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(55 KB)   Günther Ransenberg, 1938, hingerichtet 1942 im KZ Niederhagen/Wewelsburg / Privatbesitz   Günther Ransenberg, 1938, hingerichtet 1942 im KZ Niederhagen/Wewelsburg / Privatbesitz
TITELGünther Ransenberg, 1938, hingerichtet 1942 im KZ Niederhagen/Wewelsburg
DATIERUNG1938
DATIERUNG HANDLG.1938


INFORMATIONGünther Ransenberg war fünfzehn Jahre alt, als er starb. Die in seiner Sterbeurkunde vom 15.04.1942 (Dokument 4  Quelle) angegebene Religionszugehörigkeit und der Zwangsname "lsrael", den seit 1939 alle männlichen Juden tragen mußten, weisen ihn als deutschen jüdischen Jungen aus. Die Todesursache "Erhängen auf Anordnung des Reichsführers SS" führt zu der Frage, aufgrund welchen Verbrechens der Minderjährige in Wewelsburg getötet wurde.

Günther Ransenberg wurde 1926 als drittes von sechs Kindern des Metzgermeisters Jakob Ransenberg in Wennemen bei Meschede in Westfalen geboren. Der Vater fand Arbeit bei einem Tiefbauunternehmen, als er wegen des Verbots für Juden, ein Geschäft zu führen, 1938 seine Metzgerei schließen mußte. Der älteste Sohn, Rolf, geboren 1923, wanderte vor dem Krieg in die USA aus und besuchte vor einigen Jahren seinen Heimatort. Ebenso überlebte der zweite Sohn Friedel die Nazi-Herrschaft, obwohl er bereits 1941 in ein Konzentrationslager eingeliefert worden war. Der vierzehnjährige Günther wurde nach dem Schulabschluß 1941 einer Arbeitsstelle bei dem Tiefbauunternehmen zugewiesen, bei dem auch sein Vater zwangsweise beschäftigt war. Anfang März 1942 arbeitete er in einer Arbeitskolonne im Eisenbahnoberbau in der Nähe von Bestwig im Sauerland. In einer Frühstückspause warf er anscheinend aus einer Gruppe von etwa gleichaltrigen Arbeitskollegen mit Schneebällen auf vorübergehende Mädchen. Der gelbe Davidstern an seiner Kleidung kennzeichnete ihn als Juden; noch am gleichen Tage wurde er auf der Baustelle von der Gestapo verhaftet und abgeführt. Seine Familie erhielt erst Nachricht nach seiner "Hinrichtung" wegen "Rassenschande". Ein harmloser Schneeballwurf auf ein "arisches" Mädchen war also ein todeswürdiges Verbrechen! - Die Mutter starb am 29.04.1942, 14 Tage nach dem gewaltsamen Tod ihres Sohnes, an "Herzversagen", wie die Todesurkunde nüchtern vermerkt. Wenige Wochen später begann der Leidensweg ihres Mannes und der drei jüngeren Kinder - das jüngste war ein Mädchen von gerade sieben Jahren. Im Sommer sandte sie eine Karte aus Theresienstadt an eine Nachbarin, bei der sie immer gespielt hatte. Am 30.07. hatte ihr Transport aus Dortmund die tschechische Kleinstadt erreicht, die die Nationalsozialisten zum "Ghetto" für Juden aus ganz Europa erklärt hatten. Viele Menschen erlagen dort - wie von den Organisatoren geplant - Hunger und Krankheiten. In Kenntnis dessen und aufgrund der Tatsache, daß der letzte zu ermittelnde Aufenthaltsort Theresienstadt war, beschloß das Amtsgericht Meschede am 31.01.1949, auf den Geburtsurkunden des Vaters und der drei jüngsten Kinder den Vermerk anbringen zu lassen: "Gestorben in Theresienstadt am 1. August 1942". In Wirklichkeit wurden der Vater und die Kinder Alfred und Inge Ransenberg im Herbst 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Sohn Heiner.

Günther Ransenberg war kein Häftling des KZ Niederhagen. Wie die sowjetischen Kriegsgefangenen und "Fremdarbeiter" gehörte er zu der Gruppe von 56 Gestapo-Gefangenen, die gezielt zur Hinrichtung in den Zellenbau des KZ eingeliefert wurden, denn wie alle Konzentrationslager war Niederhagen Hinrichtungsort für die umliegenden Gestapo(leit)stellen. Mit Kriegsbeginn hatte die Geheime Staatspolizei 1939 auf Weisung Hitlers das "Recht" erhalten, Menschen ohne gerichtliches Verfahren zu töten. Ein Erlaß Heydrichs, des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS (und damit auch der Gestapo), bestimmte, daß Personen, deren Handlungen wegen "ihrer Verwerflichkeit, ihrer Gefährlichkeit oder propagandistischen Auswirkung besonders schwerwiegend" seien, von der Polizei sogleich der Gestapo gemeldet werden sollten, damit diese durch sofortige Verhängung von "Schutzhaft" der - nach dem Gesetz vorgeschriebenen - Vorführung solcher Personen vor den Ermittlungsrichter zuvorkommen könne. In Fällen, wo nach Ansicht der Gestapo eine "Sonderbehandlung" angezeigt war (das war der offizielle Deckname für Ermordung), sollte sofort nach Berlin berichtet werden. Himmler selbst behielt sich das Recht vor, die "Hinrichtungen" anzuordnen. [1]


[1] M. Broszat, Nationalsozialistische Konzentrationslager, in: Anatomie des SS-Staates 2, S. 88


TECHNIKFoto
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OBJEKT-PROVENIENZPrivatbesitz


QUELLE    Hüser, Karl / Brebeck, Wulff E. | Wewelsburg 1933-1945 | Dia 05, S. 33-35
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.7.4   Büren, Stadt
Sachgebiet3.2   Politische Ideologien
DATUM AUFNAHME2004-02-25
DATUM ÄNDERUNG2015-05-26
AUFRUFE GESAMT6577
AUFRUFE IM MONAT669