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(80 KB)   Die Hagener Akkumulatoren-Fabrik (AFA) - nach Kriegszerstörungen im Zweiten Weltkrieg / Washington D.C., National Archive   Die Hagener Akkumulatoren-Fabrik (AFA) - nach Kriegszerstörungen im Zweiten Weltkrieg / Washington D.C., National Archive
TITELDie Hagener Akkumulatoren-Fabrik (AFA) - nach Kriegszerstörungen im Zweiten Weltkrieg


INFORMATIONUnter den zahlreichen Rüstungsbetrieben im Ruhrgebiet nahm die im Dezember 1887 in Hagen durch den Unternehmer Adolf Müller gegründete Akkumulatoren Fabrik (AFA, seit 1962 VARTA) eine Sonderrolle ein. Mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft am 19.07.1890 in Berlin beteiligten sich die Großkonzerne AEG und Siemens & Halske sowie die Deutsche Bank maßgeblich an dem Unternehmen. Die AFA war bis 1945 der einzige Lieferant für U-Bootbatterien und Spezialbatterien für Elektrotorpedos der deutschen Marine. Auch auf dem Weltmarkt gehörte die AFA mit ihren ausländischen Tochtergesellschaften seit 1904 zu den führenden Unternehmen auf diesem Gebiet.

Über 100-jährige "Tradition"

1904 lieferte das AFA-Werk in Hagen die erste Batterieanlage für das U-Boot "Hajen" an die schwedische Marine. In den folgenden Jahren kamen Lieferungen an die deutsche Marine sowie Batterien unter anderem für Russland, den USA, Österreich, Italien und Holland hinzu. Noch heute werden im früheren AFA-Werk in Hagen, das mittlerweile zum weltweiten ENERSYS-Konzern gehört, "Sonderbatterien" für die deutsche Bundesmarine sowie für zahlreiche ausländische Seestreitkräfte gefertigt. Auf einem U-Boote werden die Hunderte von einzelnen Zellen umfassende Batterieanlage in eigenen Räumen untergebracht. Die gesamte Batterie eines diesel-elektrischen U-Boots erreichte im Zweiten Weltkrieg ein Gewicht von bis zu 240 Tonnen und war neben den Elektromotoren das Hauptantriebselement für die Unterwasserfahrt. In modernen U-Booten ohne Atomantrieb hat sich daran nicht viel geändert, obwohl die herkömmlichen Blei-Säure-Batterien um ein Vielfaches leistungsfähiger und umfangreicher sind. Die zu Beginn des 21. Jahrhunderts eingeführte U-Bootklasse 212 der Bundesmarine, die erstmalig mit leistungsstarken Brennstoffzellen für den Unterwasserantrieb ausgerüstet wird, stellt zu Beginn des 21. Jahrhunderts den bisherigen Höhepunkt der konventionellen U-Boottechnologie dar.

Geplante Luftangriffe bereits im Ersten Weltkrieg

Bis 1914 spielten die U-Boote in der deutschen Marine eine nur untergeordnete Rolle. Die Produktion von Batterieanlagen war kostspielig und stellte eine Einzelfertigung dar. Auf Grund der "Erfolge" deutscher U-Boote gegen die britische Seefahrt und wegen des im Januar 1917 von Deutschland erklärten "uneingeschränkten" U-Bootkriegs, erhöhte sich der Bedarf von Spezialbatterien erheblich, so dass das Werk Hagen in den letzten beiden Kriegsjahren vollständig ausgelastet war. Dies blieb der britischen Admiralität nicht verborgen, denn bereits 1916 und verstärkt ab 1917 drängte sie auf Luftangriffe gegen die "Tudor works" in Hagen, um den Bau und den Einsatz von U-Booten zu stören. In den 1918 entstandenen Konzepten der Royal Air Force für einen strategischen Bombenkrieg gegen das Deutsche Reich, der im Frühjahr 1919 beginnen sollte, nahm Hagen mit der AFA eine wichtige Position ein. Der Waffenstillstand im November 1918 und Versailler Vertrag bereitete dem Vertrieb von U-Boot- und Torpedobatterien, letztere waren ab 1916 von der AFA und Siemens für Elektotorpedos entwickelt worden, für die deutsche Marine vorläufig ein Ende.

Batterien für U-Boote, Torpedos

Bereits in den 1920er Jahren, seit 1924 bestimmte der Unternehmer Günter Quandt im Konzern, lieferte die AFA über ihre schwedische Tochtergesellschaft wieder U-Bootbatterien, unter anderem auch für den Aufbau der neuen sowjetischen U-Bootflotte. Ab 1934 begann im AFA-Werk Hagen die "offizielle" Fertigung von U-Boot- und Torpedobatterien, seit 1935 auch wieder für die deutsche Marine. Bei Kriegsbeginn richtete die AFA im neuen Zweigwerk Hannover-Stöcken einen modernen Großbetrieb für Spezialbatterien für U-Boote und Torpedos ein, dessen Produktion im Herbst 1940 anlief. 1943 war das AFA-Werk Hannover der leistungsfähigste Lieferant für U-Boot- und Torpedobatterien. 1943 kamen mit Werken in Posen und in Wien-Florisdorf weitere Produktionsbetriebe der AFA für U-Bootbatterien hinzu, so dass das AFA-Werk Hagen auf diesem Herstellungssektor nur einen Teil des Gesamtbedarfes decken musste, was den Alliierten bis Kriegsende unbekannt blieb.

Produktion in Hagen

Die monatliche Produktion von U-Boot- und Torpedobatterien im AFA-Werk Hagen war zwischen 1939 und 1945 unterschiedlich. 1943 betrug sie durchschnittlich 17 U-Boot- und 500 Torpedobatterien verschiedener Baumuster. Die monatliche Gesamtproduktion der AFA-Werke in Hagen, Hannover und Posen betrug zu jener Zeit durchschnittlich 35 U-Boot- und 1500 Torpedobatterien. Neben eines breiten Produktionspektrums unterschiedlicher Zellentypen für verschiedene U-Boottypen fertigte das Werk Hagen seit Sommer 1944 auch einen Großteil der Spezialbatterien für die deutschen Kleinst- U-Boote an. Außerdem bildete das Werk eines der Forschungs- und Entwicklungszentren für U-Boot- und Torpedobatterien der Kriegsmarine. Vom Werk Hagen aus wurde auch die Produktion der AFA-Zweigwerke kontrolliert und gesteuert. Ein weiterer Produktionsschwerpunkt während des Zweiten Weltkrieges bildeten im AFA-Werk Hagen flüssigkeits- und gasdichte Nickel-Cadmium-Akkumulatoren für Flugzeuge der deutschen Luftwaffe und Radar- sowie Feuerleitgeräten der Flakartillerie. Kleine Zellentypen dieser Batteriebaumuster fanden auch in Torpedozündvorrichtungen und als Bordbatterien in der Flugbombe Fi 103 (V1) und der Fernrakete A4 (V2) sowie in weiteren Raketenwaffen Verwendung.

Arbeitskräfte

Bereits im Ersten Weltkrieg beschäftigte die AFA in Hagen russische und französische Kriegsgefangene sowie belgische "Zivilarbeiter". Während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten Hagen und in den AFA-Werken in Hannover, Posen und Wien neben einer deutschen "Stammbelegschaft" vor allem ausländische Arbeitskräfte, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene sowie - in Hannover und Wien - Häftlinge aus Konzentrationslagern. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren aufgrund der Verwendung von Chemikalien, Gummi und Blei in der Produktion besonders gesundheits- und lebensgefährdend.

Alliierte Planungen für Luftangriffe

Das AFA-Werk Hagen tauchte erstmalig im September 1940 in einer britischen Direktive auf. Im Zusammenhang mit Maßnahmen gegen die deutsche U-Boot-Gefahr für die britische Seefahrt wurden auch vom Bomber Command Angriffe gegen deutsche Bauwerfen und U-Boot-Stützpunkte gefordert. Eines der Alternativziele bildete dabei das Werk Hagen der AFA. Die zunehmenden Angriffe deutscher U-Boote gegen die für England lebenswichtige Seeschiffahrt im Winter 1940/41 und Frühjahr 1941 führten am 9. März 1941 zur so genannten Atlantik-Directive, in der vom Bomber Command offensive Bombenangriffe gegen die deutsche U-Bootindustrie und Stützpunkte an der Atlantikküste gefordert wurden. Am 18.03.1941 wurde diese Direktive ergänzt. Unter den hinzugefügten Zielen gehörte auch Hagen mit dem AFA-Werk, das als wichtigstes Werk für U-Bootbatterien bezeichnet wurde. Trotz dieser hohen Priorität kam es zu keinen gezielten Angriffen auf das Stadtgebiet und das AFA-Werk Hagen. Lediglich im August 1942 stand Hagen einige Tage auf der Zielliste für Störangriffe einzelner Mosquito-Bomber. Nach der Direktive vom 18.03.1941 wurde Hagen beim britischen Bomber Command als "naval target", als "Marine-Ziel" geführt. Eine Fehleinschätzung der Alliierten über die tatsächlich hohe Bedeutung von U-Bootbatterien für die Marinerüstung führte 1941 und 1942/43 dazu, dass Hagen von alliierten Bombenangriffen vergleichsweise spät betroffen und vor allem nicht kontinuierlich bombardiert wurde.

Produktionsausfälle durch Bombenangriffe

Im Juli 1943 wurde der U-Bootkrieg wegen der hohen Verluste durch alliierte Luft- und Seestreitkräfte weitgehend eingestellt. Neue U-Boote mit verbesserten und größeren Batterieanlagen, die so genannten Elektro-U-Boote der Klassen XXI und XXIII, sollten nach den Vorstellungen Hitlers und der Marineführung ab 1944 die "Wende" bringen. Allerdings kamen diese U-Boote in nur geringer Stückzahl erst Anfang 1945 zum Einsatz. Kleinst-U-Boote und verbesserte Elektrotorpedos waren weitere Neuentwicklungen in den letzten beiden Kriegsjahren, die ebenfalls Spezialbatterien der AFA als Antriebselemente erhielten. Bei dem ersten Großangriff auf Hagen am 01.10./02.10.1943 wurde auch das AFA-Werk schwer zerstört. Die Produktionsverluste hielten sich jedoch in Grenzen, da die Zweigwerke in Hannover und Posen den Ausfall für die Marinerüstung auffangen konnten. Durch den Reichsminister für Bewaffnung und Munition wurde ein sofortiger Wiederaufbau der zerstörten Werksanlagen unter Beteiligung von über 1000 zusätzlichen Arbeitskräften der Organisation Todt befohlen. Schwerwiegendere Folgen hatte dagegen der zweite Großangriff auf Hagen am 02.12./03.12.1944, der wiederum zu schweren Schäden im Werksgelände führte. Der ebenfalls sofort aufgenommene Wiederaufbau konnte die Produktionsausfälle nicht ausgleichen, da das Werk Hannover seit November 1944 aufgrund Energiemangels lahmgelegt war und das Werk Posen im Januar 1945 von sowjetischen Truppen eingenommen wurde. Die Folge war eine Reduzierung von U-Boot- und Torpedobatterien, die sich 1944/45 auf den Einsatz und die Ablieferung der modernen Elekto-U-Boote auswirkte.

Nachkriegszeit

Der AFA war es in ihrem Stammwerk Hagen möglich, die Produktion von Batterien bereits im Juni 1945 wieder aufzunehmen. Für die drei westdeutschen Besatzungszonen stellte der Betrieb vor allem Starterbatterie für den militärischen Bedarf her, darunter bis 1947 auch Batterien für erbeutete deutsche U-Boote. Das Werk in Hannover lag zu dieser Zeit noch still, das Werk in Posen befand sich wie die PERTRIX- und VARTA-Werke in Berlin in der sowjetischen Besatzungszone. Ab 1954 begann bei der AFA, die 1962 in VARTA Aktengesellschaft umbenannt wurde, wieder die Entwicklung - aufbauend auf dem Stand von 1945 - und Produktion von U-Bootbatterien sowie Antriebsbatterien für Elektrotorpedos.

Literatur

Ralf Blank: Geheime Batteriegeschäfte. Die AFA Hagen und die Chloride Electrical Storage Company Ltd. 1912-1914, in: Hagener Jahrbuch 1 (1995), S. 137-146.
Ralf Blank: "Die Stadt Hagen ist kein leicht zu findender Ort ...". Geplante Bombenangriffe auf Hagen im Ersten Weltkrieg 1914-1918, in: Hagener Jahrbuch 2 (1996), S. 150-165.
Ralf Blank: Die Akkumulatoren Fabrik A.G. in Hagen. 1904-2004: 100 Jahre Batterien für U-Boote, in: Industrie-Kultur 26 (2004) H. 1, S. 2-5.
Rüdiger Jungbluth: Die Quandts. Ihr leiser Aufstieg zur mächtigsten Wirtschaftsdynastie Deutschlands, Frankfurt/New York 2002.
Ralf Stremmel: Adolph Müller (1852-1928), in; Wolfhard Weber (Hg.): Ingenieure im Ruhrgebiet, Münster 1999, S. 74-97.
Ralf Stremmel: Die Akkumulatoren-Fabrik Varta in Hagen und ihre Arbeiter vor dem Ersten Weltkrieg, in: Der Märker 50 (2001) H. 1/2, S. 67-77.
Ralf Stremmel: Vom Gründungsboom zur Strukturkrise. Notizen zur Geschichte der Akkumulatoren-Industrie, in: Industrie-Kultur 26 (2004) H. 1, S. 12-17.

Ralf Blank


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZWashington D.C., National Archive
FOTO-SIGNATUR3-13


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort1.4   Hagen, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet5.10   Kriegszerstörungen, Bombenkrieg
10.6.1   Unternehmen, Unternehmer
10.13   Industrie, Manufaktur
DATUM AUFNAHME2004-04-19
AUFRUFE GESAMT14790
AUFRUFE IM MONAT1350