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(80 KB)   Rathaus Schwalenberg / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt   Rathaus Schwalenberg / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt
TITELRathaus Schwalenberg


INFORMATIONZu Beginn des 13. Jahrhunderts verlegte der Graf von Schwalenberg seinen Wohnsitz von der alten Stammburg der Familie oberhalb des Klosters Marienmünster auf die von ihm neu errichtete Burg Schwalenberg. Schon kurze Zeit später entstand auf halber Höhe des Burgberges eine kleine, halbmondförmige Siedlung, die in einer Quelle bereits 1231 "oppidum Sualenberg" genannt wird. Der Ort war durch einen dichten und tiefen Knick (Dornenhecke) befestigt und mit städtischen Rechten und besonderen Privilegien ausgestattet. Nach zahlreichen Erbteilungen erlosch Mitte des 14. Jahrhunderts das Grafengeschlecht, und der Rest der Herrschaft Schwalenberg fiel an die Edelherren zur Lippe und an das Bistum Paderborn. Beide Landesherren nutzten in der Folgezeit ihren Besitz als Pfandobjekt zu Lasten der Bewohner, so daß die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt stagnierte. Erst der Drost Hermann von Mengersen - von 1526 bis 1558 im Besitz beider Pfänder - führte die Ackerbürgerstadt zu neuer Blüte. Neben zahlreichen alten, meist giebelständigen, mit reichen Schnitzereien überzogenen und farbig gefaßten Fachwerkhäusern zeugt vor allem das 1579 errichtete Rathaus von dieser Blütezeit Schwalenbergs.

Der älteste Bauteil des zweigeschossigen, giebelständigen Rathauses besaß ursprünglich eine offene dreibogige Laube, hinter der eine große Verkaufshalle lag. Für Ratsversammlungen und Gerichtssitzungen sowie Fest- und Tanzveranstaltungen befand sich ein großer Saal im Obergeschoß. Bereits 1603 wurde das Rathaus auf der linken Traufenseite durch einen Flügel erweitert, der die Front zur Straße um eine zusätzliche Bogenstellung ergänzte. Hinter diesem Bogen lag ebenfalls eine Verkaufshalle, während im Obergeschoß eine beheizbare Ratskammer eingerichtet wurde. Das quer zum breit angelegten Satteldach des älteren Gebäudes verlaufende Dach des Anbaus erhielt einen ebenfalls zur Straße gerichteten, kleinen Giebel. Im 18. Jahrhundert ließ die Stadt das gesamte Erdgeschoß umbauen, wobei die offene Laube kurz hinter den Bögen geschlossen wurde. Von einer breiten Diele, die nun der Länge nach das Gebäude durchzog, gingen rechts Stallungen, links Wohn- und Wirtschaftsräume einschließlich einer Schankstube ab. Der große Saal im Obergeschoß wurde durch eine Längsmauer zugunsten der Ratshammer verkleinert. Hinter dieser sind Gefängniszellen angelegt worden.

Die Renaissance führte beim Fachwerkbau neben einem größeren Reichtum der ornamentalen und figürlichen Formen auch zu einer Erweiterung der beschnitzten Flächen. Das Schnitzwerk entwickelte sich nicht mehr nur in Bindung zum Balkengefüge, sondern wurde über die verschiedenen Konstruktionshölzer fortgeführt. Darüber hinaus griff es z.B. durch eingearbeitete hölzerne Brüstungsplatten auch auf die Wände über.

Die korbbogenförmigen Öffnungen der Laube des Rathauses von Schwalenberg sind beim älteren Gebäudeteil mit einem flachen, ährenförmigen Profil überzogen, während sich auf dem Querbalken über den Zwickeln Muschel- und Fächerrosetten - das verbreitetste Ornament der Weserrenaissance -, Sterne und andere Schmuckformen befinden. Die einzelnen Geschosse des Rathauses kragen nur leicht vor und besitzen daher keine stützenden Knaggen. Zwischen den schlichten, an der unteren Kante abgerundeten Balkenköpfen sitzen ebenfalls gerundete Füllhölzer, die mit wechselnden Taubandornamenten verziert sind, welche an der Unterkante der Schwellenbalken, dem unteren Querholz der einzelnen Stockwerke, wiederholt werden. Zudem sind auf den Schwellenbalken wie auf dem Brüstungsriegel Inschriften angebracht, deren Inhalte sich auf die ehemalige Nutzung des Rathauses als Verkaufs- und Gerichtsstätte beziehen. Die Brüstungsflächen sind mit reichem, flach ausgestochenem Ornament bedeckt. Im ersten Obergeschoß zeigt das mittlere Brüstungsfeld zwischen der Jahreszahl "ANNO 1579" auf einer Kartusche drei Wappenschilde: Links die lippische Rose, rechts das Paderborner Kreuz mit seinen vier Kugeln und unten den Stern der Grafen von Schwalenberg. Über dem ANNO ist eine Schwalbe, das Wappentier des Gründers von Schwalenberg, abgebildet. Im Brüstungsfeld links davon ist die "Justitia divina" als Personifikation der Gerechtigkeit mit Schwert und Waage dargestellt und im Feld rechts ein Löwe mit doppeltem Schweif und ein Greif, zwischen denen ein Baum aufragt. In den äußeren Brüstungsfeldern befinden sich, gerahmt von unterschiedlichen Ornamenten, je zwei Muschel- und Fächerrosetten. Auch die Brüstungen der beiden Obergeschosse sind mit verschiedenen Variationen dieser Rosetten verziert, während die lippische Rose die Spitze des Giebels schmückt.

Trotz der einheitlichen Erscheinung beider Gebäudeteile besitzt der Anbau in seinen Einzelformen einen eigenen Charakter. Der Bogen der Laube ist schlicht gehalten, nur der Ständer ist mit aufsteigendem Ornament verziert. Wie beim älteren Bauwerk kragen die Geschosse nur leicht vor, und auch die Balkenköpfe sind bis auf die äußeren, die in Form von menschlichen Köpfen gearbeitet sind und einen eisernen Ring im Mund tragen, entsprechend behandelt. Die Füllhölzer zeigen im ersten Obergeschoß Eierstäbe und in den darüberliegenden Etagen Zahnschnitt, die Stockwerkschwellen, haben jedoch nur ein leichtes Profil. Anstelle der Fächerrosetten sind die Brüstungen hier mit unterschiedlichem Beschlagwerk ausgestattet, das wie der Zahnschnitt ein typisches Ornament der Spätrenaissance ist. Auf den Brüstungsfeldern wie auch auf den Riegeln über den Brüstungen befinden sich Akanthusranken, die teilweise in phantastischen Köpfen oder Figuren enden. Die Ständer, soweit sie nicht vom Schnitzwerk der Brüstungen überzogen sind, verfügen über selbständigen Schmuck oder eine architektonische Gliederung, die ihre stützende Bestimmung betont. So zeigt der mittlere Pfosten im ersten Obergeschoß in Brüstungshöhe eine Schlange am Kreuz und darunter die Jahreszahl der Errichtung des Anbaus, während die obere Hälfte ebenso wie der Ständer des Dachgiebels und die in gleicher Höhe schräg liegenden Sparrenhölzer kanneliert sind. Aus dem Eckständer im ersten Geschoß ist über der Brüstung eine ionische Säule herausgestochen. Auch hier ziert eine lippische Rose die Giebelspitze.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwarb die Stadt den rechts an das Rathaus grenzenden Thomashof und ließ in den Jahren 1905 bis 1908 einen weiteren Rathausflügel errichten. Dieser wurde in seiner Bauart und Holzarchitektur dem alten Rathaus angeglichen. Insgesamt ist das Rathaus in Schwalenberg n seiner großen Vielfalt der ornamentalen wie auch farblichen Gestaltung ein gutes Beispiel für die Entwicklung des Fachwerkbaus der Weserrenaissance. Zugleich tritt hier im äußeren Aufbau die ursprünglich doppelte Funktion des Rathauses als Verkaufs- und Versammlungsort der Bürger durch die offene Laube im Erdgeschoß und die durchgehende Fensterfront im Obergeschoß noch einmal klar in Erscheinung.


Literatur

P. Lehmgrübner
Mittelalterliche Rathausbauten in Deutschland. Mit einem Überblick über die Entwicklung des deutschen Städtewesens, 1. Teil: Fachwerkrathäuser, Berlin 1905.

H. Rasch
Stadt und Land Schwalenberg, Detmold 1967.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt


QUELLE    Killing, Anke | Historische Rathäuser in Westfalen | Dia 14, S. 53-56
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Ort2.5.15   Schieder-Schwalenberg, Stadt
Sachgebiet3.11   Städte und Gemeinden, Ober-/Bürgermeister/Ober-Bürgermeisterin, Mitarbeiter
15.8   Architektur, Baudenkmäler, Architekt/Architektin
DATUM AUFNAHME2004-02-26
AUFRUFE GESAMT4078
AUFRUFE IM MONAT155