am 31.01.1850 eine neue konstitutionelle Verfassung verabschiedet. 1834 hatte Preußen das Fürstentum Lichtenberg in der Pfalz gekauft. 1850 wurden die Fürstentümer Hohenzollern angegliedert. Auf Neuenburg und Valengin wurde 1857 verzichtet. Nach der Reaktionszeit, der Regierung der Neuen Ära und der Lösung des preußischen Verfassungskonflikts durch den Ministerpräsidenten Otto von Bismarck 1862 führte der Deutsche Krieg 1866 zur Angliederung von Schleswig und Holstein, Hannover, Hessen-Kassel, Hessen-Homburg und Frankfurt am Main (neue Provinzen Schleswig-Holstein, Hannover, Hessen-Nassau) und zur Bildung des Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung. Der Deutsch-Französische Krieg hatte die Gründung des Deutschen Reiches zur Folge, in dem der König von Preußen erblicher deutscher Kaiser wurde. Damit war der deutsche Nationalstaat in seiner kleindeutschen Version geschaffen. Preußen wurde zum wichtigsten und größten Bestandteil des föderalistischen Reiches. 1878 stieg die Zahl der preußischen Provinzen durch die Aufteilung von Preußen in Ost- und Westpreußen auf zwölf. Schleswig-Holstein wurde 1876 durch die Angliederung von Lauenburg, 1878 durch das im Helgoland-Sansibar-Vertrag erworbene Helgoland vergrößert.

Nach dem 1. Weltkrieg, in dem in Ostpreußen bedeutende militärische Anfangserfolge erzielt wurden, sah sich der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. (1888-1918) widerstrebend auch als König von Preußen zur Abdankung gezwungen. Preußen verlor durch den Vertrag von Versailles große Teile seines Staatsgebiets an Polen (der größte Teil der Provinz Posen, Teile von Westpreußen und Schlesien, Soldau). Dadurch entstand der sogenannte Polnische Korridor. Danzig wurde zur "Freien Stadt" erklärt. 1920 erhielt die neu entstandene Tschechoslowakei das Hultschiner Ländchen. Volksabstimmungen in den Abstimmungsgebieten führten zur Abtretung von Teilen von Nordschleswig an Dänemark. Belgien erhielt Eupen-Malmedy, das Saargebiet wurde bis 1935 an Frankreich überlassen. 1922 wurde die neue Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen gebildet (bis 1938), 1924 schließlich das Memelgebiet der Souveränität Litauens unterstellt.

Der immer noch gewichtigste deutsche Staat erhielt am 30.11.1920 eine neue demokratische Verfassung. Das von den Parteien der Weimarer Koalition unter dem Ministerpräsidenten O. Braun (mit zwei kurzen Unterbrechungen 1921 und 1923) regierte Land verlor seine Stellung durch den Staatsstreich gegen Preußen 1932. Durch Gesetz vom 30.01.1934 wurden die preußischen Ministerien mit den Reichsministerien zusammengelegt, der preußische Landtag aufgehoben, dem Ministerpräsidenten (seit 11.04.1933 H. Göring) die Befugnisse des Reichsstatthalters übertragen. Die Funktion der Oberpräsidenten wurde von den Gauleitern der NSDAP wahrgenommen. Damit war Preußen de facto nicht mehr existent. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde das Land Preußen durch das Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25.02.1947 für aufgelöst erklärt. Seine Teile gingen in den in den Besatzungszonen neu entstehenden staatlichen Gebilden auf.

Die Rolle Preußens in der deutschen Geschichte wird von Gegnern und Bewunderern des Staates, seiner Herrscher, seiner Bewohner, seiner Verwaltung und Beamten mit ihrer sprichwörtlichen Gründlichkeit, seiner Militärs mit ihrer Pflichtauffassung ihrem Gehorsams- und Ehrenkodex je nach Standpunkt sehr unterschiedlich beurteilt, die preußische Tradition - oft mißverstanden oder verfälscht - für propagandistische Zwecke (z. B. Tag von Potsdam) ausgenutzt. Durch eine Ausstellung unter dem Titel "Preußen - Versuch einer Bilanz" 1981 in Berlin erreichte die Diskussion über Preußen einen vorläufigen Höhepunkt.

Quelle: Gerhard Taddey, in: Gerhard Taddey, Lexikon der Deutschen Geschichte, Stuttgart:  Alfred Kröner Verlag, 1998, S. 1000-1002
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