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(60 KB)   Gedenktafel für Luise Hensel (1798-1876) an der St. Aegidiuskirche in Rheda-Wiedenbrück   Informationen zur Abbildung

Gedenktafel für Luise Hensel (1798-1876) an der St. Aegidiuskirche in Rheda-Wiedenbrück
FAMILIEHensel
VORNAMELuise


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1798-03-30   Suche
GEBURT ORTLinum
KONFESSIONkonv. kath. 08.12.1818 Berlin, St. Hedwig
TOD DATUM1876-12-18   Suche
TOD ORTPaderborn
BEGRÄBNIS ORTOstfriedhof Paderborn


VATERHensel, Johann Jakob Ludwig (Zossen 22.02.1763 - Linum 08.09.1809), Pfarrer
MUTTERTrost, Johanne Albertine Luise (Ohlau 26.08.1764 - Berlin 04.10.1835)


BIOGRAFIEEine junge Frau dichtete 1816 in Berlin ein frommes, vierstrophiges Gedicht, das mit den Versen beginnt: "Müde bin ich, geh zur Ruh', / schließe beide Äuglein zu: / Vater, laß die Augen dein / über meinem Bette sein." Die Verse wurden als Kindergebet weltberühmt. Doch nur wenige kennen den Namen der Dichterin, geschweige denn ihr Leben: Luise Hensel ist die Dichterin des "Abendliedes". An der Wiedenbrücker Aegidiuskirche erinnert eine bronzene Gedenktafel daran, daß Luise Hensel über mehr als zwanzig Jahre in der Emsstadt Wiedenbrück lebte.

Geboren wurde Luise Hensel am 30.03.1798 in Linum, einem kleinen Dorf bei Fehrbellin in der Mark Brandenburg. Sie stammte aus einer protestantischen Pfarrersfamilie, die der Erweckungsbewegung nahe stand. Nach dem Tod des Vaters zog die damals 12jährige Luise mit ihrer Mutter und drei Geschwistern nach Berlin. Dort besuchte sie die Realschule und genoß damit die höchste Bildung, die es im 19. Jahrhundert für Mädchen gab.

Aber ihr Wissensdurst ging weiter. Sie las viel, schrieb Gedichte, interessierte sich, für Naturwissenschaften und vor allem für religiöse Literatur. Luise Hensel fand Zugang zur gebildeten Berliner Gesellschaft. 1816 lernte sie den Dichter Clemens Brentano kennen. Er verliebte sich in sie, aber Luise lehnte seinen Heiratsantrag wie andere, die sie erhielt, ab. Beide wandten sich unabhängig voneinander der katholischen Kirche zu und blieben ihr Leben lang miteinander befreundet.

Seit ihrer Kindheit fühlte sich Luise Hensel stärker zu einer verinnerlichten Religiösität hingezogen. Sie lehnte den ihrer Meinung nach "lauen" Protestantismus ab. Der katholischen Frömmigkeit mit Sündenbekenntnis, Bußübungen und Heiligenverehrung fühlte sie sich näher. 1818 trat sie zum katholischen Glauben über. Um ihre Familie im protestantischen Berlin nicht ins Gerede zu bringen, verließ sie die Stadt.

Für die nun 22jährige Luise Hensel begann ein sehr wechselhaftes Leben. Aufgrund ihrer für die damalige Zeit guten Ausbildung konnte sie viele Berufe ausüben. Sie war als Gesellschafterin, Erzieherin, Krankenschwester und Lehrerin tätig. Für all diese Berufe gab es noch keine geregelten Ausbildungsgänge für Frauen, wie sie heute üblich sind.

Luise Hensels erste Station war das katholische Münsterland. Sie arbeitete als Gesellschafterin und Lehrerin für die Töchter der Gräfinnen Salm und Stolberg. Im Münsterland wie später auch im Rheinland kam sie mit führenden Personen des Katholizismus in Kontakt.

1823 nahm sie ihren siebenjährigen Neffen Rudolf als Pflegesohn zu sich und gab ihre Stellung auf. Ihrer älteren Schwester Karoline, die nach der Geburt von Rudolf gestorben war, hatte sie versprochen, für seine Erziehung zu sorgen. Sie hielt nach einer katholischen Knabenschule Ausschau und fand sie in Wiedenbrück. Der Wiedenbrücker Pfarrer Hensing kümmerte sich um die Ausbildung des Jungen und nahm ihn 1825 ganz bei sich auf. So konnte Luise Hensel wieder einer Arbeit nachgehen.

Zusammen mit ihren Freundinnen Apollonia Diepenbrock und Pauline Felgenbaum baute sie in Koblenz ein katholisches Bürgerhospital auf. Im Juli 1826 übernahmen die "Barmherzigen Schwestern vom Hl. Carl Borromäus" dieses Krankenhaus. Luise verließ Koblenz. Nach einer Übergangstätigkeit in einem Mädchenpensionat war Luise Hensel dann von 1827 bis 1832 Lehrerin an der katholischen höheren Mädchenschule St. Leonhard in Aachen. Ihre tiefe Religiösität und ihr sozial-karitatives Engagement beeindruckte die jungen Frauen. Viele ihrer Schülerinnen traten in einen Orden ein. Die Aachener Fabrikantentöchter Clara Fey und Franziska Schervier sowie  Pauline von Mallinckrodt gründeten sogar jeweils eine neue religiöse Frauengenossenschaft.

Luise Hensel freute sich über den Werdegang ihrer Schülerinnen - besonders deshalb, weil sie ihr Leben lang selbst mit dem Gedanken gespielt hatte, Ordensschwester zu werden. Bei ihrem Übertritt zur katholischen Kirche hatte sie deshalb Ehelosigkeit gelobt. Dieses Versprechen hielt sie, doch ihr Wunsch nach einem Ordensleben erfüllte sich nicht. Zunächst hatte sie sich um ihren Pflegesohn zu kümmern, später glaubte sie, für das oft harte Ordensleben zu alt zu sein. Luise Hensel stand aber immer mit Ordensschwestern in Kontakt.

Nach der Aachener Zeit hielt sie sich für drei Jahre wieder in Berlin bei ihrer Familie auf. Ihre kranke Mutter pflegte sie bis zu deren Tod 1835. Nach einigen unruhigen Jahren mit vielen Reisen und ohne festen Wohnsitz trat sie 1842 ihre letzte feste Stellung als Erzieherin von drei Waisenkindern einer wohlhabenden Kölner Familie an. Sie füllte diese Aufgabe acht Jahre aus, bis die Kinder alt genug waren.

Nun werden sich die Leserinnen und Leser vielleicht fragen, ob Luise Hensel eine emanzipierte Frau war. Sie selbst hätte diese Bezeichnung sicher abgelehnt. Im Grunde genommen war sie sehr konservativ. Sie stellte die gesellschaftlichen und kirchlichen Verhältnisse ihrer Zeit nicht in Frage. Sie engagierte sich nicht in der langsam entstehenden Frauenbewegung. Die Benachteiligung von Frauen, ihre schlechten Bildungs- und Berufsmöglichkeiten und ihre rechtliche Unmündigkeit waren für Luise kein Thema.

Dennoch lebte sie selbst ein Leben, von dem viele Frauen des 19. Jahrhunderts nur träumen konnten. Sie hatte eine gute Ausbildung, entschied eigenständig über ihre Zukunft, bestritt ihren Lebensunterhalt überwiegend allein und konnte unabhängig von ihrer Familie leben. Allerdings brachte diese Unabhängigkeit auch viel Unruhe in ihr Leben. Sie mußte sich ständig um ihren Lebensunterhalt bemühen und konnte sich nicht auf einen Ehemann als "Ernährer" verlassen.

Luise Hensels wechselhaftes und unstetes Leben kam schließlich in Wiedenbrück in ruhigere Bahnen. Sie nannte ihren neuen Wohnort gern ihr "kleines stilles Nestchen". Schon nach ihrem ersten Aufenthalt 1823 hatte sie geschrieben: "Mir hat das Städtchen, das flache, aber freundliche Umgebungen, und, was viel wichtiger ist, viele fromme, sittliche Einwohner und sehr gute Priester hat, von denen ich schon einige kannte, recht gut gefallen." An ihre Freundin Apollonia Diepenbrock schrieb sie 1853: "Ich habe die Kirche gegenüber, kann viel allein sein und billig leben. Das ist viel und ich bin des Wechsels so müde."

Obwohl sie kränkelte und eigentlich Ruhe suchte, konnte sie auch in Wiedenbrück nicht von ihrer Arbeit lassen. So versorgte sie die umliegenden ländlichen Kirchengemeinden mit künstlerischem Kirchenschmuck, versah Krankendienste und gab Unterricht. Schließlich fand sie auch wieder Zeit zum Dichten. Einige der Lieder und Gedichte aus ihren Jugendjahren waren bereits veröffentlicht worden. Ihr dichterisches Talent war schon zu ihren Lebzeiten einem breiteren Publikum bekannt.

Luise Hensel hielt auch von Wiedenbrück aus die Verbindung zu ihrem großen Freundes- und Bekanntenkreis aufrecht, wie ihre umfangreiche Korrespondenz belegt. Außerdem begab sie sich immer mal wieder auf Reisen. Sie besuchte ihre Familie, ihre Kölner Pflegekinder, ihre Freundinnen und Freunde im Rheinland und in Süddeutschland.

Eine enge Freundschaft verband sie mit ihrer ehemaligen Schülerin  Pauline von Mallinckrodt, der Gründerin der "Schwestern der christlichen Liebe" in Paderborn. Im Sommer 1873 nahm  Pauline von Mallinckrodt ihre mittlerweile 75jährige gichtkranke und pflegebedürftige Freundin auf. Im "Westphalenhof" an der Paderborner Giersstraße wurde Luise Hensel, von den "Schwestern der christlichen Liebe" gepflegt Am 18. Dezember 1876 starb sie in Anwesenheit von  Pauline von Mallinckrodt in Paderborn. Das Grab der Luise Hensel befindet sich noch heute auf dem Paderborner Ostfriedhof.

Relinde Meiwes

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 59f.
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2003-08-22


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QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 59-60
  Flaskamp, Franz | Luise Hensels Testament |

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ40   Biografie (Einzelperson/Familie)
Zeit3.6   1750-1799
3.7   1800-1849
3.8   1850-1899
Sachgebiet15.7   Literatur, Schriftstellerin/Schriftsteller
DATUM AUFNAHME2003-08-22
DATUM ÄNDERUNG2010-09-20
AUFRUFE GESAMT14229
AUFRUFE IM MONAT1080