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Das rasante Wachstum der Schülerzahlen durch die Aufnahme der Flüchtlinge und Vertriebenen sowie die Zerstörung von Schulen im Bombenkrieg machen vielerorts den Neubau von Schulen nötig. Das Bild zeigt die Grundsteinlegung der Alexanderschule in Raesfeld 1949 (Ausschnitt) / LWL-Medienzentrum für Westfalen







Aufwachsen in Westfalen

Krisenjahre und Aufbruchsstimmung -
die Nachkriegszeit in Deutschland
1945-1965



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Inhaltsverzeichnis
Veronika Jüttemann /  Einleitung

Thomas Abeler /  1. Von der Not zur Normalität

Adalbert Hoffmann /  2. Kriegskinder

Ursula Janik /  3. Freizeitverhalten von Jugendlichen

Hans-Peter Johannsen /  4. Töchterheim Sonnenwinkel

Edith Kreyenschulte /  5. Vertriebenenkinder

Angela Prinz /  6. "Aufwachsen" im Sportverein

Norbert Schäfers / Roland F. Stiegler /  7. Besatzungskinder

Wilfried Voß /  8. Evangelische Kindheit



 
 




Norbert Schäfers /
Roland F. Stiegler

Verschleierte Kindheit und Jugend - Besatzungskinder

 
 
Gliederung
1. Einleitung | 1.1 Begründung der Themenwahl und Zielsetzung des Projektes | 1.2 Definition "Besatzungskinder" und Abgrenzungen | 1.3 Verwendete Quellen | 1.4 Zum Stand der Forschung | 1.5 Vorgehendweise der Untersuchung und Aufbau der Darstellung

2. Die historischen Rahmenbedingungen | 2.1 Kriegsende |
2.2 Von der Militärregierung über das Besatzungsstatut zu den Pariser Verträgen | 2.3 Fraternisierungsverbot |
2.4 Besatzungskosten | 2.5 Geschlechterbeziehungen

3. Aufwachsen in Nachkriegsdeutschlqand |
3.1 Lebenssituation unehelicher Kinder und ihrer Mütter |
3.1.1 Lebenssituation von Mädchen | 3.1.2 Lebenssituation von Frauen | 3.1.3 Lebenssituation von unehelichen Kindern |
3.2 'Sonderfall' Besatzungskinder? | 3.2.1 Statistische Daten |
3.2.1.1 Bundesrepublik Deutschland | 3.2.1.2 Nordrhein-Westfalen | 3.2.1.3 Münster | 3.2.2 Wahrnehmung und Behandlung der Mütter und ihrer unehelichen Besatzungskinder |
3.2.2.1 Wahrnehmung und Behandlung durch die Öffentlichkeit |
3.2.2.2 Wahrnehmung und Behandlung durch deutsche Behörden, Verbände und Institutionen | 3.2.2.3 Wahrnehmung und Behandlung durch die deutsche Politik | 3.2.2.4 Wahrnehmung und Behandlung durch die britischen Militärbehörden |
3.2.3 Rechtlicher Status der Mütter und ihrer unehelichen Besatzungskinder gegenüber den Vätern

4. Biographische und typologische Vertiefung: Lebensläufe einzelner Besatzungskinder | 4.1 Hans Busch |
4.1.1 Hintergrund | 4.1.2 Lebensgeschichte |
4.1.2.1 1946-1951: Kindheit in Hiltrup | 4.1.2.2 1951-1960: Kinderheim in Hamm und Schulzeit | 4.1.2.3. 1960-1962: Lehrjahre und stürmische Jugend | 4.1.2.4 Kontaktaufnahme zur Mutter und neue Lehre | 4.1.3 Klare Perspektiven und Neubeginn |
4.2 Alfred Lüttecke | 4.2.1 Hintergrund |
4.2.2 Lebensgeschichte | 4.2.2.1 Ab 1946: Aufwachsen in der neu gegründeten Familie | 4.2.2.2 Ab 1952: Schulzeit |
4.2.2.3 1960: Adoption durch Herrn Lüttecke | 4.2.2.4 Nach der Schulzeit-Lehrjahre | 4.2.2.5 Ab 1964: Erste Arbeitsstelle |
4.2.2.6 Ab 1966: Bundeswehr, erste Heirat, Scheidung und zweite Heirat | 4.2.2.7 Ab 1994 Die Suche nach dem leiblichen Vater | 4.3 Erwin Kostedde | 4.3.1 Hintergrund |
4.3.2 Kindheit und Jugend | 4.3.3 Karriere und "Scheitern" |
4.4 Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen

5. Ergebnisse: Versuch, aus den gewonnenen Mosaiksteinen ein Bild zu formen - Besatzungskinder | 5.1 Britische Besatzungskinder | 5.2 Reaktionen auf die Existenz von Besatzungskindern | 5.2.1 Reaktionen der deutschen Öffentlichkeit | 5.2.2 Reaktionen deutscher Behörden, Verbände und Institutionen | 5.2.3 Reaktionen der deutschen Politik |
5.2.4 Reaktionen der britischen Militärbehörden | 5.3 War ein 'normales' Aufwachsen möglich? | 5.4 'Verschleierte Kindheit und Jugend - Besatzungskinder' | 5.5 Ausblick und Dank

6. Anhang | 6.1 Archive | 6.2 Quellen- und Literaturverzeichnis | 6.3 Interviews
 
 
 

"Wenn ich mir so überlege,
dass bei mir eine solche
Abstammung gegeben gewesen wäre,
dann hätte ich das sicher
auch lieber stiekum gehalten.“ [1]

 
 
 
 

1. Einleitung

 
 
 

1.1 Begründung der Themenwahl und
Zielsetzung des Projektes

 
 
 
Wenn man vor der Aufgabe steht, im Rahmen des übergeordneten Gruppenthemas 'Aufwachsen in Westfalen 1945 - 1965' einen Ausschnitt aus dem Teil der neueren Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands, der im allgemeinen mit der Bezeichnung Nachkriegszeit belegt wird, ins Auge zu fassen, sieht man sich einer Überfülle von Themenstellungen gegenüber, die es zu bearbeiten lohnt. Kindheit und Jugend in der damaligen Zeit näher zu betrachten, ist besonders lohnenswert, weil darauf zu schauen bedeutet, sich mit den prägenden Kräften auseinander zu setzen, die aus Zeitgenossen Generationen machen und im konkreten Fall in den Biographien vieler noch heute Lebender eine entscheidende Rolle gespielt haben. Wie immer in der Geschichte gab es nicht 'die' Kindheit und Jugend, sondern unterschiedliche Kindheiten und Jugenden. Betrachtet man die private wie wissenschaftliche 'Erinnerungsarbeit' der letzten Jahrzehnte, kann man zu dem Schluss kommen, dass im Laufe der Zeit immer wieder andere Kindheiten und Jugenden besondere Aufmerksamkeit erfahren haben.

Dies gilt auch für die Kinder, die auf ganz besondere Weise den Gegebenheiten der Nachkriegszeit in Deutschland geradezu ihre Existenz verdanken: den sogenannten Besatzungskindern. Das Interesse richtet sich auch deshalb auf diese Kinder, weil sie - ausweislich zeitgenössischer Reaktionen, wie auch nach Ansicht der späteren Literatur - zur Projektionsfläche vielschichtiger kultureller, gesellschaftlicher, ideologischer und politischer Einstellungen und Verhaltensweisen geworden sind und bis heute werden. [2]

Ein Feld dieser Projektionen sind mit Sicherheit die Medien. So gipfelte die öffentliche Wahrnehmung der Besatzungskinderproblematik in den 1950er Jahren in dem Film 'Toxi'. [3] Doch mit zunehmendem Abstand zum Kriegsende verliert das Thema an Aufmerksamkeit. [4] Erst seit Ende der 1980er Jahre tritt die Thematik wieder stärker ins Bewusstsein [5], zeitentsprechend taucht sie dabei auch häufiger im Medium Fernsehen auf. [6]

Von den Eindrücken, die von solcher neuerlichen öffentlichen Beschäftigung mit der Problematik ausgehen, kommt auch die Idee zur Wahl des Untersuchungsthemas. Es fällt nämlich auf, dass man inzwischen durchaus das eine oder andere über Besatzungskinder amerikanischer, französischer oder russischer Herkunft in Erfahrung bringen kann (ergänzt um Berichte über die deutschstämmigen Wehrmachtskinder sowie deren jeweiligen Mütter), jedoch weitgehend Unkenntnis über britische Besatzungskinder und ihre deutschen Mütter besteht. [7] Dieser äußerliche Eindruck, der bis zu dem abenteuerlichen Gedanken führen kann, ob es britische Besatzungskinder in nennenswerter Anzahl überhaupt gegeben habe, gab letztlich den Anstoß dazu, das Thema aufzugreifen.

Als Zielsetzungen für das Forschungsprojekt werden daher bestimmt,
  • Belege zu finden, (ob) und in welcher Anzahl britische Besatzungskinder geboren wurden und solche Zahlen insbesondere für Nordrhein-Westfalen und Münster dingfest zu machen,
  • Reaktionen der Besatzungsmächte und deutscher offizieller Stellen auf die Existenz dieser Kinder und die Situation ihrer Mütter zu dokumentieren,
  • die Reaktionen der zeitgenössischen Öffentlichkeit sowie das Umfeld der Betroffenen zu erkunden,
  • zu untersuchen, ob für die betreffenden Kinder ein weitgehend 'normales' Aufwachsen, insbesondere auch im Vergleich zu anderen unehelichen Kindern, gegeben war, oder ob sie Benachteiligungen und Einschränkungen ausgesetzt waren,
  • zu begründen, warum die Kindheit und Jugend der Besatzungskinder als 'Verschleierte Kindheit und Jugend' betrachtet werden.
 
 
 

1.2 Definition Besatzungskinder
und Abgrenzungen

 
 
 
Die sachliche Abgrenzung der Untersuchungsobjekte macht insofern kaum Schwierigkeiten, als hierzu in der Literatur weitgehende Übereinstimmung besteht. Besatzungskinder sind Kinder, die aus einer Verbindung zwischen einem männlichen Angehörigen fremder Truppen auf einem besetzten/eroberten Territorium und einer auf diesem Territorium lebenden Einwohnerin hervorgehen und nicht ehelich legitimiert werden. [8]

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass in der englischen Sprache kein analoger Terminus zum deutschen 'Besatzungskind' existiert; im Wörterbuch findet sich eine umständliche Umschreibung als Übersetzung [9]. Darf man an dieser Stelle vielleicht schon vermuten, dass etwas, wofür man keinen prägenden Begriff hat, auch als Problem nur undeutlich wahrgenommen wird?

Als zeitliche Eingrenzung hatten die Autoren, wie für das Gesamtprojekt bestimmt, zunächst auch die Jahre vorgesehen, die verbreitet zur Bestimmung der Periode der Nachkriegszeit in Deutschland herangezogen werden: 1945 bis 1965. Im Laufe der Recherchen wurde jedoch deutlich, dass man aus mehrfachen Gründen zumindest den Schwerpunkt der Darstellung auf die Zeugungsjahre der Besatzungskinder im eigentlichen Sinne beschränken sollte: 1945 bis 1955. [10]

Auch bei der regionalen Abgrenzung mussten - mit Rücksicht auf die Quellenlage - Änderungen vorgenommen werden; zunächst war sie mit Münster und das Münsterland [11] getroffen worden, dann musste sie auf Westfalen [12] erweitert werden. Daneben lässt die Quellenlage aber gar keine andere Wahl zu, als dass man, wenn man denn Aussagen über britische Besatzungskinder treffen möchte, froh über Informationen aus der gesamten britischen Besatzungszone sein muss.

Eine weitere Anpassungsnotwendigkeit ergab sich im Lauf der Arbeit hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes selbst, den Besatzungskindern. Zunächst war vorgesehen, diesen auf die britischen Besatzungskinder zu begrenzen. Da in den britischen Besatzungstruppen kaum farbige Soldaten gedient haben, konnte es folglich auch kaum farbige britische Besatzungskinder geben. Bei der Suche nach britischen Besatzungskindern als Zeitzeugen und nach intensivem Studium der verfügbaren Quellen stellte sich jedoch heraus, dass britische Besatzungskinder nur sehr schwer zu identifizieren sind. Hinzu kommt, dass sich ein in der Nähe von Münster von einem amerikanischen Soldaten gezeugtes farbiges Besatzungskind zu einem Interview bereiterklärt hatte und sich der Lebensweg eines weiteren, ebenfalls von einem amerikanischen Soldaten gezeugten farbigen Besatzungskindes aus dessen öffentlichen Äußerungen rekonstruieren ließ. Da beide in Münster geboren wurden und aufgewachsen sind, lag es nahe, den Untersuchungsgegenstand auf alle Besatzungskinder, die in der britischen Besatzungszone geboren wurden, zu erweitern. Dies hat zur Folge, dass in den weiteren Ausführungen auch auf die besondere Situation der farbigen Besatzungskinder eingegangen wird.
 
 
 

1.3 Verwendete Quellen

 
 
 
Bei der Recherche geeigneter Quellen für diese Arbeit mussten die Autoren sehr schnell feststellen, dass es über amerikanische Besatzungskinder, und hier insbesondere über die farbigen, eine Vielzahl von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und sonstige Literatur gibt. Aber ganz anders sieht es aus, wenn, wie bei diesem Projekt vorgesehen, die britischen Besatzungskinder im Fokus stehen sollen. Dies gilt für die Kinder in der gesamten britischen Besatzungszone und somit auch für die in Münster und Westfalen Geborenen. Hier war wahre Detektivarbeit nötig, um die spärlich vorhandenen Literaturquellen aufzuspüren. Hinzu kamen Recherchen in Archiven, wie dem Stadtarchiv Münster, dem Bundesarchiv in Koblenz, dem Archiv des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg, den Archiven des Statistischen Bundes- und Landesamtes Nordrhein-Westfalen, des Zeitungs- und Pressearchivs der ULB Münster und des Archivs der Westfälischen Nachrichten in Münster. Eine von den Autoren angestrebte Zusammenarbeit mit dem British National Archive in Kew bei London, in dem die Akten der britischen Militärregierung gelagert sind, erwies sich schon auf Grund der räumlichen Distanz als problematisch. Desweiteren erwies sich die Identifizierung der für dieses Projekt relevanten, dort gelagerten Akten, als äußerst schwierig. Eine weitere Quelle stellen drei ausführliche Interviews dar, die die Autoren mit Zeitzeugen geführt haben. Zwei davon mit in Münster geborenen Besatzungskindern und ein weiteres mit einem ehemaligen Soldaten der britischen Streitkräfte. Der Lebensweg eines dritten, ebenfalls in Münster geborenen farbigen Besatzungskindes wurde aus dessen öffentlichen Äußerungen rekonstruiert.
 
 
 

1.4 Zum Stand der Forschung

 
 
 
Andeutungen zu Forschungsdefiziten sind für den Fall der britischen Besatzungskinder schon gemacht worden und werden im Folgenden noch vertieft; an dieser Stelle soll der Blick aber erst einmal auf das Themenfeld Besatzungskinder generell gerichtet werden. Zu unterscheiden sind dabei Versuche von vor allem zeitgenössischen systematischen Bestandsaufnahmen einerseits und von nachträglichen wissenschaftlichen Analysen andererseits.

Zunächst zu den ersteren. Im kleineren regionalen Rahmen beginnt man schon früh, sich durch statistische Erfassung einen Überblick zu verschaffen; zu nennen wären hier Bemühungen in Bayern [13] oder in Hamburg. Pionierarbeit leistet eine Erhebung des Caritasverbandes, der 1952 eine eigene Umfrage bei allen westdeutschen Jugendämtern startet. Mit Abschluss der Besatzungszeit erfolgt dann quasi als Bilanz für die Bundesrepublik Deutschland die Erfassung der Besatzungskinder durch das Statistische Bundesamt. [14] In den ersten Nachkriegsjahren werden wissenschaftliche Analysen unternommen, von denen einige nach heutigem Stand wegen oft rassistischer Grundgedanken nur als höchst problematisch angesehen werden können. [15] Ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre 'verschwindet' dann das Thema fast vollständig aus dem Fokus wissenschaftlichen Interesses; eine zeitgenössische Autorin stellte dazu zutreffend fest:
"Es gibt in Deutschland Publikationen über die farbigen Besatzungskinder, Prüfungsarbeiten, Dissertationen. Sie fallen in die Jahre 1950 bis 1960. [...] Doch keine Publikation gibt heute darüber Auskunft, was aus ihnen geworden ist." [16]

Ähnliches gilt für die öffentliche Wahrnehmung, abgesehen von vorübergehender Aufmerksamkeit für einzelne Personen (z. B. Fußballspieler wie Erwin Kostedde), bei denen man schon auf Grund der Hautfarbe registriert, dass sie farbiger Herkunft sind.

Eine Renaissance des Themas ist dann erst wieder in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren auszumachen. Eine Reihe von Gründen lassen sich dafür annehmen. Die Besatzungskinder selbst erreichen nunmehr ein Alter, in dem ein Überdenken der eigenen Lebensgeschichte und ein Abschluss der Suche nach der eigenen Identität auch ganz allgemein biographisch häufiger auftreten. Die Mütter treten in ein hohes Alter ein oder sind gar schon verstorben, so dass auch in dieser Hinsicht keine inneren und äußeren Hemmnisse mehr verspürt werden, dies auch öffentlich zu machen. Für die Wissenschaft ist der Abstand zum Geschehenen groß genug geworden, um wirklich als historisch angesehen werden zu können. Und nicht zuletzt scheint sich in diesen Jahren der Fokus des historischen Interesses in Deutschland langsam von der nationalsozialistischen Epoche zu lösen und sich mehr und mehr Nachkriegsprozessen zuzuwenden.

Geradezu Konjunktur erlebt das Thema seit etwa Mitte des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts. Wie oben schon erwähnt, 'steigen' die Medien auf die Thematik 'wieder ein' und ebenso ist auch ein sich verstärkendes Interesse der Wissenschaften hieran zu spüren. Das zeigt sich beispielhaft an der Gründung von zwei umfassenden Wissenschaftler(innen)-Netzwerken, die sich der Bearbeitung von Forschungsfeldern verschrieben haben, von denen eines mit dem unseren übereinstimmt, das andere dicht angrenzt. Bei letzterem handelt es sich um die Forschungsinitiative 'Democracy, Law and Intimacy: Toward a Moral History of Postwar Europe'. [17] Bei den gemeinsamen Bemühungen geht es darum zu zeigen, inwieweit die moralisch und normativ gestützten Beziehungen und Verhaltensweisen der Lebenswelt dazu beitragen konnten, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa demokratische und zivilgesellschaftliche Muster und Strukturen, im Anschluss an Zeiten in denen sie 'quasi ausgelöscht' waren, wieder etablieren konnten. Dass dabei auch Fragen von Sexualität, Geschlechterbeziehungen und Sozialisation angesprochen werden, liegt auf der Hand. Bemerkenswert ist vielleicht noch, dass die überwältigende Mehrzahl der beteiligten Forscher(innen) ihre wissenschaftliche Heimat in Kanada und den USA haben - auch wenn eine Reihe deutsche Wissenschaftsmigranten(innen) darunter sind.

Noch verwandter sind die Bemühungen der Autoren mit der Arbeit eines Forscher(innen)-Verbundes, der erst seit kurzer Zeit existiert: 'Children born of war'. Dieser Verbund integriert das Thema Besatzungskinder und weitet es zugleich enorm aus. Das 'Manifest' dieser Gruppierung sagt dazu folgendes: Untersuchungsgegenstand ist für die Beteiligten 'Children born of war', d.h. 'children fathered by foreign soldiers and local mothers'. [18] Das schließt ein: die Kinder amerikanischer und kanadischer Soldaten in England ab 1943, die Kinder deutscher Wehrmachtsangehöriger in zahlreichen Ländern Europas und die Kinder von Mitgliedern der Besatzungstruppen in Deutschland und Österreich nach 1945. Darüber hinaus werden solche Kinder aus Kriegen rund um die Welt bis in die jüngsten Zeiten (Balkanstaaten, Afrika usw.) ins Auge gefasst, mit dem hohen Ziel, ihnen auf Grund der Forschungsergebnisse zur Vergangenheit vielleicht Nachteile und Leiden in ihrem zukünftigen Leben ersparen zu helfen. [19]

Der Forschungsstand zu den eben aufgeführten verschiedenen Gruppen von Abkömmlingen fremder Truppen stellt sich sehr unterschiedlich dar. Hält man den Blick auf die Bundesrepublik Deutschland, so liegt der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Darstellungen - wie auch in den Medien - bei den deutsch-amerikanischen Beziehungen und den daraus hervorgegangenen Kindern. [20] Darüber hinaus konzentrieren sich viele Beiträge sogar ausschließlich auf die farbigen Besatzungskinder. Eindeutig vernachlässigt - von öffentlicher Aufmerksamkeit im Allgemeinen wie auch von der Forschung - sind dagegen britische Besatzungskinder. Lediglich eine einzige längere wissenschaftliche Ausarbeitung liegt bis jetzt vor, die sich mit Beziehungen zwischen britischen Soldaten und Frauen in den besetzten Ländern beschäftigt - nicht jedoch innerhalb der Bundesrepublik, sondern am Beispiel der Steiermark. [21] Der Stand der Forschung im Hinblick auf Besatzungskinder in der britischen Zone lässt sich kaum besser beschreiben, als mit den Worten von Sabine Lee, einer international anerkannten Expertin auf diesem Arbeitsgebiet:
"Sie haben völlig recht, dass das Thema der britischen Besatzungskinder in Deutschland wissenschaftlich noch nicht annähend zufriedenstellend aufgearbeitet ist. Dies hat eine Fülle von Gründen..." von denen Sabine Lee dann einige aufzählt. "Eines der Hauptprobleme der Forschung ist, dass es sich bei dieser Gruppe der Besatzungskinder weitgehend um eine 'versteckte Bevölkerungsgruppe' handelt, die oft selbst nur bruchstückhaft um die eigene Identität wusste und weiß. Desweiteren fällt bei der bisherigen Forschung auf, dass oft der Frage der Situation der Mütter nachgegangen wird, aber die Frage der Erfahrungen der Kinder nicht untersucht wird". [22]
 
 
 

1.5 Vorgehensweise der Untersuchung
und Aufbau der Darstellung

 
 
 
Entsprechend den bisherigen Überlegungen wird folgende Vorgehensweise eingeschlagen: Im nächsten Kapitel sollen die historischen Rahmenbedingungen, die auf die Entstehung und das Aufwachsen von Besatzungskindern in Deutschland nach 1945 Einfluss hatten, umrissen werden.

Das dritte Kapitel stellt den Kern der Untersuchung dar. Hier geht es um die Besatzungskinder selbst, wobei Vergleiche mit anderen Kindern und Jugendlichen in dieser Zeit, insbesondere unehelichen, gezogen werden. Vorgegangen wird hier im Sinne der traditionellen Methode der Quellenauswertung und -einschätzung. Analytisch gesehen wird sowohl die Makroebene (umfassende Autoritäten), wie die Mikroebene (Lebenswelt der Kinder) angesprochen, ergänzt durch die Einbeziehung der Mesoebene wie zum Beispiel Medien oder Wohlfahrtsorganisationen. Im Fokus stehen dabei stets die britischen Besatzungskinder, wenn auch die Quellenlage (siehe oben) vielfach nichts anderes zulässt, als ihre Situation unter Einbeziehung von Materialien zu Besatzungskindern in Westdeutschland insgesamt darzustellen.

Um auch einen konkreten Eindruck des Lebens von Kindern britischer Herkunft zu vermitteln, fasst das vierte Kapitel zusammen, was Zeitzeugeninformationen ergaben.

Die Analyse soll schließlich auf folgendes hinauslaufen: Die Interviews und Quellenauswertungen werden dazu benutzt, das möglicherweise Typische der Lebensläufe von Besatzungskindern zu ermitteln. Untersuchungen anderer Gruppen solcher Kinder liefern dazu Hinweise und Anregungen. Komplementär dazu werden aber auch individuelle Unterschiede beleuchtet.

Letztlich wird angestrebt, aus einem gesammelten Vorrat an Mosaiksteinen ein nachvollziehbares 'Bild des Besatzungskindes' in der britischen Zone zusammenzusetzen. Unvermeidlich aber werden ganz am Ende Forschungsdesiderate zu markieren sein.
 
 
 
 

2. Die historischen Rahmenbedingungen

 
 
 
Um zu verstehen, in welchem Umfeld Besatzungskinder und ihre Mütter in den Nachkriegsjahren aufwachsen bzw. leben, erscheint es den Autoren angebracht, zunächst auf die hierfür wesentlichen allgemeinen historisch-politischen und -gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Nachkriegsdeutschland einzugehen. Die sich hieraus jeweils ergebenden Konsequenzen für die Besatzungskinder, deren Mütter und Väter werden in Kapitel 3. ausführlich behandelt.
 
 
 

2.1 Kriegsende

 
 
 
Nach fast sechsjähriger Dauer endet der Krieg in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Nachdem die Kapitulationserklärung unterzeichnet ist, verschwindet mit Wirkung zum 8. Mai 1945 Deutschland als Staat von der politischen Landkarte. Mit der bedingungslosen Kapitulation verlangen die Alliierten nicht nur, wie sonst in bewaffneten Konflikten üblich, vom Kriegsgegner Deutschland die Waffenstreckung zur Einstellung der Feindseligkeiten, sondern die militärisch-politische Totalkapitulation [unconditional surrender]. [23] Mit der Junideklaration vom 5.6.1945 übernehmen die Alliierten die Regierungsgewalt in ihren jeweiligen Besatzungszonen. [24]

Nachdem britische und amerikanische Soldaten Ende März bei Wesel den Rhein überqueren, kommt das Kriegsende in Westfalen nur kurze Zeit später im April 1945. Münster wird bereits am Abend des 2. April 1945, einem Ostermontag, von amerikanischen und britischen Panzertruppen und Fallschirmjägern besetzt. [25]
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Einnahme Münsters durch britische und amerikanische Verbände im April 1945
 
 
 
 
 
 

2.2 Von der Militärregierung über das
Besatzungsstatut zu den Pariser Verträgen

 
 
 
Für Deutschland als Ganzes ist nach Kriegsende als oberstes Regierungsorgan ein Alliierter Kontrollrat zuständig. [26] Gleichzeitig wird angekündigt, dass der Kontrollrat die Gründung politischer Gruppierungen unterstützen wird, um das Land langfristig an eine eigene deutsche Regierung zu übertragen. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Potsdamer Konferenz [27] hat der Alliierte Kontrollrat seinen Sitz in Berlin und tritt am 30.6.1945 erstmals zusammen. [28] Er sorgt durch Proklamationen, Gesetze und Befehle dafür, dass die Ergebnisse der Potsdamer Konferenz in den jeweiligen Besatzungszonen umgesetzt werden.

Im Laufe der nächsten Jahre normalisieren sich die Verhältnisse in Deutschland soweit, dass am 24.5.1949, einen Tag nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, die staatliche Situation des Landes im Westen mit Gründung der Bundesrepublik neu geregelt wird. Diesem Umstand tragen die drei westlichen Besatzungsmächte dadurch Rechnung, dass sie mit Wirkung vom 10.5.1949 ein 'Besatzungsstatut zur Abgrenzung der Befugnisse und Verantwortlichkeiten zwischen der zukünftigen deutschen Regierung und der Alliierten Kontrollbehörde' proklamieren.
"Die Regierungen Frankreichs, der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs wünschen und beabsichtigen, daß das deutsche Volk während des Zeitraums, in dem die Fortdauer der Besetzung notwendig ist, das mit der Besetzung zu vereinbarende größtmögliche Maß an Selbstregierung genießt. Abgesehen von den in diesem Statut enthaltenen Beschränkungen besitzen der Bund und die ihm angehörigen Länder volle gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt gemäß dem Grundgesetz und ihren Verfassungen." [29]

Dieses Besatzungsstatut wird im März 1951 angepasst. Der bisherige Alliierte Kontrollrat wird durch die Alliierte Hohe Kommission abgelöst, die auf dem Petersberg bei Bonn residiert. [30]

In den folgenden Jahren gelingt es Konrad Adenauer, u.a. durch das Petersberger Abkommen [31], die Stellung der Bundesrepublik gegenüber den alliierten Besatzungsmächten Stück für Stück zu verbessern. Vor allem geht es dabei darum, die außen- und verteidigungspolitische Eigenständigkeit der Bundesrepublik Deutschlad zu erringen. Seine Bemühungen, die Bundesrepublik fest in der westlichen Staatengemeinschaft zu verankern, erfahren ihren Höhepunkt mit Abschluss der Pariser Verträge am 23.10.1954 und deren Inkrafttreten am 5.5.1955.

Im Wesentlichen wird durch diese Verträge folgendes geregelt:

  • Das Besatzungsstatut wird aufgehoben.
  • Die Bundesrepublik tritt der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation (NATO) bei, womit der Besatzungsstatus beendet wird und aus den bisherigen Besatzungstruppen Stationierungstruppen im Rahmen der NATO-Verträge werden.

Durch den ebenfalls am 5.5.1955 in Kraft getretenen Deutschlandvertrag wird die Hohe Kommission abgeschafft, das Ende des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik geregelt, und der Bundesrepublik weitgehende Rechte eines souveränen Staates zugebilligt. [32]
 
 
 

2.3 Fraternisierungsverbot

 
 
 
Als im Herbst 1944 amerikanische Truppen erstmals deutschen Boden betreten, erlässt die alliierte Heeresleitung ein Dekret, das für alle Soldaten der alliierten Armeen gilt, das sogenannte Fraternisierungsverbot:
"Nichtverbrüderung ist die Vermeidung des Zusammentreffens mit Deutschen auf der Grundlage von Freundlichkeit, Vertrautheit oder Intimität - ob individuell oder in Gruppen, im offiziellen oder inoffiziellen Umgang." [33]

Bis ins Detail legt die alliierte Militärführung fest, welche Handlungen unter das Fraternisierungsverbot fallen:
"Dazu gehörte Händeschütteln, dazu gehörte natürlich die Heirat als die schwerste Form der Fraternisierung, dazu gehörten alle Formen der persönlichen Beziehung. Etwa durften die Soldaten keinen Sport mit Deutschen treiben, nicht mit ihnen tanzen, keine deutschen Gaststätten besuchen, nicht in Hotels oder Häusern von Deutschen übernachten, keine Geschenke erhalten oder geben usw. Es war also wirklich ein umfassendes Verbot aller freundlichen oder freundschaftlichen Kontakte". [34]

Für die britische Besatzungszone wird am 10.6.1945 ein von Montgomery verkündetes "Non-Fraternisation"-Gebot erlassen und in einer Rede von ihm der deutschen Bevölkerung erklärt. [35] In der ersten Zeit setzt die Militärpolizei in den Besatzungszonen das Fraternisierungsverbot rigoros durch. Soldaten, die gegen dieses Verbot verstoßen, können mit Soldentzug oder Arrest bestraft werden.

Mit dem Fraternisierungsverbot verfolgen die Alliierten im Wesentlichen die Ziele, sich vor befürchteten Sabotageakten der Deutschen zu schützen und durch das Zeigen von Ignoranz deutlich zu machen, das man alle Deutschen für Nazi-Sympathisanten hält, die für den Krieg und die verübten Gräueltaten verantwortlich sind. Zudem will man in der Heimat nicht den Eindruck erwecken, man würde die Deutschen wie Freunde behandeln. Insbesondere die Briten wollen mit diesem Verbot ihre moralische Überlegenheit gegenüber den Deutschen demonstrieren. [36] Doch sehr schnell zeigt sich, dass ein solches Fraternisierungsverbot nicht auf Dauer durchzusetzen ist. So wird es schrittweise gelockert und für die amerikanische Besatzungszone am 1.10.1945 ganz aufgehoben. Die britische Militärverwaltung folgt diesem Beispiel.

Trotz Aufhebung des Fraternisierungsverbotes ist es alliierten Soldaten jedoch weiterhin verboten, mit Deutschen unter einem Dach zu leben und insbesondere deutsche Frauen zu heiraten. Aber auch dieses Verbot überdauert die Realität nicht lange. Immer mehr Soldaten der Besatzungstruppen stellen Anträge, deutsche Frauen heiraten zu dürfen. Im Dezember 1946 hebt der amerikanische Kongress das Verbot, deutsche Staatsangehörige zu heiraten, auf. Zwischen 1947 und 1950 kommen durch den 'War Brides Act' etwa 14.000 deutsche 'Kriegsbräute' und ca. 2.000 Verlobte in die USA. Für deutsch-britische Paare bringt schon der August 1946 eine lang herbeigesehnte Zäsur. Nun sind Eheschließungen prinzipiell erlaubt, aber für aktive Soldaten gilt immer noch eine sechsmonatige Wartezeit zwischen dem Antrag auf Heirat und der Trauung. Dies führt dazu, dass in der folgenden Zeit etwa 10.000 deutsche weibliche Ehepartner nach England kommen. [37]

Letztlich muss das Fraternisierungsverbot scheitern. Nicht nur, weil die Besatzungssoldaten sehr schnell ein ganz anders Bild von Deutschland und den Deutschen erfahren, als es ihnen in Schulungsfilmen gezeigt wird, sondern auch durch die schnell einsetzenden umfassenden Hilfsmaßnahmen, die ohne eine 'Nähe' zu den Deutschen nicht möglich sind.
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'Sie betreten jetzt Deutschland. Verbrüderung mit Deutschen ist unter keinen Umständen gestattet" - Verbotstafel der alliierten Invasionstruppen an den deutschen Grenzen, Oktober 1944.
 
 

2.4 Besatzungskosten

 
 
 
Artikel 120 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland regelt:
"Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgekosten nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen".

In der ersten Nachkriegszeit ist das besetzte Deutschland gar nicht in der Lage, sogenannte Besatzungskosten zu zahlen. Im Gegenteil, die Besatzungsmächte selbst müssen umfangreiche Beträge für ihre Besatzungszonen aufbringen. Ein Artikel in DIE ZEIT beziffert diese Transferzahlungen von England in die britische Besatzungszone für das Jahr 1946 mit 80 Millionen Pfund Sterling. Bei einem britischen Staatshaushalt in diesem Jahr von rd. 3,8 Milliarden Pfund Sterling und unter dem Aspekt der Not der englischen Bevölkerung führt dieser Umstand zu heftigen Debatten in England. [38]

Dennoch nehmen die Besatzungskosten in den einzelnen Besatzungszonen in den folgenden Jahren erheblich zu. In einem Artikel in DIE ZEIT schreibt Marion Gräfin Dönhoff 1948:
"Für 1947/48 ergibt sich folgendes Bild: Kosten für die britische Zone 5.985 Mio. RM, für die US-Zone 5.000 Mio. RM und für die französische Zone 3.500 Mio. RM, insgesamt also 14,5 Milliarden RM. Wenn man bedenkt, daß die Marshall-Hilfe den Wiederaufbau von 16 europäischen Ländern in den entscheidenden ersten 15 Monaten mit 5,3 Milliarden Dollar = 17,7 Milliarden RM bestreiten will, so bekommt man ein anschauliches Bild der Größenordnung, die die Besatzungskosten in der deutschen Volkswirtschaft einnehmen; vor allem wenn man sich vergegenwärtigt, daß weder Reparationen, noch Demontagen in dieser Summe enthalten sind [...]". [39]

Noch deutlicher wird die Belastung durch die Besatzungskosten aus einer Auflistung, die die Bundesregierung dem Parlament in der Bundestagsdebatte vom 6.2.1952 vorlegt. Danach belaufen sich die Besatzungskosten 1949 auf etwa 4,5 Milliarden DM, im Rechnungsjahr 1950/1951 auf rund 5,5 Milliarden DM und 1951/1952 auf rund 6,6 Milliarden DM [...]. Auf die Arbeiter und Angestellten Westdeutschlands verteilt ergibt sich hieraus je Kopf 600 DM jährlich [...]. Der Aufwand für einen Besatzungssoldaten (ohne Sold, Ausrüstung usw.) beträgt damit in 1950 9.750 DM. Zum Vergleich: 1950 haben mehr als zwei Drittel aller westdeutschen "Erwerbspersonen" für sich und ihre Familien ein Einkommen von weniger als 3.000 DM jährlich. [40]

Die Höhe der Besatzungskosten und die Art der Aufwendungen erregen zunehmend die Gemüter der Öffentlichkeit. Die Zeitschrift 'stern' nimmt sich dieses Themas in ihrer Ausgabe Nr. 53 des Jahres 1950 unter dem Titel "Hoppla, wir leben! (auf Besatzungskosten)" an. Henri Nannen, Herausgeber des 'stern', erinnert sich:
" ... und die Leser staunten, in welchem Luxus die Alliierten auf Kosten der Not leidenden Deutschen lebten. Allein für Glühbirnen hatten die Besatzungsmächte 4,2 Millionen Mark ausgegeben. [...] Wozu aber 30.634 Büstenhalter, 20.000 Korsetts, 150.000 Meter Schlafanzugstoff, 14.000 Gummihöschen, 64.000 Windeln und für 284.000 Mark Silberbesteck auf Besatzungskosten angeschafft wurden, das haben damals auch die stern-Reporter nicht erfahren können." [41]

Es verwundert deshalb kaum, dass die Unterhaltszahlungen und sonstigen Aufwendungen für die von der öffentlichen Fürsorge ganz oder teilweise zu versorgenden unehelichen Besatzungskinder ebenfalls unter Besatzungskosten 'verbucht' werden. Die öffentlichen Haushalte müssen also für die Kosten, die diese Kinder verursachen, aufkommen, wenn die leiblichen Väter, aus welchen Gründen auch immer, hierzu nicht herangezogen werden können oder die Mütter hierzu nicht in der Lage sind oder nicht zahlen wollen. [42]

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge in Frankfurt hat 1952 in einer Umfrage bei den Landesjugendämtern die Zahl der unter Vormundschaft stehenden Besatzungskinder erhoben und die daraus entstandenen Fürsorgekosten ermittelt. Demnach werden für die ca. 32.200 ermittelten Amtsmündel monatlich 265.034,40 DM Fürsorgekosten gezahlt (rechnerisch waren dies rd. 8,30 DM/Besatzungskind). Allein die Stadt Freiburg muss für die Besatzungskinder monatlich rd. 100.000 DM aufwenden. [43]
 
 
 

2.5 Geschlechterbeziehungen

 
 
 
Die Rolle der Frauen in der NS-Zeit ist vom Staat klar vorgegeben: Die Frauen sollen gute Hausfrauen sein, ihrem Land und Volk Kinder schenken und für die Reinheit des Blutes sorgen. Ihr Leben soll nach dem Willen des Regimes von den drei 'Ks', Küche, Kinder, Kammer beherrscht sein. [44]

Diese traditionelle Rollenverteilung verändert sich bereits in den Kriegsjahren, als Frauen, da sich die Männer im Krieg befinden, auch zunehmend Aufgaben übernehmen müssen, die sonst traditionell Männern vorbehalten sind. Diese Rolle müssen die Frauen auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit beibehalten. Sie helfen als 'Trümmerfrauen' beim Wiederaufbau, werden immer noch in der Produktion und Landwirtschaft benötigt, halten die Familie zusammen und sorgen für Unterkunft, Verpflegung, Kleidung und Erziehung, u.U. haben sie auch den Unterhalt der Familie zu bestreiten.

Aber auch demographische Gründe ["Frauenüberschuss"] spielen bei dem neuen Selbstverständnis der Frauen eine Rolle. Im Ergebnis ist seinerzeit ein erheblich gewachsenes Selbstbewusstsein und Streben nach eigenständiger Lebensgestaltung bei vielen Frauen festzustellen. All dies schlägt sich auch in kulturellen und mentalen Veränderungen nieder - wenn wohl auch nicht auf Dauer. Zeitgenossen nehmen all dies vor allem als Verlust überkommener Sicherheit und als Wertkrise wahr - der angebliche Zerfall der Familien, die Verwahrlosung der Jugend, die sinkende Moral [besonders auch von Frauen], die markant steigenden Scheidungsraten: All dies sind Themen dieser Zeit. Ein besonderer Aspekt dieser Entwicklung ist auch, dass Frauen mehr und mehr ein bisher 'männliches' Vorrecht in Anspruch nehmen, nämlich, auf Grund eigener Präferenzen einen Geschlechtspartner auszuwählen und auch selbst zu bestimmen, wie stark diese Bindung sein und wie lange sie dauern soll. Und so lassen sich tausende deutscher Frauen auch auf Angehörige alliierter Truppen ein.
"Doch kaum waren die Krisenzeiten vorüber, kam es zu einer Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung. [...] Das gesellschaftliche Ideal der 1950er Jahre war eine kinderreiche Familie, welche die Mutter als fleißige und aufopferungsvolle Hausfrau treu umsorgte." [45]

Eine präzise Beschreibung dieser Entwicklung liefert Karin Schmidbauer unter Verwendung vieler Zeitzeugenberichte, zwar am Beispiel der Steiermark, jedoch von prototypischer Qualität. [46]

Trotz des einsetzenden 'backlash' in der frühen Bundesrepublik können sich mittelfristig Vorstellungen und Handlungsmuster einer veränderten Frauenrolle allmählich Geltung verschaffen. Mit kennzeichnend dafür ist, dass dieser veränderten Bedeutung der Frauen im öffentlichen Leben auch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 Rechnung trägt und in Artikel 3, Abs. 2 die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festschreibt. [47]
 
 
 
 

3. Aufwachsen im Nachkriegs-
deutschland

 
 
 

3.1 Lebenssituation unehelicher
Kinder und ihrer Mütter

 
 
 
Bevor das Umfeld beschrieben wird, in dem die unehelichen Besatzungskinder im Nachkriegsdeutschland aufwachsen und gefragt wird, wie sich ihre Lebenssituation und die ihrer Mütter darstellt, soll die Situation von unehelichen Kindern und deren Müttern allgemein in dieser Zeit untersucht werden. Hierbei wird insbesondere auf die Situation der Mädchen und Frauen eingegangen, die oftmals mit dazu führt, dass sie Mütter von unehelichen (Besatzungs)Kindern werden. Danach können Vergleiche zwischen beiden Situationen gezogen und beurteilt werden, ob die unehelichen Besatzungskinder tatsächlich als 'Sonderfall' bezeichnet werden müssen.
 
 
 

3.1.1 Lebenssituation von Mädchen

 
 
 
Die Folgen des Krieges hinterlassen bei einer Bevölkerungsgruppe besondere Spuren, den Jugendlichen. [48] Viele sind durch das im Krieg Erlebte traumatisiert und angesichts der desolaten Verhältnisse orientierungslos. [49] Die Familien sind für sie in vielen Fällen nicht mehr der bewährte Lebens- und Rettungsanker. Unterernährung, Wohnungsnot, Flüchtlingselend und die anfangs häufige Vaterlosigkeit sind für die Situation in vielen Familien kennzeichnend. [50] Ein hierfür in den unmittelbaren Nachkriegsjahren häufig verwendeter Begriff lautet 'Jugendnot'. [51] Die Jugendlichen werden früh in den täglichen Kampf ums Überleben einbezogen. Die Arbeitslosigkeit ist bei den Mädchen und jungen Frauen besonders hoch; hinzu kommt in vielen Fällen bei ihnen ein niedrigeres Bildungsniveau [52] und ein, auf Grund des Erlebten und in Anbetracht ihrer desolaten Situation, 'unbändiger Hunger nach Leben'. Diese Faktoren tragen oft dazu bei, dass viele Mädchen und junge Frauen früh Beziehungen zu Männern eingehen, mithin auch zu den Soldaten der Besatzungstruppen, oder sogar auch in die Prostitution abrutschen. Unter anderem hieraus resultiert die hohe Zahl der in den Nachkriegsjahren geborenen unehelichen Kinder. [53]
"Gerade in Kriegs- und Krisenzeiten bildet die weibliche Sexualität eine Projektionsfläche für gesellschaftliche Ängste. Der Anstieg unehelicher Geburten und die zunehmenden (sexuellen) Kontakte zu Besatzungssoldaten wurden moralisch verurteilt [...] und waren ein Grund, um Mädchen als sittlich verwahrlost zu stigmatisieren und sie in Fürsorgeerziehung zu überweisen." [54]

Hierbei darf natürlich nicht außer Acht gelassen werden, dass viele Mädchen und junge Frauen von Angehörigen der Besatzungstruppen vergewaltigt werden und auch hieraus Besatzungskinder entstehen. [55]

Annette Lützke berichtet von einem typischen Beispiel aus dieser Zeit:
"Johanna (Jg. 1929) wurde durch das Englische Militärgericht [56] in ein Erziehungsheim überwiesen, weil sie Anfang 1946 mit einer Freundin in der Wohnung eines englischen Soldaten nach der Sperrzeit angetroffen wurde, angeblich um seine Sachen zu stopfen. Da sie gefälschte Personalpapiere bei sich trug, wurde sie zu sechs Monaten Haft verurteil, wobei von einem Gefängnisaufenthalt abgesehen wurde; sie kam stattdessen in ein Erziehungsheim." [57]

Der Umgang mit britischen Soldaten wird von diesen Erziehungsheimen missbilligt. Den Mädchen ist es strengstens untersagt, diese Soldaten in den Heimen zu empfangen. Aber die britische Militärregierung denkt in diesem Punkt liberaler und will ihren Soldaten den 'Spaß' nicht verderben. Da sich die Heimleitungen gegen die Militärs nicht durchsetzen können, kommt es immer wieder zu Schreiben an die Fürsorgeerziehungsbehörden, in denen die Heime das Vorgehen der Militärbehörden beanstanden.
"... kehrte der Engländer zurück und verlangte die B. zu sprechen. Auf die Einwendungen der Pförtnerin, dass es sich um einen Fürsorgezögling handele und der Besuch männlicher Personen nicht zugelassen werden dürfe, schob er die Schwester beiseite und suchte mit Gewalt und unter Drohungen ins Haus einzudringen. [...] Die Militärregierung ordnete jedoch an, den Engländer zuzulassen, damit derselbe die B. für eine halbe Stunde allein sprechen könne. Tatsächlich erschien derselbe kurz darauf mit der anliegenden Bescheinigung. Er wurde dann auch zugelassen." [58]

Obwohl sicherlich nicht nur aus solchen Beziehungen Besatzungskinder entstanden sind, zeigt dieser Fall doch die Situation, in der sich viele Mädchen und junge Frauen in dieser Zeit befinden. Insbesondere in den Fällen, in denen diese Frauen schwanger werden, sind sie oft auf öffentliche Hilfe in entsprechenden Einrichtungen angewiesen

Eine dieser Einrichtungen ist der nahe bei Münster gelegene Baumberger Hof, der vom Katholischen Fürsorgeverein Münster des Sozialdienstes katholischer Frauen betrieben wird. Hier finden junge Mütter mit unehelichen Kindern Aufnahme, aber er ist auch ein normales Kinderheim.
"Der Baumberger Hof hatte sich bis 1947 sogar schon vergrößert. Er bot nun 10 Müttern und 52 Säuglingen Platz und beschäftigte zehn Personalkräfte. 1947 fanden 96 Säuglinge und 50 Mütter eine Unterkunft. Auch in der [sic!] folgenden Jahren nahm der Fürsorgeverein im Baumberger Hof Frauen auf, die ihre nichtehelichen Kinder erwarteten, sowie Mädchen, die aus gesellschaftlichen Zwängen heraus in seelischer Not und materieller Not sich und ihre Kinder vor der Öffentlichkeit verbergen mussten. Häufig waren es Bauerntöchter oder Studentinnen, deren sogenannte "Besatzungskinder" weder im heimatlichen Dorf noch in den Familien der Großstadt erwünscht waren." [59]
 
 
 

3.1.2 Lebenssituation von Frauen

 
 
 
Das Bild der Familien ist in den Nachkriegsjahren in vielen Fällen geprägt von alleinerziehenden Müttern, deren Männer entweder im Krieg gefallen sind, sich noch in Kriegsgefangenschaft befinden oder vermisst werden. Diese Frauen sind schon seit den Kriegszeiten nicht mehr nur Mütter und Hausfrauen, sondern haben lernen müssen, ihren 'Mann', eigentlich ihre 'Frau', zu stehen. Sie müssen arbeiten, Trümmer wegräumen und die Familie versorgen. Sie leisten Großes, meistern den Alltag und sind selbstbewusst, fühlen sich aber häufig ohne Männer einsam und mit ihren Sorgen und Nöten alleingelassen. [60]
"Ach, ich bin so einsam und muss soviel weinen,
ich such' einen Partner, und ich finde keinen.
Wie ich's auch versuche, immer ging's daneben,
das ist doch kein Leben, für 'ne Frau wie mich."

Mit diesem populären Lied drückt Evelyn Künneke [61] 1951 das Lebensgefühl vieler Frauen in dieser Zeit in Deutschland aus und endet ...
"Hab'n se nicht, hab'n se nicht, hab'n se nicht 'nen Mann für mich?"

Viele junge Frauen sind ledig und es ist nicht leicht für sie, einen Ehemann zu finden.
"1946 entfielen in den drei Westzonen auf 100 Männer zwischen zwanzig und dreißig Jahren 167 Frauen, in der Altersgruppe der 30 bis 40jährigen 151 Frauen auf 100 Männer. Insgesamt 3,7 Mio. Frauen zwischen 20 und 40 Jahren sahen angesichts dieser demographischen Tatsache jede Aussicht auf eine Heirat schwinden." [62]

Angesichts dieser Zahlen und der materiellen Not ignorieren viele Frauen, insbesondere die jungen ledigen, die in der Öffentlichkeit herrschenden Regeln und gängigen Vorurteile. Sie gehen in die Bars der Besatzungssoldaten und suchen dort den tristen Nachkriegsalltag zu vergessen. Aus diesem 'Hunger nach Leben und Kalorien' gehen diese Frauen häufig Beziehungen zu Angehörigen der Besatzungstruppen ein.

Natürlich war die Realität vielfältiger und auch tragischer und kannte nicht nur Liebesbeziehungen zwischen deutschen Frauen und Besatzungssoldaten. Hierzu sagt die Historikerin Ute Frevert:
"In den Westzonen waren die Grenzen zwischen Vergewaltigung und Prostitution vielfach fließend. Zahlreiche amerikanische und britische Soldaten bezahlten ihr Vergnügen mit Zigaretten, Schokolade und Brot. Junge Mädchen, aber auch verheiratete Frauen knüpften Beziehungen zu Angehörigen der Besatzungsmächte, ihre Familien, die von solchen Kontakten materiell profitierten, übten Toleranz." [63]
 
 
 

3.1.3 Lebenssituation von
unehelichen Kindern

 
 
 
Für ein besseres Verständnis der weiteren Ausführungen ist die Klärung von zwei Begriffen hilfreich.

Unehelich:
Im bisherigen Verlauf der Arbeit ist im Zusammenhang mit dem Begriff 'Besatzungskind' häufig das Adjektiv 'unehelich' verwendet worden. Dies ist nach rechtlichen Gesichtspunkten dann richtig, wenn die Mutter des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet ist. Dagegen gilt das Kind einer verheirateten Frau zunächst immer als 'ehelich', auch dann, wenn als sicher gelten kann, dass der Ehemann nicht der Vater ist, weil er sich zum Zeitpunkt der Zeugung des Kindes zum Beispiel in Kriegsgefangenschaft befindet, als vermisst gilt oder das Kind farbig zur Welt kommt [umgangssprachlich als 'scheinehelich' bezeichnet]. Dieser rechtliche Status kann durch ein Anfechtungsverfahren geändert werden, das jedoch nur der Ehemann oder ein Staatsanwalt beantragen kann, nicht aber die Mutter. [64] Ehemänner greifen u.a. dann zu diesem Rechtsmittel, wenn sie für das Kind keinen Unterhalt zahlen wollen. Wie groß die Zahl der nach dieser Definition 'ehelichen' Besatzungskinder ist, ist nicht bekannt. Sie hat aber für die Ergebnisse der unter 3.2.1 angeführten statistischen Erhebung keine Relevanz, da dort ausdrücklich 'uneheliche' Kinder erhoben werden.

Vormundschaft:
Unter der Vormundschaft versteht man die gesetzlich geregelte rechtliche Fürsorge für eine unmündige Person. Hierbei kann eine Vormundschaft entweder von den Eltern freiwillig erteilt werden, zum Beispiel als letztwillige Verfügung, oder sie wird durch ein Familiengericht angeordnet, zum Beispiel in Fällen von unehelich geborenen Kindern. Vormund kann entweder eine Einzelperson sein, ein Verein sowie eine Anstalt [Einzelvormundschaft] oder das Jugendamt [Amtsvormundschaft]. Die Vormundschaft erlischt, wenn das Kind volljährig wird. [65]

Unehelich geborene Kinder sind in den Nachkriegsjahren in Deutschland keine Seltenheit. So kommen 1946, dem Jahr mit der höchsten 'Unehelichen-Quote', 16 % aller geborenen Kinder nichtehelich zur Welt. [66] In diesen Zahlen sind natürlich auch die 'Besatzungskinder' enthalten. Diese Situation entspannt sich in den folgenden Jahren und die Zahl der nichtehelichen Geburten geht kontinuierlich zurück, wobei auffällt, dass die Geburtenzahlen der Besatzungskinder einer vergleichbaren Entwicklung folgen. [67] Einhergehend mit dieser Entwicklung ist auch ein vorübergehendes Ansteigen der Ehescheidungen zu beobachten.

Obwohl Unehelichkeit ein gesellschaftliches Phänomen dieser Zeit ist, unterliegen diese Kinder doch erheblichen gesellschaftlichen Repressalien. Auch ihr rechtlicher Status entspricht nicht dem von ehelichen Kindern (Vormundschaft). Insbesondere die konservativen Parteien und die Kirchen fordern eine Beibehaltung dieser Unterschiede, um dadurch auch die Familie wieder zu einem Grundpfeiler der Gesellschaft zu machen. [68] Der Parlamentarische Rat [69] einigt sich aber nach längeren Debatten auf eine Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern. Artikel 6, Abs. 5 des Grundgesetzes verlangt eine Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern. Aber erst 1970 tritt ein vom Verfassungsgericht erzwungenes 'Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder' in Kraft, wodurch das 'Nichtehelichengesetz' von 1900 im BGB geändert wird. Weitere Änderungen erfolgen bis ins Jahr 2009.

Ehe aber diese Änderung des Familienrechtes beschlossen wird, kommt es zu äußerst kontrovers geführten Debatten. Von konservativer poltischer Seite und auch von den Kirchen wird der 'Lebenswandel' von Müttern unehelicher Kinder gebrandmarkt; die Mütter entstammten oft einer niedrigeren Gesellschaftsschicht und hätten ein geringes Bildungsniveau, was wiederum Auswirkungen auf die Kinder haben würde.

Zur Situation unehelicher Kinder im Nachkriegsdeutschland stellt die Historikerin Sybille Buske fest:
"Der starke Anstieg nichtehelicher Geburten in den ersten Nachkriegsjahren wurde in christlich-konservativen Kreisen als Indiz für den Zerfall der Familie, ja der gesamten Gesellschaft gewertet. Der Aufschrei war Teil der erneuten kulturkritischen Rhetorik. Mit Rückgriff auf Christlich-naturrechtliche Ordnungsentwürfe sollten Familie und Gesellschaft stabilisiert werden. Da die Familie aber selbst - insbesondere durch die Familiensoziologie und die Kirchen - als bedroht und gefährdet beschrieben wurde, wurden Schutz und Stabilisierung der Institution zum obersten Ziel der Familienpolitik und des Familienrechts, der Schutz nichtehelicher Kinder hatte dahinter zurückzutreten, ihre Diskriminierung erschien konservativen Politikern, Kirchenmännern und -frauen gerechtfertigt." [70]

Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen muss auch die Frage gesehen werden, ob Besatzungskinder ein 'Sonderfall' sind.
 
 
 

3.2 'Sonderfall' Besatzungskinder?

 
 
 
Wie im vorangegangenen Kapitel bereits festgestellt, sind uneheliche Kinder allgemein in den ersten Nachkriegsjahren in Deutschland keine Seltenheit. Im Zeitraum zwischen 1945 und 1955 werden insgesamt ca. 6,7 Mio. Kinder geboren, wovon über 600.000 Kinder (ca. 9 %) unehelich sind. Nach der statistischen Erhebung [71] macht der Anteil der Besatzungskinder an den unehelichen Kindern insgesamt ca. 67.000 Kinder (11 %) aus, wovon ca. 4.800 Kinder (7 %) farbig sind. Als Väter werden ca. 8.700 als Angehörige der britischen Armee (13 % der Besatzungskinder) angegeben. Mit 11 % ist der Anteil der unehelichen Besatzungskinder an den im Untersuchungszeitraum geborenen unehelichen Kindern insgesamt nicht überragend groß, aber doch bemerkenswert.

Uneheliche Besatzungskinder sind deutsche Staatsbürger per Gesetz, unterstehen einem Vormund und haben Anspruch auf soziale Leistungen. Auch beim Aufwachsen, ob in Heimen oder bei ihren Müttern, unterscheiden sich die Quoten kaum von anderen unehelichen Kindern und sie sind den gleichen gesellschaftlichen Vorbehalten und Ressentiments ausgesetzt wie andere uneheliche Kinder auch. Also kein 'Sonderfall' Besatzungskinder? Doch!: Durch eine Besonderheit werden sie zu einem 'Sonderfall', die Hautfarbe.

In den Fokus der Zeitgenossen geraten die Besatzungskinder eigentlich nur dann, wenn sie farbig sind oder aus öffentlichen Kassen finanziert werden müssen, wobei letzteres natürlich auch auf andere uneheliche Kinder zutrifft. Daher kann man auch nur wenige Aussagen über diese Kinder treffen. Dies lässt aber auch vermuten, dass die weißen Besatzungskinder eher 'versteckt' werden können und ihre Situation daher eher der anderer unehelicher Kinder allgemein gleicht. Wie den Statistiken in Kapitel 3.2.1 entnommen werden kann, unterliegen farbige Besatzungskinder aber besonderen Benachteiligungen: Sie sind deutlich häufiger in Heimen untergebracht, sie werden häufiger zur Adoption freigegeben und ihre Mütter finanzieren seltener ihren Unterhalt als bei weißen Besatzungskindern.

Im Entwurf einer Arbeit über 'den Einfluß des Minderheitsstatus auf die Entwicklung der Persönlichkeit' fasst Dr. Curt W. Bondy die bis dahin erschienene Literatur in Bezug auf die rund 5.000 farbigen Besatzungskinder wie folgt zusammen:
"Bei der Geburt dieser Kinder waren die Mütter meist jünger, als es deutsche Frauen gewöhnlich bei der Geburt ihres 1. Kindes sind. Mindestens 1/3 von ihnen hatten sexuelle Beziehungen zu mehr als einem farbigen Partner. Die meisten von ihnen entstammen einer niedrigen Gesellschaftsschicht, aber viele kamen auch aus dem typischen Mittelstand. Ca. [sic!] 20 % waren bis 1955 verheiratet und es scheint, als ob der Prozentsatz [sic!] der heiratet, wachsen würde. Bei einer Umfrage ob sie die Adoption ihres Kindes, evt. [sic!] durch farbige Pflegeeltern in den USA, wünschen würden, haben sich nur 10 - 15 % der Mütter dafür ausgesprochen." [72]

Aber natürlich darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass nicht alle Kinder, deren Väter Besatzungssoldaten sind, unehelich geboren werden. Nachdem die britische Militärregierung im August 1946 das Verbot für ihre Soldaten, deutsche Frauen zu heiraten, aufgehoben hat, kommt es zu zahlreichen Eheschließungen. [73] Letztlich ist aber weder die Zahl der Eheschließungen noch die Frage, ob diese Ehepaare in Deutschland oder England leben oder gelebt haben, festzustellen. Corinna Schmidt vom AlliiertenMuseum Berlin schreibt hierzu:
"Leider kann ich Ihnen auf Ihre Frage keine befriedigende Antwort geben, da uns auch keine genauen Informationen vorliegen. Dazu sind die erfolgten Trauungen zu schlecht dokumentiert bzw. ist die Überlieferungslage zu verstreut und komplex (Trauungen fanden zum Beispiel sowohl an deutschen Standesämtern wie auch an britischen Militärstandesämtern statt). ... es liegen uns keine weiteren statistischen Daten vor." [74]

In den folgenden Kapiteln werden die Besatzungskinder selbst genauer 'unter die Lupe' genommen, über ihre statistische Erfassung, ihre Wahrnehmung und Behandlung bis zu ihrem rechtlich Status gegenüber ihren Vätern. Eine zusammenfassende Bewertung, ob Besatzungskinder 'Sonderfälle' waren, oder ob für sie ein 'normales' Aufwachsen möglich gewesen ist, erfolgt dann in Kapitel 5.3.
 
 
 

3.2.1 Statistische Daten

 
 
 
Über die Anzahl der unehelich geborenen Besatzungskinder im Nachkriegsdeutschland kursieren unterschiedlichste Angaben: In einigen Quellen werden Zahlen zwischen rund 100.000 und sogar rund 350.000 genannt [75]. Unter anderem die internationale Vereinigung für Jugendhilfe in Genf und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge haben durch Befragungen der behördlichen und freien Wohlfahrtsorganisationen versucht, hier für mehr Klarheit zu sorgen. [76]
 
 
 

3.2.1.1 Bundesrepublik Deutschland

 
 
 
Das einzige verlässliche Zahlenmaterial lässt sich aber nur einer statistischen Erhebung entnehmen, die 1955 durchgeführt wurde.
"Auf Anregung des Herrn Bundesministers des Inneren wird im Einvernehmen mit den obersten Jugendwohlfahrtsbehörden der Länder in der Zeit bis zum 1.7.1955 über das Statistische Landesamt Nordrhein-Westfalen eine einmalige Sondererhebung (Stichtag 30.4.1955) über Zahl, Unterbringung und Versorgung der unehelichen Kinder von ehemaligen Besatzungsangehörigen durchgeführt. Die Erhebung dient dem Zweck, möglichst vollständiges und zuverlässiges Material über diese Kinder zu gewinnen. Sie wird wesentliche Aufschlüsse über das Problem der unehelichen Besatzungskinder geben und Ansatzpunkte für seine Lösung in sozialer Hinsicht vermitteln. Besondere Bedeutung kommt der Erhebung im Hinblick auf spätere internationale Verhandlungen, für die exaktes Zahlenmaterial benötigt wird, zu." [77]

Nachdem das Besatzungsstatut durch Abschluss der Pariser Verträge aufgehoben und die Bundesrepublik Mitglied der NATO wird, sieht man nunmehr Chancen, in Verhandlungen mit den ehemaligen Besatzungsmächten zu erreichen, dass diese sich ihrer Verantwortung für die von ihren Soldaten gezeugten unehelichen Besatzungskinder und deren Mütter stellen. Mit ähnlichen Schreiben werden auch in den anderen Bundesländern die Verwaltungen/Jugendämter aufgefordert, diese statistische Erhebung durchzuführen. Die so von den jeweiligen Statistischen Landesämtern gesammelten Daten wurden vom Statistischen Bundesamt zusammengefasst und am 10.10.1956 veröffentlicht. [78]

Die Sondererhebung kommt zu folgendem Gesamtergebnis für die Bundesrepublik:

Tabelle 1 Uneheliche Besatzungskinder nach Geburtsjahren [79] [80]

Uneheliche Besatzungskinder nach Geburtsjahren

Das Ergebnis mag diejenigen überraschen, die von viel höheren Zahlen ausgegangen sind. Aber bei der statistischen Erhebung muss berücksichtigt werden, dass hier nur die Kinder erfasst wurden, die unter Amtsvormundschaft der Jugendämter und unter Einzel-, Vereins- oder Anstaltsvormundschaft registriert waren; in Zweifelsfällen wurden auch Angaben bei den Vormundschaftsgerichten eingeholt.

In seinem Bericht geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass die gewählte Erhebungsform zu Lücken geführt haben kann, weil
  • Kinder oft nicht als Kinder von Besatzungssoldaten, sondern als Kinder mit einem unbekannten Vater angegeben wurden, insbesondere dann, wenn die Mütter oder deren Familien selbst für den Unterhalt der Kinder aufgekommen waren,
  • sich ein Teil der für die Erhebung erforderlichen Unterlagen aus den ersten Nachkriegsjahren nicht mehr im Besitz der Jugendämter befunden haben könnten, insbesondere dann, wenn diese Fälle als abgeschlossen (z.B. Adoption) betrachtet worden waren,
  • Kinder nicht erfasst werden, deren Mütter ausgewandert waren, die adoptiert worden waren oder durch Ehelichkeitserklärungen der Mutter aus der Vormundschaft ausgeschieden waren. [81]

Festzuhalten bleibt deshalb, dass die tatsächliche Zahl der Besatzungskinder über der vom Statistischen Bundesamt ermittelten liegen wird, die Dunkelziffer also groß sein kann. Da diese Erhebung aber die einzige wissenschaftlich fundierte ist, wird im Folgenden von diesen Zahlen ausgegangen. Aus den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Daten lassen sich weitere interessante und für diese Arbeit wichtige Merkmale generieren.

Es fällt auf, dass die Zahl der neugeborenen Besatzungskinder 1946 am höchsten ist [gilt für die drei dargestellten Regionen] und danach kontinuierlich abfällt, d.h., dass eine große Anzahl von Kindern unmittelbar nach Beginn der Besatzung gezeugt worden sind. Mögliche Gründe hierfür werden in Kapitel 3.2.2 behandelt.

Aus den Daten der einzelnen statistischen Landesämter ergeben sich folgende Zahlen je Bundesland:

Tabelle 2 Unterteilung der unehelichen Besatzungskinder nach Bundesländern [82]

Unterteilung der unehelichen Besatzungskinder nach Bundesländern

Die erfassten Zahlen der unehelichen Besatzungskinder machen 1 % der im Erhebungszeitraum insgesamt geborenen Kinder aus und 11 % der im selben Zeitraum registrierten unehelichen Kinder insgesamt. Der Anteil der farbigen Besatzungskinder an den erhobenen Besatzungskindern insgesamt beträgt 7 %. Im Hinblick auf die farbigen Besatzungskinder stellt das Statistische Bundesamt fest, dass in ca. 3.200 Fällen von den Müttern angegeben wurde, dass diese aus Vergewaltigungen entstanden sind.

Die meisten Besatzungskinder wurden in der amerikanischen Besatzungszone registriert, gefolgt von der britischen und der französischen.

Tabelle 3 Die Mütter haben als Väter Angehörige folgender Nationalitäten/Streitkräfte angegeben:

55 % US-Streitkräfte
15 % französische Streitkräfte
13 % britische Streitkräfte
05 % sowjetrussische Streitkräfte
03 % belgische Streitkräfte [84]
09 % Angehörige sonstiger Besatzungstruppen

Die Unterteilung der Besatzungskinder nach dem Geschlecht weist in allen drei dargestellten Regionen keine wesentlichen Abweichungen von den Normalwerten auf:

Tabelle 4 Besatzungskinder nach Geschlecht

Männlich 34.365 52 %
Weiblich 32.365 48 %

Mit über 80 % ist der Anteil der Kinder, die bei ihren Müttern oder mütterlichen Verwandten (meistens den Großeltern) aufwachsen, sehr groß. Die Untergliederung nach dem Kriterium, wo die Kinder untergebracht sind, also aufwachsen, zeigt folgendes Bild:

Tabelle 5 Unterbringung der Besatzungskinder

Unterbringung der Besatzungskinder

Knapp 5 % der Besatzungskinder waren von den Müttern zur Adoption freigegeben worden. Bei den farbigen Besatzungskindern betrug dieser Anteil 13 %.

Bezüglich der Versorgung der Kinder (Finanzierung des Lebensunterhaltes) ergeben sich folgende Zahlen:

Tabelle 6 Versorgung der Besatzungskinder [83]

Versorgung der Besatzungskinder

Lediglich 6,7 % der Väter von Besatzungskindern haben die Vaterschaft anerkannt, bei den Kindern farbiger Väter nur 6,1 %.
 
 
 

3.2.1.2 Nordrhein-Westfalen

 
 
 
Für Nordrhein-Westfalen ergibt sich aus dieser Erhebung folgendes Bild. [86] In den einzelnen Jahren des Erhebungszeitraums wurden in Nordrhein-Westfalen folgende Besatzungskinder geboren:

Tabelle 7 Uneheliche Besatzungskinder nach Geburtsjahren

Uneheliche Besatzungskinder nach Geburtsjahren

Im Gegensatz zum Bundesgebiet ist die Zahl der farbigen Besatzungskinder mit 1,6 % relativ gering, was aber darauf zurück zu führen ist, dass in der britischen Besatzungsarmee kaum farbigen Soldaten gehört haben. Es ist also davon auszugehen, dass die in Nordrhein-Westfalen geborenen Besatzungskinder in der Mehrzahl von farbigen Vätern der US-Streitkräfte gezeugt worden sind.

Wie schon bei den Zahlen für das Bundesgebiet insgesamt, zeigt sich auch hier 1946 ein Höchststand, danach sinken die Zahlen.

Bei den Angaben zum Vater der Kinder fällt der hohe Anteil der Kinder von sowjetrussischen Vätern auf. Da in Nordrhein-Westfalen keine russischen Besatzungstruppen stationiert sind, liegt die Vermutung nahe, dass diese Frauen entweder aus der sowjetischen Besatzungszone nach Nordrhein-Westfalen gekommen sind, oder auf ihrer Flucht von russischen Soldaten vergewaltigt worden sind.

Tabelle 8 Die Mütter haben als Väter Angehörige folgender Nationalitäten/Streitkräfte angegeben:

18 % US-Streitkräfte
04 % französische Streitkräfte
35 % britische Streitkräfte
13 % sowjetrussische Streitkräfte
16 % belgische Streitkräfte
14 % Angehörige sonstiger Besatzungstruppen

Mit 87 % lebt der weitaus größte Teil der Besatzungskinder bei ihren Müttern oder den mütterlichen Verwandten. Bei den farbigen Kindern beträgt dieser Anteil nur 58 %.

Tabelle 9 Unterbringung der Besatzungskinder:

Unterbringung der Besatzungskinder

Noch auffälliger wird der Unterschied zwischen den Besatzungskindern insgesamt und deren farbigem Anteil, wenn man betrachtet, wer für den Unterhalt der Kinder aufgekommen ist.

Tabelle 10 Versorgung der Besatzungskinder:

Versorgung der Besatzungskinder

Bei der Unterbringung der Besatzungskinder weichen die Gesamtzahlen kaum vom Bundesdurchschnitt ab. Anders sieht dies bei den farbigen Kindern aus. Hier ist die Zahl der Kinder, die bei Pflegefamilien oder in Heimen aufwachsen, deutlich höher. Ähnlich sieht es auch bei der Versorgung der Besatzungskinder aus.
 
 
 

3.2.1.3 Münster

 
 
 
Auch in Münster wird diese Erhebung durch das Kreisjugendamt durchgeführt. Die Ergebnisse liegen in Form von jeweils zwei Strichlisten vor (eine für unter Amtsvormundschaft und eine für unter Einzelvormundschaft stehende Kinder), in denen farbige Besatzungskinder durch rote Striche kenntlich gemacht werden sollen. Aus den Original-Strichlisten ist diese Unterscheidung jedoch leider nicht erkennbar, weshalb eine separate Auflistung der farbigen Besatzungskinder für Münster in dieser Arbeit nicht vorgenommen werden kann. Außerdem decken die Listen nur den Zeitraum zwischen 1945 und 1954 ab. [87]

Das Kreisjugendamt Münster hat an das Statistische Landesamt Nordrhein-Westfalens folgende Zahlen gemeldet:

Tabelle 11 Uneheliche Besatzungskinder (in absoluten Zahlen) nach Geburtsjahren und Vormundschaftsverhältnissen

Uneheliche Besatzungskinder (in absoluten Zahlen) nach Geburtsjahren und Vormundschaftsverhältnissen

Damit entfallen lediglich 0,5 % der in Nordrhein-Westfalen erhobenen Besatzungskinder auf den Bereich des Kreisjugendamtes Münster. Auch für Münster ist festzustellen, dass die weitaus meisten Kinder 1946 geboren werden.

Der hohe Anteil von britischen Vätern ist darauf zurückzuführen, dass Münster in der britischen Besatzungszone liegt. Für die Kinder sowjetischer Väter gelten die zu Tabelle 8 gemachten Erläuterungen.

Tabelle 12 Die Mütter haben als Väter Angehörige folgender Nationalitäten/Streitkräfte angegeben (absolute Zahlen):

03 US-Streitkräfte
04 französische Streitkräfte
28 britische Streitkräfte
06 sowjetrussische Streitkräfte
01 belgische Streitkräfte
02 Angehörige sonstiger Besatzungstruppen

Bei der Unterbringung der in Münster geborenen Besatzungskinder ergeben sich folgende Zahlen.

Tabelle 13 Unterbringung der Besatzungskinder:

Unterbringung der Besatzungskinder

Wer für den Unterhalt der in Münster geborenen Kinder aufkommt, ergibt sich aus folgender Tabelle.

Tabelle 14 Versorgung der Besatzungskinder:

Versorgung der Besatzungskinder

Für Münster liegt keine Unterscheidung nach farbigen und weißen Besatzungskindern vor. Die Gesamtzahlen weichen jedoch nicht signifikant von denen für die gesamte Bundesrepublik ab.
 
 
 

3.2.2 Wahrnehmung und Behandlung
der Mütter und ihrer unehelichen Besatzungskinder

 
 
 
Die 'Problematik' der unehelichen Besatzungskinder und deren Mütter nimmt eine breitere deutsche Öffentlichkeit nur in den ersten Jahren der Nachkriegszeit wahr, als die Beziehungen von deutschen Frauen zu Besatzungssolden kontrovers diskutiert werden, wobei hier die Frauen, also die Mütter, im Fokus stehen. Erst ab 1952 erfährt das Thema wieder Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Allerdings stehen jetzt die Kinder im Vordergrund, was insbesondere für die bis dahin geborenen ca. 3.700 farbigen Besatzungskinder zutrifft. Die neue öffentliche Aufmerksamkeit hat zwei Gründe: Zum einen werden die ersten 1945/1946 geborenen Besatzungskinder im Frühjahr 1952 eingeschult, zum anderen sorgt der in diesem Jahr in den Kinos sehr erfolgreich laufende Film "Toxi" für Aufsehen. [88]
 
 
 

3.2.2.1 Wahrnehmung und Behandlung
durch die deutsche Öffentlichkeit

 
 
 
Ein Teil der öffentlichen Meinung, und hier insbesondere die aus dem Krieg zurückkehrenden, körperlich wie psychisch versehrten und desillusionierten Männer, reagiert auf das neue sexuelle Selbstverständnis vieler Frauen empört und aggressiv. [89] Als 'Amiliebchen', 'Amiflittchen' oder 'Tommibräute' werden diese Frauen bezeichnet und mit Hass, Ausgrenzung und gesellschaftlicher Diskriminierung belegt. Das dieses Verhalten nicht ganz frei von alten NS-Propagandaparolen geprägt ist, zeigt eine Aussage von Franz Josef Würmeling, ab 1949 Bundestagsabgeordneter der CDU und seit Anfang der 1950er Jahre Familienminister und Begründer der 'Kampfgruppe für die Familie'. Obwohl die 'Amiliebchen' zahlenmäßig eigentlich kaum relevant sind, sieht Würmeling in ihnen ein Sinnbild dessen, was die deutsche Frau nicht sein sollte.
"Ich hoffe, dass die Kampfgruppe sich über alle Partei- und Staatsgrenzen hinweg ausweitet, indem jedes Mitglied des Bundestages sich zutiefst der einzigartigen sittlichen und volklichen Aufgabe und Bedeutung unserer Familien, unserer Mütter und Väter bewusst wird und damit in eine gemeinsame große Kampfaktion für unsere Familie eintritt". [90]

Diese Äußerung Würmelings lässt schon früh den Geist erkennen, in dem der Deutsche Bundestag 1952 das Problem Besatzungskinder debattieren wird. [91]

Wird eine deutsche Frau von einem Besatzungssoldaten schwanger, müssen sie und ihr Kind mit Repressalien rechnen, die über das Maß hinausgehen, die schon eine 'normale' uneheliche Schwangerschaft mit sich bringt. So zwingt man eine Lehrerin mit dem Argument zu kündigen, sie solle Vorbild sein'. [92] Auf Grund dieses öffentlichen Drucks versuchen die Frauen oft, die Umstände der Zeugung des Kindes vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. [93] Wenn Frauen gar einen 'Mischling' zur Welt bringen, können sich wahre Tragödien abspielen mit bittersten Konsequenzen für die Mütter und insbesondere auch für die Kinder. Eine Frau mit unehelichem Kind wird gemieden, verhöhnt, beschimpft. Hat das Kind auch noch eine andere Hautfarbe, gilt sie als Verräterin: "Niggerhure'! Rassenschande! Das ist kein Kind, sondern eine Missgeburt; aus diesem Bastard kann nichts werden!" [94] lauten nicht unübliche Beschimpfungen.

Aber wie eine 1947 durchgeführte amerikanische Meinungsumfrage ergibt, lehnt nicht die ganze Bevölkerung Beziehungen zwischen deutschen Frauen und Soldaten der Besatzungstruppen ab oder steht ihnen sogar feindlich gegenüber; rund die Hälfte der Befragten gaben an, damit kein Problem zu haben. Inwieweit diese Umfrage repräsentativ ist und das tatsächliche Empfinden einer breiten Bevölkerung spiegelt, bleibt jedoch ungeklärt. [95]

Bei der Beurteilung, wie die Öffentlichkeit die Besatzungskinder in Westfalen und insbesondere in Münster wahrgenommen hat und auch wahrnehmen konnte, ist ein Blick in das Pressearchiv der Westfälischen Nachrichten [96] interessant. In den Nachkriegsjahren bis 1965 tauchen die Besatzungskinder kaum in den Artikeln dieser Zeitung auf und wenn, dann meistens nur mit kleinen Meldungen. Kein Redakteur findet das Thema so wichtig, dass er sich damit ausführlicher beschäftigt. [97]
 
 
 

3.2.2.2 Wahrnehmung und Behandlung
durch deutsche Behörden, Verbände und Institutionen

 
 
 
Die Jugendbehörden und Jugendwohlfahrtsverbände nehmen die Besatzungskinder und deren Mütter in den ersten Nachkriegsjahren hauptsächlich als ein rechtliches und finanzielles Problem wahr. Ihnen fällt die Aufgabe zu, für die unter Amtsvormundschaft stehenden Besatzungskinder zu sorgen. So leben bundesweit rd. 14 % dieser Kinder in Pflegefamilien oder Heimen, 25 % davon sind farbig. Auf Nordrhein-Westfalen bezogen sind es 13 %, wovon 42 % farbig sind.

Nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 erhalten die unehelich geborenen Besatzungskinder automatisch die Staatsangehörigkeit der Mutter und unterstehen zwangsläufig der Aufsicht des Jugendamtes oder eines von diesem amtlich bestellten Vormunds. [98] Die Mütter dieser Kinder haben, auch wenn die Kinder bei ihnen leben, nicht das Sorgerecht, sondern sie müssen sich in allen wichtigen, das Kind betreffende Fragen eng mit dem Vormund absprechen.

Aufgrund der besonderen Rechtssituation, unter denen die Besatzungstruppen stehen, sind Unterhaltsleistungen durch die Väter, anders als dies in Fällen von unehelichen Kindern zwischen deutschen Frauen und Männern der Fall ist, weder für die Mütter noch für die Jugendbehörden justiziabel. Dies bedeutet, dass für den Unterhalt der Besatzungskinder ausschließlich die Mütter und ihre Angehörigen oder die deutschen Sozialbehörden die Verantwortung tragen. [99]

Immer wieder machen sich insbesondere die Jugendwohlfahrtsverbände Gedanken über den Verbleib der farbigen Besatzungskinder, die in ihren Heimen leben. Zu diesen Verbänden, die mit der Jugendpflege und Jugendfürsorge befasst sind, gehört an erster Stelle der Deutsche Caritasverband. Nachdem Überlegungen, die farbigen Besatzungskinder über die Mission nach Afrika zu bringen, aus verschiedenen Gründen verworfen werden, stellt der Caritasverband weitere Überlegungen, den Verbleib dieser Kinder betreffend, an. In einem Schreiben an seine Diözesanverbände führt er im Oktober 1947 aus:
"[...] Diese Kinder werden in der deutschen Umgebung später immer auffallen, weshalb es zweckmäßig ist, sie in einem Land unterzubringen, das entweder von Kolonialbevölkerung durchsetzt ist, oder dessen Bevölkerung wie in Nordamerika zum Teil aus Farbigen besteht. Diese Mischlinge würden sich also in Nordamerika leichter durchsetzen können als es bei uns der Fall wäre. Auch wir sind der Meinung, daß [sic!] für diese Mischlinge das Milieu einer Stadt in Nordamerika passend wäre und haben uns in diesem Sinne an die betreffende Stelle gewandt mit der Bitte um Stellungnahme. [...]" [100]

Der Deutsche Caritasverband ist eng mit der katholischen Kirche verbunden. Neben den Überlegungen, farbige Besatzungskinder in Heimen in Nordamerika unterzubringen, bemüht er sich bis in die zweite Hälfte der 1950er Jahre auch darum, uneheliche Kinder und Waisenkinder, auch Besatzungskinder, zur Adoption in Familien nach Nordamerika zu vermitteln. Eng zusammen gearbeitet wurde in diesen Fällen mit dem NCWC, einer katholischen Organisation, die Adoptionsvermittlungen nach Amerika durchführt. [101]

Die Meinung der Kirche zu den Frauen, die sich mit Besatzungssoldaten einlassen oder sogar Beziehungen zu diesen eingehen, bringt der katholische Bischof von Passau Ende der 1940er Jahre auf den Punkt:
"Deutsche Mädchen, auch junge Kriegerfrauen, sogar Mütter schämen sich nicht, fremde Soldaten durch ihr aufreizendes Benehmen und ihre jedem Anstand hohnsprechenden Kleider herauszufordern, sich in dirnenhafter Weise förmlich aufzudrängen. Sie lassen sich leichthin um ein bisschen Genuss, um ein kurzes Vergnügen, das man sonst entbehren muss, verführen. Ich habe ausgeführt, dass man in den Kriegsjahren dem deutschen Namen Schmach angetan hat. Ich muss jetzt hinzufügen, dass dem deutschen Namen nicht minder große Schmach zufügen all die leichtsinnigen Frauen und Mädchen, die in frivoler Missachtung des sechsten Gebotes Gottes [102] durch ihre schamlose Haltung nicht nur sich selbst, sondern das ganze Volk als solches erniedrigen". [103]
 
 
 

3.2.2.3 Wahrnehmung und Behandlung
durch die deutsche Politik

 
 
 
In den ersten Nachkriegsjahren finden die Besatzungskinder bei den deutschen politischen Institutionen kaum Beachtung. Zu groß ist die Zahl der zu lösenden Probleme, als dass man sich hiermit hätte beschäftigen wollen, zumal das Problem auch noch nicht als solches wahrgenommen wird. Nachdem private Hilfsorganisationen 1951/1952 [104] erstmals nach Befragungen der öffentlichen und freien Wohlfahrtsorganisationen genauere Daten über Anzahl und sozialen Status der Besatzungskinder vorlegen, kann auch die offizielle Politik nicht mehr darüber hinweg sehen, dass sich hier in den letzten Jahren ein gesellschaftliches Problemfeld entwickelt hat. Insbesondere die farbigen Besatzungskinder spielen in der sich nun entwickelnden politischen Diskussion eine besondere Rolle. Hinzu kommt, dass die ersten Besatzungskinder der Jahrgänge 1945/4196 im Frühjahr 1952 schulpflichtig werden.

So kommt es am 12.3.1952 im Bundestag zu einer Debatte über die "unehelichen Kinder der Besatzungsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland". [105] Im Fokus stehen dabei die rechtlichen und außenpolitischen Komplikationen, die sich aus Unterhaltsansprüchen der betroffenen Kinder gegen ihre ausländischen Väter oder deren Regierungen ergeben könnten. Hervorgehoben wird aber, dass die bundesdeutschen Sozialeinrichtungen weiterhin mit erheblichen finanziellen Belastungen zu rechnen hätten, wenn die Väter oder deren Regierungen nicht zu entsprechenden Unterhaltszahlungen veranlasst werden könnten, auch unter Berücksichtigung der speziellen rechtlichen Bedingungen während der Besatzungszeit und auch noch unter dem Besatzungsstatut.

Neben den erwarteten außenpolitischen Komplikationen und den finanziellen Sozialbelastungen gehen die Redner in der Debatte insbesondere auch auf die Gruppe der farbigen Besatzungskinder ein, wobei auch die rassischen und ethnischen Besonderheiten dieser 'Mischlingskinder' ausführlich diskutiert werden. Die CDU-Abgeordnete Frau Dr. Rehling hierzu:
"Eine besondere Gruppe unter den Besatzungskindern bilden die 3.093 Negermischlinge, die ein menschliches und rassisches Problem besonderer Art darstellen. [...] Die verantwortlichen Stellen der freien und behördlichen Jugendpflege haben sich bereits seit Jahren Gedanken über das Schicksal dieser Mischlingskinder gemacht, denen schon allein die klimatischen Bedingungen in unserem Land nicht gemäß sind. Man hat erwogen, ob es nicht besser für sie sei, wenn man sie in das Heimatland ihrer Väter verbrächte. [...] Die in Nordafrika tätigen katholischen Missionare, die auch Waisenhäuser unterhalten, raten von der 'Abgabe' von Mischlingskindern ab. [...] Diese Mischlingsfrage wird also ein innerdeutsches Problem bleiben, das nicht einfach zu lösen sein wird. Wir müssen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Frage lenken, da zu Ostern 1952 die 1946 geborenen Mischlinge eingeschult werden. [...] Bei ihrer Einschulung beginnt für die Mischlingskinder nicht nur ein neuer Lebensabschnitt, sondern sie treten auch in einen neuen Lebensraum ein aus ihrer bisherigen Abgeschlossenheit. Sie fallen auf durch ihre Farbigkeit. [...] Bemühen wir uns daher, in Deutschland den Mischlingen nicht nur die gesetzliche, sondern auch die menschliche Gleichberechtigung zu gewähren. [...] Ich meine, wir hätten hier die Gelegenheit, einen Teil der Schuld abzutragen, die der Nationalsozialismus durch seinen Rassendünkel auf das deutsche Volk geladen hat." [106]

Bei den Überlegungen, die Kinder nach Afrika auszusiedeln, scheint man übersehen zu haben, dass diese Kinder zwar Väter mit schwarzer Hautfarbe haben, diese aber nicht aus Afrika stammen, sondern aus den Vereinigten Staaten.

Die Bundestagsdebatte im März 1952 endet damit, dass an die UNO appelliert werden sollte,
"... durch ihre guten Dienste Hilfe zu leisten, um in Deutschland einen Zustand zu beenden, der mit den Menschenrechten der von Besatzungsangehörigen unehelich gezeugten Kinder unvereinbar ist." [107]

Sie zeigt, dass jetzt von politischer Seite der 'Problemfall Besatzungskinder' zwar gesehen wird, aber die rechtlichen Bedingungen und Zwänge während der Besatzungszeit und Militärregierung und dem seinerzeit noch herrschenden Besatzungsstatut auch. Durch die Anrufung der UNO erhofft man sich Hilfe bei den Verhandlungen mit den alliierten Behörden. Auch wird deutlich, wie die Politik in der jungen Bundesrepublik über den Umgang mit ethnischen Minderheiten denkt; der häufig verwendete Begriff 'Rasse' lässt den Schluss zu, dass bei einigen Politikern die Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus und dessen Rhetorik noch nicht vergessen sind.
 
 
 

3.2.2.4 Wahrnehmung und Behandlung
durch die britischen Militärbehörden

 
 
 
Noch bis in die 1960er Jahre kann die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegenüber britischen Soldaten schwierig sein, wie der Fall einer Frau aus dem Kreis Fallingbostel zeigt. [108] Ihr Sohn wurde 1959 unehelich geboren. Als Vater gibt die Frau unter Eid einen Korporal der Britischen Armee an. Da dieser zu einer Anhörung vor dem Jugendamt nicht erscheint, wird er vor dem Amtsgericht Celle angeklagt. Die Klageschrift wird dem Beklagten aber nicht zugestellt. Der hierfür zuständige Service Liaison Officer teilt dem Gericht mit, dass der Korporal aus der Armee ausgeschieden sei, was aber im Widerspruch zur Aussage der Mutter steht, die den Soldaten noch kurz vorher in Uniform gesehen haben will. Dieser Vorgang zieht sich bis ins Jahr 1962 hin. Auf Anregung des Justizministeriums wird das Verfahren schließlich wegen geringer Erfolgsaussichten eingestellt. Unter den Soldaten der Stationierungsstreitkräfte ist es auch gängige Praxis, sich der Verantwortung einer unehelichen Vaterschaft dadurch zu entziehen, dass sie Kameraden anstifteten, vor Gericht auszusagen, auch sie hätten eine intime Beziehung zu der Mutter gehabt. Auch geht aus den Akten hervor, dass wiederholt Soldaten nach einer Klageerhebung zur Feststellung einer Vaterschaft in die Heimat oder einen anderen ausländischen Stationierungsort versetzt werden und somit dem Zugriff der deutschen Justiz entzogen sind. [109]

In Münster und Westfalen sind nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs u.a. auch zwei Regimenter der Irish Guards als Besatzungstruppen stationiert. Hierbei handelt es sich um ein ausschließlich aus Soldaten irischer Abstammung bestehendes Regiment. Im zweiten Regiment dienen auch Soldaten britischer Abstammung. Um zu erfahren, wie diese britischen Besatzungstruppen in Fällen vorgegangen sind, in denen britische Besatzungssoldaten mit deutschen Frauen uneheliche Kinder gezeugt haben, führen die Autoren ein Interview mit Henry Scanlon. [110] Henry Scanlon wird 1929 in Irland geboren. Mit 16 Jahren tritt er 1945 in die britische Armee [Irish Guards] ein. Mit 18 Jahren wird er nach Palästina und 1950 nach Deutschland [Hubbelrath bei Düsseldorf] versetzt. 1965 führt ihn eine weitere Versetzung nach Münster, wo er eine Deutsche heiratet und seitdem lebt. Zu seinen Aufgaben gehören die Betreuung britischer Soldaten und deren Familien in Deutschland, insbesondere auch bei deren Umgang mit deutschen Behörden. Auch heute noch erledigt er diese Aufgaben ehrenamtlich. Henry Scanlon ist Angehöriger des rein irischen Regiments der Irish Guards und hat nach seinen Aussagen persönlich keine Fälle erlebt, bei denen Angehörige der Irish Guards Väter von unehelichen Kindern mit deutschen Müttern sind. Für sein Regiment schließt er solche Fälle kategorisch aus, da diese Soldaten von ihren Regimentern zur Verantwortung gezogen worden wären. Er meint sich aber erinnern zu können, dass solche Fälle bei den in Handorf stationierten amerikanischen Soldaten vorgekommen sind [wörtliche Zitate aus dem Interview].
"Aber von meine persönliche Regiment kenne ich keine ... [überlegt] und von anderen habe ich nicht gehört. Aber, wenn so was ist, meine Verein ... [Anmerkung: sein Regiment] meine Verein ... [überlegt] wir würden die Leute verantwortlich machen. D.h. wir haben eine Abmachung [111] zwischen die deutschen Gerichte und unsere ... [überlegt] Chancery [Anmerkung: Kanzleigericht] in London ... nicht ... gegenseitige ... [überlegt] Unterhalt Abmachung, dass wenn die Frau kennt die Name dieser Person und sein Regiment, ich brauche das nur in Deutsch und Englisch zu schreiben ... ich brauche so eine Zettel ans Gericht [Anmerkung: hier meint er sicherlich ein Urteil auf Unterhaltszahlung] und dann schicke ich das nach England und die werden den Mann suchen und das Geld von ihm nehmen. Ob er will oder nicht, das ist uninteressant, die nehmen das von ihm." [112]

Er macht noch einmal deutlich, dass die meisten Soldaten des irischen Regiments streng katholisch waren und somit außereheliche sexuelle Beziehungen für sie nicht in Frage gekommen sind. Auf den Fall Alfred Lüttecke [113] angesprochen, in dem ein Soldat der Irish Guards Vater eines unehelichen Kindes mit einer Deutschen war, reagiert er erleichtert, als er hört, dass dieser Angehöriger des zweiten Regiments, also Brite, gewesen ist.

Henry Scanlon berichtet aus seinen Erfahrungen, dass es für britische Soldaten zwischen 1945 und 1949 nicht einfach war, mit deutschen Frauen ein Verhältnis anzufangen. Zum einen, weil dies die Frauen in vielen Fällen nicht wollten, zum anderen aber auch wegen des Fraternisierungsverbotes und, besonders sein Regiment betreffend, wegen der katholischen Vorgaben. Außerdem durften die britischen Soldaten in diesem Zeitraum ihre Kasernen nur in Uniform verlassen. Auf die Frage, ob britische Soldaten, nachdem eine Vaterschaftsklage vor einem deutschen Gericht gegen sie erhoben worden war, versetzt worden sind, räumt er ein, dass es solche Fälle gegeben hat. [114]

Die Aussagen von Henry Scanlon müssen unter dem Aspekt betrachtet werden, dass er erst 1950 nach Deutschland versetzt wird, als bereits das Besatzungsstatut gilt, und er nur vom Hörensagen über die Behandlung von unehelichen britischen Besatzungskindern durch die Militärbehörden berichten kann. Als er 1965 seine Tätigkeit als Verbindungsoffizier in Münster aufnimmt und er mit Fällen von unehelichen Kindern von Angehörigen der britischen Streitkräfte persönlich konfrontiert wird, gelten bereits ganz andere Gesetze. Die Bundesrepublik ist souverän und als Mitglied der NATO gelten auf ihrem Territorium die Regeln des NATO-Stationierungsabkommens. Außerdem sind für ihn als katholischen Iren uneheliche Kinder, gezeugt von britischen Soldaten, nicht mit seinem Weltbild vereinbar.

Bei der Recherche, wie die britischen Militärbehörden Fälle von unehelichen Kindern in ihrer Besatzungszone behandelt haben, sehen sich die Autoren mit der Problematik konfrontiert, dass dieser Teilbereich der Geschichte bisher wissenschaftlich wenig erforscht ist. Hinzu kam, dass sich die Akten der Militärbehörden aus dieser Zeit im British National Archiv in Kew bei London befinden und somit schon auf Grund der räumlichen Distanz und der zu erwartenden Kosten nur mit erheblichen Einschränkungen zur Verfügung standen. Es liegt zwar ein Sachinventar für die dort vorhandenen Akten vor [115], aber dieses ist in englischer Sprache und es bereitete einige Schwierigkeiten, aus der Vielzahl der dort aufgeführten Einträge die für dieses Projekt relevanten herauszufinden. Auch Anfragen sowohl beim Staatsarchiv in Hannover als auch beim German Historical Institut in London um Hilfe führten zu keinen befriedigenden Ergebnissen. [116]

Auch die Historikerin Sabine Lee kommt zu dem Schluss, dass es bis heute keine detaillierte Studie über die Haltung der britischen Militärregierung zu den deutschen Besatzungskindern in ihrer Besatzungszone gibt. Für diese war es ein Tabuthema, und es lag nicht in ihrem Interesse, dass diese Problematik in Deutschland oder in England thematisiert wurde. [117]
 
 
 

3.2.3 Rechtlicher Status der Mütter und
ihrer unehelichen Besatzungskinder
gegenüber den Vätern

 
 
 
Im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland liegt alle staatliche Macht [Verwaltung, Rechtssprechung usw.] bei den alliierten Besatzungsmächten. Die Rechtssprechung wird von diesen überwacht und es ist nicht möglich, Mitglieder oder Angehörige der Besatzungsstreitkräfte vor deutschen Gerichten anzuklagen, insbesondere nicht hinsichtlich der Anerkennung von Vaterschaften oder Unterhaltszahlungen. Selbst als 1949 das Besatzungsstatut in Kraft tritt, ist die neu gegründete Bundesrepublik nur eingeschränkt souverän. Nach wie vor behalten sich die Besatzungsbehörden [jetzt geleitet durch eine Hohe Kommission] Sonderbefugnisse vor. [118] 1950 werden die Bestimmungen dann weiter konkretisiert. So erlässt der Hohe Kommissar der Vereinigten Staaten am 11.8.1950 für die amerikanische Besatzungszone ein Gesetz, dass die deutschen Gerichte nun ausdrücklich ermächtigt, die Gerichtsbarkeit auch in nicht-strafrechtlichen Fällen über Angehörige der alliierten Streitkräfte auszuüben, doch mit folgenden Ausnahmen: "Die Vorschriften ... finden keine Anwendung auf Ansprüche wegen Beleidigung ... sowie Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft und Unterhaltsklagen von Kindern". Am 24.5.1951 beschlossen die Besatzungsmächte, dass in solchen Fällen auch das amerikanische Gericht der Hohen Kommission nicht zuständig sei. [119] Erst als Deutschland 1955 souverän wird und am 20.6.1956 ein "UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland" [120] unterzeichnet wird, ist es für deutsche Mütter möglich, auf Unterhalt zu klagen - aber weiterhin meist ohne großen Erfolg. So geben zum Beispiel die amerikanischen Militärbehörden die von deutschen Gerichten gefällten Urteile für Unterhaltszahlungen nur selten weiter (die Vereinigten Staaten waren, anders als die Bundesrepublik, das Britische Königreich und Frankreich, dem UN-Übereinkommen nicht beigetreten). [121] Obwohl die Bundesrepublik 1955 durch die Pariser Verträge Mitglied der NATO wird und die Bestimmungen des Stationierungsabkommens gelten, werden Verfahren vor deutschen Gerichten zur Feststellung der Vaterschaft und von Unterhaltszahlungen von den alliierten Militärbehörden oft hintertrieben, wie das aufgeführte Beispiel der Frau aus dem Landkreis Fallingbostel zeigt [122]. Auch heute noch ist es oft sehr problematisch, Urteile deutscher Gerichte, insbesondere in den Vereinigten Staaten, durchzusetzen. [123]
 
 
 
 

4. Biographische und typologische Vertiefung: Lebensläufe einzelner Besatzungskinder

 
 
 
Die Frage, wie Besatzungskinder in den Jahren zwischen 1945 und 1965 im Nachkriegsdeutschland, insbesondere in Westfalen, aufgewachsen und wie sich ihr weiterer Lebensweg bis heute gestaltet hat, lässt sich anschaulich und zeitnah durch die Untersuchung und Darstellung von Einzelschicksalen beantworten.

Hierzu haben die Autoren Interviews mit Besatzungskindern geführt. Bei der Organisation dieser Interviews mussten sie feststellen, dass eine Identifizierung von Besatzungskindern relativ problematisch ist. Zum einen sehen diese, aber oft auch deren nahes verwandtschaftliches Umfeld, die Umstände ihrer Herkunft auch heute nach 65 Jahren noch immer als Makel an, den sie aus ihrer Vita zu verdrängen versuchen und über den daher unter keinen Umständen gesprochen wird oder werden darf. Zum anderen ist davon auszugehen, dass viele Besatzungskinder, die bei ihren Müttern aufwuchsen und nicht farbig sind, von diesen nicht über ihre leiblichen Väter aufgeklärt worden sind. [124] Darüber hinaus war auch die Bereitschaft potentieller und identifizierter 'Betroffener', für ein Interview zur Verfügung zu stehen, in vielen Fällen nicht vorhanden. Im Gegenteil erfuhren die Autoren teilweise empörte Ablehnung, insbesondere auch aus dem privaten Umfeld dieser Personen. Die geführten Interviews wurden aufgezeichnet und für die wissenschaftliche Auswertung wörtlich transkribiert.

Im Folgenden werden anhand der in den Interviews gemachten Aussagen die Lebensgeschichten von zwei Besatzungskindern aus Münster geschildert und analysiert, die dritte Lebensgeschichte ist anhand früherer Interviews der Person rekonstruiert.

Hierbei sind sich die Autoren der Problematik bewusst, aus Einzelfallbeispielen auf die repräsentative Situation einer größeren Gesamtheit zu schließen. Aber sie glauben, dass die nachfolgend Lebensgeschichten typische Beispiele für das Aufwachsen von Besatzungskindern im Nachkriegsdeutschland sind.

Die im Folgenden zitierten wörtlichen Aussagen sind Auszüge aus den Interviews.
 
 
 

4.1 Hans Busch

 
 
 

4.1.1 Hintergrund

 
 
 
Hans Busch ist ein uneheliches Kind, entstanden aus einer Beziehung seiner Mutter im Mai 1945 in Dülmen mit einem farbigen Soldaten der amerikanischen Besatzungstruppen. Er wird am 7. Januar 1946 in Münster geboren. Seine Mutter hat es abgelehnt, ihn als ihren Sohn anzuerkennen und bei sich aufwachsen zu lassen. Nach Absprache mit ihrem katholischen Priester wird Hans Busch direkt nach seiner Geburt in die Obhut der Missionsschwestern im Krankenhaus in Hiltrup übergeben.
"Bisher war mir nur bekannt, dass ich aus Krankheitsgründen dort gewesen bin. Aber wie sich im Nachhinein herausstellte, war es eher eine Unterbringung auf Zeit, um mich dann gegebenenfalls, falls die Umstände es erlaubten, in die Mission mitzugeben oder mitzunehmen, damit ich dort, fernab von Deutschland, aufwachsen sollte." [125]

Auch der Deutsche Bundestag hat sich mit der Frage beschäftigt, was aus den farbigen Besatzungskindern werden soll. [126] Da es aber Widerstände, auch von den in der afrikanischen Mission tätigen Missionare gegen eine solche, im Bundestag vorgeschlagene Vorgehensweise gab, blieb den farbigen Besatzungskindern, und damit auch Herrn Busch, letztlich diese 'Umsiedlung' erspart. Hans Busch ist immer davon ausgegangen, dass seine Mutter Opfer einer Vergewaltigung geworden ist, bis er im Frühjahr 2010 aus dem verwandtschaftlichen Umfeld seiner Mutter erfährt, dass seine Mutter eine Beziehung zu dem amerikanischen Soldaten hatte. Dieser wird als 'netter Kerl' beschrieben, der verheiratet war, in Detroit lebte und nach seiner Dienstzeit nach Amerika zurück gegangen ist.

Hans Busch steht, dass lässt sich seinen Ausführungen entnehmen, unter der Vormundschaft eines vom Jugendamt bestellten Einzelvormunds.
 
 
 

4.1.2 Lebensgeschichte

 
 
 

4.1.2.1 1946 - 1951: Kindheit in Hiltrup

 
 
 
Bis zu seinem fünften Lebensjahr wächst Hans Busch bei den Missionsschwestern im Hiltruper Krankenhaus auf. An diese Zeit hat er beste Erinnerungen.
"Ich war dort als einziges schwarzes Kind [...] Dann haben mich auch dort die Ordensfrauen in ihr Herz geschlossen und ich bin wirklich sehr behütet dort aufgewachsen [...] Also eine sehr fast familiäre, fast mütterliche Annahme von diesen Frauen, so dass ich im Grunde eigentlich frühkindliche Beschädigungen im Sinne von Verwahrlosung oder nicht angenommen sein, nicht hatte. Das hat mir im Grunde eigentlich ein Selbstbewusstsein mitgegeben, das ich auch in meinem späteren Leben immer wieder darauf zurück gegriffen habe und habe gesagt, ich bin gut aufgewachsen und ich habe [überlegt] mich auch nicht zurück gesetzt gefühlt. Ich habe mich nie zurück gesetzt gefühlt, sondern ich hatte immer das Gefühl, ich bin zwar anders, dass ist richtig, aber ich bin gemocht." [127]
 
 
 

4.1.2.2 1951 - 1960: Kinderheim in
Hamm und Schulzeit

 
 
 
Im Alter von fünf Jahren kommt Hans Busch in das katholische Kinderheim Vorsterhausen in Hamm, wo er auch ab 1952 die damals übliche achtjährige Volksschule besucht. Auch an diese Zeit hat er gute Erinnerungen.
"Meine Kindheit im Kinderheim ist eigentlich recht gut verlaufen. Ich war eines von drei schwarzen Besatzungskindern zur damaligen Zeit im Heim und hatte so etwas wie eine privilegierte Stellung, weil ich sehr musikalisch war, sehr gute Auffassungsgabe hatte und auch sonst ein eigentlich sehr verträglicher Mensch war, so dass ich im Grunde eigentlich von Repressalien oder Sonstigem weitestgehend verschon geblieben bin, was ich von den anderen beiden so nicht sagen konnte." [128]

Er ist der einzige farbige Schüler in seiner Klasse, gilt als aufgeweckt und sozial engagiert. Als Klassensprecher verschafft er sich Respekt.

Der Besuch einer weiterführenden Schule [Realschule oder Gymnasium] kommt für Hans Busch aus Kostengründen nicht in Frage, obwohl seine Zeugnisse dies durchaus zulassen.
Aber auch hieraus lassen sich nicht unbedingt Repressalien oder Zurückstufungen aufgrund seiner Herkunft oder Hautfarbe ableiten, die meisten Schüler schlossen ihre Schulkarriere damals in der Volksschule ab. [129]

"Ich muss wirklich sagen, ich habe dort [Anm.: in den Heimen] keine schlechten Erfahrungen gemacht! Ich habe das übliche Erziehungsklischee der damaligen Zeit natürlich auch mitbekommen, d.h. also, wenn ich etwas ausgefressen hatte, habe ich natürlich auch meine 10 Schläge durch die Finger bekommen, aber das war, wenn ich das mal so salopp sagen darf, das war gang und gäbe, das war der Erziehungsstil der damaligen 50er Jahre in diesem Heim. Ich habe keinen seelischen Schaden davon getragen, das muss ich auch sagen, also für mich war das oder ist das zeitbezogen normal." [130]

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Hans Busch während seiner Zeit im Kinderheim in Hamm, ca. 1954.

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Hans Busch (links) mit Schulkameraden im Kinderheim in Hamm, ca. 1957.

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Hans Busch mit einer Erzieherin nach dem Schulabschluss während seiner Zeit im Kinderheim in Hamm, ca. 1960.
 
 
 
 
 
 

4.1.2.3 1960 - 1962: Lehrjahre und
stürmische Jugend [131]

 
 
 
Auch nach Beendigung der Volksschule macht Hans Busch auf seinem weiteren Lebensweg nach seinen Aussagen weiterhin meist gute Erfahrungen. Sein damaliger Vormund vermittelt ihn zu einer kaufmännischen Lehre in einen Teppichhandel in Münster.
"Ich habe die Lehre eigentlich mit einem recht positiven Gefühl angefangen, weil es etwas anderes war als bei anderen Kinder aus dem Heim, die dann doch eher in handwerkliche Betriebe hinein vermittelt wurden oder auf Bauernhöfe, wo ich im Nachhinein sagen muss, dass die es nicht ganz so gut getroffen haben." [132]

Die Lehre im Teppichhandel muss er nach einem Jahr wegen eines Rückenleidens aufgeben.

"Ich habe dann einen zweiten Lehrversuch bekommen in Dortmund in einer Musikalienhandlung [...]. Ich war damals 15 Jahre, mitten in der Pubertät und hatte mich unsterblich in ein Mädchen verliebt und das hat dann natürlich auch wiederum zu Schwierigkeiten geführt und ich sah dann keinen anderen Ausweg, als dass ich mich dann mit, ja, mit nicht ganz legalen Mitteln, 100 € [korrigiert sich] 100 DM damals, verschafft habe und wollte dann in die Fremdenlegion gehen. Aber dieses Unterfangen ist dann relativ rasch beendet worden. Ich war in Breisach, ich war da noch kurz auf der französischen Seite und habe mein Datum etwas nach ..., also mein Geburtsdatum, etwas nach oben gesetzt, was mir allerdings nicht geglaubt wurde, so dass ich nach einer gewissen Zeit wieder nach Deutschland zurück kam." [133]

Er beginnt eine dritte Lehre als Bäcker, die er aber auch nicht beendet. [134]

Hans Busch wohnt zu dieser Zeit in einem Gesellenheim, das von einem Männerorden geführt wird. Hier wird er, aus der relativ behüteten Heimumgebung gerissen, auch zum ersten Mal mit massiven rassistischen Anfeindungen durch die übrigen Heimbewohner in seinem Alter, häufig aber älter, konfrontiert.
"Die Bedingungen waren im Verhältnis zu meinem Aufenthalt in Hamm etwas schwieriger, weil hier eine ..., weil hier Gruppen ..., weil hier Gruppen zusammen kamen, die im Grunde ebenfalls aus ärmlichen Verhältnissen stammten. Und was regelmäßig zu Streit geführt hatte, waren eben die Taschengeldgeschichten. Die 5 DM, die man damals als Taschengeld bekam, musste man mit Händen und Füßen verteidigen und das hat dann auch oft zu bösartigen Diskriminierungen und auch körperlichen Auswirkungen geführt." [135]
 
 
 

4.1.2.4 1962/1963 - 1966: Kontaktaufnahme
zur Mutter und neue Lehre

 
 
 
Als ihn sein zweiter Vormund 1962, er ist jetzt 16 Jahre alt, ermuntert, Kontakt zu seiner Mutter aufzunehmen, erfährt er erstmals Details über seine Herkunft. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Hans Busch für sich akzeptiert, dass er nicht weiß, wer seine Eltern sind. Auch seine Mutter hat seinen Lebensweg bis dahin nicht verfolgt. Er erfährt nicht nur, dass er eine ältere Halbschwester hat, sondern eine Tante berichtet ihm auch über die Umstände seiner Zeugung. Auf Intervention seiner Halbschwester hin nimmt seine Mutter ihn bei sich auf und verschafft ihm eine Lehrstelle als Zahntechniker in Dülmen. Diese Lehre schließt er 1966 mit der Gesellenprüfung ab. Wie er erst 2010 erfährt, wollte ihn eine Tante während seiner Lehrzeit in Dülmen adoptieren, was seine Mutter aber abgelehnt hat.
 
 
 

4.1.3 Klare Perspektiven und Neubeginn

 
 
 
Nach seiner bestandenen Gesellenprüfung zum Zahntechniker verpflichtet er sich 1966 mit 20 Jahren für acht Jahre bei der Bundeswehr. Nach seinen Aussagen unterliegt er auch während seiner Bundeswehrzeit keinen Repressalien, die er auf seine Hautfarbe oder Herkunft zurückführen muss.

Den Kontakt zu seiner Mutter hat er zu diesem Zeitpunkt bereits abgebrochen. Als Grund nennt er im Interview
"[...] weil halt eben doch immer dieses unausgesprochene Geschehen in 45 nicht thematisiert werden durfte. Weil mich das unbefriedigt gelassen hat und ich habe meine Mutter auch ... ich bin zwar zu ihrer Beerdigung gewesen, aber ich habe sie bis dahin nicht gesehen, nicht mehr gesehen." [136]

Die Bundeswehr verlässt Hans Busch 1974 mit 28 Jahren als Oberfeldwebel. Nach einigen Stellen als Zahntechniker besteht er die Meisterprüfung und macht sich selbständig.
An eine weitere Situation, in der er, außer in seiner Zeit im Junggesellenheim in Münster, 'negative' Erfahrungen aufgrund seiner Person gemacht hat, erinnert er sich im Interview. Er hat vor seiner Meisterprüfung eine Stelle als Zahntechniker in Bonn angenommen.
"Doch, eine Geschichte muss ich Ihnen doch noch erzählen, was Ablehnung anbelangt. Das Problem, und das teile ich mit vielen schwarzen Deutschen, das Problem ist immer, kann man sich einen solchen jungen Mann als Schwiegersohn vorstellen? Und, da muss ich sagen, ich bin dreimal verlobt gewesen, zweimal ist es dann ... dreimal ist es dann wirklich auch fürchterlich in die Hose gegangen. [...] Ich hatte eine Stelle in Bonn angetreten. Dort hatte ich die Tochter des Laborleiters oder des Laborinhabers kennen gelernt, lieben gelernt. Und als meine damalige Verlobte sagte, ja dann ... oder meine damalige Freundin sagte, lass uns doch verloben. Ich sagte, ja, ich habe da nichts dagegen. Da hat der ... ihr Vater, dann auch in meinem Beisein gesagt, 'hör mal zu, mit dem kannst du dir zwar die Hörner abstoßen, aber heiraten wirst Du den nie'. [lacht] Also, dass war so, [überlegt] also das ist immer die Schwierigkeit. Mit den Madels [sic!] kommt man ganz gut aus, aber mit den Eltern wird es dann schwierig, um das auf den Punkt zu bringen, weil das doch eine ganz andere Situation dann war. Aber ich habe das nicht für mich verinnerlicht. [lacht]" [137]

Hans Busch ist Mitglied im ISD, der 'Initiative Schwarzer Deutsche'. Über diese Organisation sagt er
" ... die haben halt andere Erfahrungen gemacht, als ich sie gemacht habe, die sich dort zusammen gefunden haben und haben gesagt, wir müssen schauen, dass wir uns gegenseitig stärken. Dass wir auch deutlich machen, dass wir Deutsche sind, keine Ausländer, sondern Deutsche und dass wir hier leben und dass wir als Deutsche behandelt werden wollen. [...] Aber das hat sich so ein bisschen auch überlebt. Ich glaube, die Gesellschaft insgesamt ist dort Gott sei Dank toleranter geworden." [138]

Auf die Frage, ob er jemals versucht habe, seinen Vater zu finden, antwortet er:
"Ja, es gab eine Zeitlang ..., es gab eine Zeit, wo ich mir darüber Gedanken gemacht habe. Ich habe auch meinen Vormund gefragt, aber es war doch sehr mühsam, weil meine Mutter keine Auskunft gegeben hat, mir nicht, auch später nicht, sodass ich keinen Anfasser hatte, wo ich mich hätte hinwenden können. Deswegen habe ich das nach einer Zeitlang, nach einer Zeit aufgegeben und ich denke, wenn man dann so um 30 herum ist, dann hat man auch das Gefühl, ok, es ist nicht, ich habe keinen Vater oder ich habe meinen Vater nicht gekannt." [139]

Heute ist Hans Busch im Ruhestand und lebt mit seiner Frau in Münster. Hans Busch ist auch heute noch vielseitig interessiert, engagiert sich für Jugendliche und hält Seminare in Schulen zum Thema Überwindung von Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit ab. Eine in Münster erscheinende Zeitschrift nannte ihn den "schwarzen Paohlbürger". [140]
 
 
 

4.2 Alfred Lüttecke

 
 
 

4.2.1 Hintergrund

 
 
 
Alfred Lüttecke ist 1994 an Multipler Sklerose erkrankt und lebt heute in einem Pflegeheim in Münster. Da er sich aufgrund seiner Krankheit nicht mehr verständlich artikulieren kann, hat es seine Ehefrau, Christel Schanze-Lüttecke, übernommen, das Interview zu führen. Sie ist nach langjähriger Ehe über den Lebenslauf ihres Mannes bestens informiert. Alfred Lüttecke war während des gesamten Interviews anwesend, war geistig im Stande, dem Gesagten zu folgen und hat die Aussagen seiner Frau durch Gesten und Geräusche kommentiert. Frau Schanze-Lüttecke verbindet ihre Aussagen immer wieder mit direkter Ansprache an ihren Mann.

Alfred Lüttecke ist ein uneheliches Kind, entstanden aus einer Liebesbeziehung zwischen seiner Mutter und einem britischen Besatzungssoldaten. Er wird am 7. September 1946 in Münster geboren. Der leibliche Vater ist in England verheiratet, will sich aber scheiden lassen, die deutsche Mutter und das Kind nach England holen und sie dort heiraten. Diesen Schritt will die 19jährige Mutter jedoch nicht wagen und heiratet 1946 einen Deutschen, Herrn Lüttecke. Hierzu Frau Schanze-Lüttecke im Interview:
"Dann hat sie auch dem Vater geschrieben. 'Schreib bitte nicht mehr, ich habe einen Vater für den kleinen Alfred gefunden. Kontaktier mich nicht mehr, ich ziehe mein Kind mit diesem Mann groß'." [141]

Alfred Lüttecke hat bis zu seiner Adoption durch seinen nicht leiblichen Vater einen vom Jugendamt bestellten Einzelvormund.
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Alfred Lüttecke mit Mutter, ca. 1947
 
 

4.2.2 Lebensgeschichte

 
 
 

4.2.2.1 Ab 1946: Aufwachsen in der neu gegründeten Familie

 
 
 
Nachdem seine Mutter Herrn Lüttecke geheiratet hat, bekommt sie von ihm noch drei weitere Kinder. Alfred Lüttecke wächst in der Familie zwar ganz normal auf, hat aber Besonderheiten.
"Also, so dass mein Mann ein Kind war, das älteste Kind dieser Mutter und seine Hinwendung galt nur der Mutter, [betont] nicht dem Vater. Und, was der Vater, hat sich rührend um ihn gekümmert, aber, hat er [Anmerkung: Alfred] ihn immer spüren lassen, du bist nicht mein Vater [...]. Aber er hat immer [überlegt] er fühlte sich immer als Außenseiter. Er war auch von seinem Wesen her ein ganz anderer Typ, hat mir seine Mutter erzählt. Er war introvertiert, immer still, ruhig, während die anderen lebhaft und haben versucht, ihn immer so [überlegt] ein bisschen zu unterdrücken". [142]

Über das Verhältnis von Alfred Lüttecke zu seinem Vater:
"Er hatte großen Respekt, das weiß ich wohl, er hatte riesigen Respekt seinem Stiefvater gegenüber. Er hat ihm [...] niemals ein Widerwort gegeben. Er war ein Patriarch, also einer der sagte, wo es lang ging [...]. Er sagte, ich verdiene das Geld und ich habe auch immer Recht." [143]

4.2.2.2 Ab 1952: Schulzeit

Mit sechs Jahren wird Alfred Lüttecke in der Hermann-Schule in Münster eingeschult. Da Herr Lüttecke ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht adoptiert hat, steht er immer noch unter Vormundschaft, wovon er aber keine Ahnung hat. Auf Fragen zu diesem Punkt erklärt Frau Lüttecke:
"Nein, nein, weil er gar nichts wusste, er wusste ja von dieser Sache gar nichts. Man hatte ihm ja gar nicht gesagt, dass das nicht sein Vater ist. Er wusste auch nichts von einem Vormund, das wurde alles so hinter seinem ..., das hat er nicht gemerkt". [144]

Das rechthaberische Verhalten zeigt der Vater nur Alfred Lüttecke gegenüber, nicht seinen anderen Kindern. Die Mutter, zu der Alfred Lüttecke immer ein besonders inniges Verhältnis hat, muss in dieser Zeit immer ausgleichend einwirken, um es zu keiner Eskalation mit dem Vater kommen zu lassen. [145]

Während der Schulzeit erkrankt Alfred Lüttecke schwer. Er muss häufiger zur Kur und trägt einen Herzfehler davon. An Sport in der Schule ist nicht zu denken. Er gilt als hilfsbedürftiger Junge, der jedem Streit aus dem Weg geht. Auf Grund seines liebenswürdigen Wesens erhält er aber auch die benötigte Hilfe. Seine Mutter führt diese Eigenschaft auf den leiblichen Vater zurück, wie sie Frau Schanze-Lüttecke gegenüber wiederholt erklärt.

Er gilt als guter Schüler und entdeckt früh seine musische Ader.
"Und Deine Liebe zur Musik hast Du früh festgestellt. Und warst auch ein guter Schüler, aber zur höheren Schule gehen wolltest Du nicht, obwohl man Dich dazu gedrängt hat, aber das wolltest Du nicht. Es wurde dann ja auch kein Druck ausgeübt. Die Lehrer ja, aber nicht die Eltern". [146]

In der Schule erhält Alfred Lüttecke die benötigte Unterstützung durch seinen Freund Heinz-Otto, mit dem er auch seine Freizeit verbringt und u.a. Radtouren unternimmt. Die Freundschaft hat bis heute überdauert.
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Alfred Lüttecke als Kommunionkind, ca. 1956
 
 

4.2.2.3 1960: Adoption durch
Herrn Lüttecke

 
 
 
Alfred Lüttecke erfährt von seiner Oma, nicht von seiner Mutter, dass Herr Lüttecke nicht sein leiblicher Vater ist, sondern er das Kind eines britischer Besatzungssoldaten ist. Hierauf reagiert er zunächst panisch, lässt sich aber nach außen wenig anmerken. Er will von zu Hause weg ["zur See"] und seinen leiblichen Vater suchen, lässt dieses Vorhaben jedoch fallen. Auch ihren drei anderen Kindern hat die Mutter nichts von der anderen Abstammung ihres Bruders erzählt. Hierzu Frau Schanze-Lüttecke im Interview:
"Die fielen aus allen Wolken. [...]. Also es war, darum sage ich ja, jetzt können wir das sagen, weil die Mutter nicht mehr lebt. Zu Lebzeiten hätte sie nicht verwunden, wenn wir diese Geschichte an die Öffentlichkeit gebracht hätten. Und so wird es anderen auch gehen." [147]

Darüber hinaus hatte die Mutter ihm, nachdem er über seine Herkunft informiert worden war, verboten, im Verwandtenkreis und auch sonst über seinen leiblichen Vater zu reden.
 
 
 

4.2.2.4 Ab 1960: Nach der Schulzeit
- Lehrjahre

 
 
 
Nach dem Abschluss der Volksschule entscheidet sich Alfred Lüttecke für eine Bäckerlehre in der Konditorei Bücker in Münster, die er aber nach kurzer Zeit wegen einer Mehlallergie aufgeben muss. Im Anschluss daran beginnt er eine Lehre bei der Firma Ate-Gefriermaschinen, die er 1964 mit der Prüfung zum kaufmännischen Angestellten erfolgreich beendet. In dieser Zeit entdeckt Alfred Lüttecke seine Liebe zum Tanzen und baut damit auch soziale Kontakte auf.
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Alfred Lüttecke (rechts) mit Freund Heinz-Otto, ca. 1961
 
 

4.2.2.5 Ab 1964: Erste Arbeitsstelle

 
 
 
Nach der Lehre bekommt Alfred Lüttecke einen ersten Arbeitsplatz als Kassierer bei Horten. Er gilt nicht als sehr ehrgeizig, erledigt seine Aufgaben jedoch zur Zufriedenheit. Er verdient relativ gut und entwickelt seine Leidenschaft für das Tanzen und das Autofahren. In dieser Zeit lernt er auch seine spätere erste Frau kennen. Er wohnt noch zu Hause und muss dort erhebliche Summen an Kostgeld zahlen. Frau Schanze-Lüttecke hierzu im Interview:
"Ich weiß auch, dass Du immer Geld abgeben musstest, und zwar kräftig [...]. Und da hat Deine damalige Freundin, die Karin, die hat gesagt, dann können wir auch heiraten." [148]
 
 
 

4.2.2.6 Ab 1966: Bundeswehr, erste
Heirat Scheidung und zweite Heirat

 
 
 
Seinen Wehrdienst absolviert er zwischen 1966 und 1968 in Wuppertal und Münster. Direkt im Anschluss an den Wehrdienst heiratet er. Er bekommt eine Tochter und einen Sohn. Aber die Ehe hält nicht; 1986 wird er geschieden. Seine Frau und seine beiden Kindern brechen jeden Kontakt zu ihm ab. Im selben Jahr heiratet er seine heutige Frau.
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Alfred Lüttecke, ca. 1966
 
 

4.2.2.7 Ab 1994: Die Suche nach
dem leiblichen Vater

 
 
 
Seit er von seiner Herkunft erfahren hat, beschäftigt ihn der Wunsch, seinen leiblichen Vater zu finden und kennen zu lernen. Über den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes versucht Alfred Lüttecke, ihn in England ausfindig zu machen. Aber in einem Schreiben wird ihm 1994 mitgeteilt:
"Sehr geehrter Herr Lüttecke, leider sind wir nicht in der Lage, Ermittlungen nach Ihrem Vater durchzuführen. Das britische Rote Kreuz, welches wir in ähnlichen Fällen um Nachforschungen gebeten haben, sieht sich außerstande, solche Suchanträge zu bearbeiten, da es aufgrund gesetzlicher Vorschriften nicht gestattet ist, Daten aktiver und auch im Ruhestand befindlicher Armeeangehöriger zu ermitteln bzw. weiterzugeben. Es empfiehlt den Antragstellern, selbst mit Hilfe des beigefügten Formulars eine Anfrage an folgende Adresse zu richten:

Ministery of Defence
Records Office
Bourne Avenue
H a y e s
Middelesex UB 1RF

Wir hoffen, daß es Ihnen auf diesem Wege gelingt, Ihren Vater zu finden und wünschen Ihnen bei Ihren Nachforschungen viel Erfolg." [149]

Gemeinsam mit seiner Frau nimmt Alfred Lüttecke jetzt die direkte Suche nach seinem leiblichen Vater in England auf. Von seiner Mutter weiß er, dass sein Vater Angehöriger der Irish Guards war. Also beginnen sie die Suche im Hauptquartier dieser Einheit in London - und haben tatsächlich Erfolg. Sie finden den leiblichen Vater, Herrn Alfred Sidney Smith, in einem Altenheim in London. [150]

Die Mutter reagiert auf dieses Ereignis überglücklich, aber ...
"Ja, da war sie ja verheiratet und da sagte sie, dass darf ja der Hermann [Anmerkung: ihr Ehemann] nicht erfahren, der schlägt mich tot, sagte sie, wenn der das erfährt." [151]

Aber Alfred Lüttecke und seine Frau - die Mutter kann sich wegen ihres Mannes hieran nicht beteiligen - halten zu Herrn Smith in London Kontakt und dieser kommt Weihnachten 1994 nach Münster und wohnt bei den beiden.
"Und dann haben wir das hingekriegt, dass Deine Mutter alleine mal kam [...] Und sie war mächtig in die Breite gegangen, nicht, und da sagte er [...] 'oh, but she is lovely, but she is lovely'." [152]

Im Frühjahr 1995 stirbt der Ehemann der Mutter plötzlich an einem Herzinfarkt. Die Mutter ist nun frei und die Beziehung zwischen ihr und Herrn Smith lebt neu auf.
"Ja, und dann haben wir es so gemacht, in der Zukunft dann, nach so einem Vierteljahr oder was, dass Dein Vater aus England rüber gekommen ist und hat bei ihr 14 Tage Urlaub gemacht. Er hatte gut gespart, hatte schönes Geld, konnte sich einen Flug locker leisten. Deine Mutter war nicht so begütert, aber er hatte ganz gut Geld und dann hat er sie finanziell immer sehr gut unterstützt und hat sie, ist sie mal nach England gereist, hat sie ihn besucht und hat sie da mal Urlaub gemacht. Und wenn die mal bei uns waren zum Kartenspiel - Händchen haltend gingen sie wieder weg." [153]
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Mutter mit leiblichem Vater, ca. 1995
 
 

4.3 Erwin Kostedde

 
 
 
Erwin Kostedde hat schon als Jugendlicher sein natürliches Talent für den Fußballsport entdeckt. Nach den Anfängen bei Saxonia Münster wird er Spieler bei Preußen Münster und später auch Profispieler bei verschiedenen Vereinen in der Bundesliga und im europäischen Ausland. 1975 bestreitet er drei Länderspiele und er ist der erste farbige Spieler in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. [154]

Mit Herrn Kostedde konnte, trotz erheblicher Bemühungen seitens der Autoren, kein persönliches Interview geführt werden. Da er aber auf Grund seiner sportlichen Berühmtheit und seiner gesamten Lebensgeschichte ein besonderes Besatzungskind aus Westfalen ist und sein Lebensweg für diese Untersuchung von Bedeutung ist, griffen die Autoren für diese Arbeit auf Interviews zurück, die Herr Kostedde in der Vergangenheit gegeben hat. Ein detaillierter Lebenslauf mit zeitlich nahen Ereignissen konnte aber aus diesen Gründen nicht erstellt werden. Über die Vormundschaftsverhältnisse von Herrn Kostedde liegen keine Informationen vor, es ist aber zu vermuten, dass er unter der Vormundschaft des Jugendamtes stand.
 
 
 

4.3.1 Hintergrund

 
 
 
Geboren wird Erwin Kostedde am 21. Mai 1946 in Münster. Er ist ein uneheliches Kind, das seinen Vater, einen afroamerikanischen Besatzungssoldaten, nie kennengelernt hat. Die Mutter hat ihren Ehemann im Krieg verloren. Erwin Kostedde wächst bei seiner Mutter mit sechs älteren Geschwistern in Münster auf. Zeit seines Lebens wird er, wie er wiederholt äußert, aufgrund seiner Hautfarbe angefeindet und rassistisch geschmäht. Dies nicht nur in seiner Kindheit und Jugendzeit, sondern auch später als Fußball-Profi und in der Zeit danach.
 
 
 

4.3.2 Kindheit und Jugend

 
 
 
Über seine Kindheit in Münster berichtet er in einem Interview, das er einer Sportzeitung gibt. Auf die Frage des Journalisten, ob ihn die Schmähungen aufgrund seiner Hautfarbe nicht von Kindheit an verfolgt haben, antwortet er:
"Natürlich. Die Väter der anderen kamen aus der Kriegsgefangenschaft wieder und da hieß es: 'Was ist denn das für einer?' Manchmal merkte ich auch, dass es Eltern nicht mochten, wenn ich mit den anderen Kindern spielte. Ich habe Dinge erlebt, die kann ich nicht erzählen. Im 'schwarzen' Münster war es schon schlimm, wenn Du sonntags in Jeans herumliefst, aber ich trug tagaus, tagein die falsche Hautfarbe. Nach dem Krieg waren wir in Münster drei Mischlinge und wir kannten uns alle drei. Der erste war Messdiener und kam nach einer Beerdigung bei einem Verkehrsunfall um. Der zweite ertrank im Aasee. Da bekam ich schon als Kind panische Angst, dass irgendein Unheil oder Fluch über uns liegen würde". [155]
 
 
 

4.3.3 Karriere und 'Scheitern'

 
 
 
Seine Fußballerkarriere beginnt Mitte der 1960er Jahre bei Preußen Münster. Sein Debüt in der Bundesliga hat er 1967/1968 beim MSV Duisburg. Danach folgen drei hervorragende Jahre bei Standard Lüttich in Belgien. Anschließend führt ihn sein Weg zurück in die Bundesliga zu den Offenbacher Kickers. Mittlerweile ist er einer der meist umworbenen und teuersten Fußballer Deutschlands. Weitere Stationen sind Hertha BSC Berlin, Borussia Dortmund, Stade Laval in Frankreich und Werder Bremen. 1983 beendet er seine Fußballkarriere in Osnabrück. Nach seinem Karriereende versuchte er sich vergeblich als Trainer, u.a. beim Verbandsligisten Sportfreunde Oesede. [156]

2001, mittlerweile arbeitsloser Sportlehrer, nach einer Operation am Kreuzband krankgeschrieben und verrentet, gibt er stern.de im Alter von 55 Jahren ein Interview:
"Vom Fußball sind mir nur Erinnerungen geblieben, und dafür kann ich mir nichts kaufen. Manchmal in einer stillen Stunde denke ich: Hättest du bloß nie gegen den Ball getreten, Erwin. Wärst du lieber was Anständiges geworden." [157]

Im Interview mit Revier Sport erinnert er sich, kurz nachdem er 1975 Fußball-Nationalspieler geworden war, weiter:
"Ich stand da, der kleine farbige Junge aus Münster, dem die Schulkameraden ins Ohr geflüstert hatten: 'Gleich kommen die Deutschen und erschießen Dich. Du bist ein Ami'". [158]

In seiner aktiven Zeit verdient er für damalige Verhältnisse sehr viel Geld, verliert dieses aber durch dubiose Berater wieder.

Weiter aus dem Interview mit Revier Sport:
"Es liefen 22 Spieler auf und nur einer stach heraus: Ich - der Farbige Erwin Kostedde. Das war kein Segen, sondern eine Last! Als Farbiger musste man also immer besser sein oder man ging unter. Das habe ich schnell gelernt". [159]

Auch nicht zuletzt auf rassistische Anfeindungen führt er zurück, dass er 1990, wie sich später herausstellt fälschlicherweise, eines bewaffneten Überfalls auf eine Spielhalle in Coesfeld angeklagt wird und lange sechs Monate in Untersuchungshaft sitzt. In einem Interview sagt er hierzu:
"Die Geschichte mit dem Überfall hat mich schon gezeichnet. Das kann keiner verdauen. Ich war frustriert, beleidigt. Da wird man abgestempelt. Für mich ist damals eine Welt zusammengebrochen. Das man so etwas von mir überhaupt annehmen konnte. Das wird nie erledigt sein, da hängt zu viel dran, das nehme ich mit ins Grab, hundertprozentig". [160]

Erwin Kostedde wird freigesprochen und er bekommt für die erlittene sechsmonatige Untersuchungshaft eine Haftentschädigung in Höhe von 3.000,- DM.

Noch einmal aus dem Gespräch mit stern.de:
"Ich war damals stolz, Nationalspieler zu sein. Heute kennen mich die Jungen nicht mehr. Da werde ich behandelt wie jeder andere Farbige. Beispiel: Ich warte mit dem Einkaufskorb an der Supermarktkasse. Sagt so ein Typ: 'Guck mal, was die Asylanten sich alles leisten können'. Manchmal rege ich mich noch auf. 'Hören Sie, ich bin Deutscher, 1946 hier in Münster geboren und so'". [161]

Erwin Kostedde lebt heute als Rentner mit seiner Frau in einer kleinen Gemeinde im Münsterland.
 
 
 

4.4 Zusammenfassungen und
Schlussfolgerungen

 
 
 
Hans Busch gehört sicherlich zu denjenigen Besatzungskindern, die trotz der schwierigen Begleitumstände ihrer Herkunft und Hautfarbe eine weitgehend glückliche Kindheit und Jugend in den Heimen verlebt haben. Das Aufwachsen bei den Missionsschwestern in Hiltrup und im Kinderheim in Hamm verläuft, was er in seinen Aussagen wiederholt betont, weitgehend harmonisch, fast familiär. Den Schwierigkeiten seiner Jugend - mehrere abgebrochene Lehren, die versuchte Flucht in die Fremdenlegion und auf Grund seiner Hautfarbe zerbrochene Verlobungen und andere erlittene Diskriminierungen - misst er im Interview kein allzu großes Gewicht für die Gesamtbetrachtung seines Lebens bei. Hat Hans Busch in seinem Leben in vielen Situationen einfach nur Glück gehabt? Sieht er seine Vergangenheit heute rückblickend zu positiv oder hilft ihm sein Talent, mit schwierigen Situationen gut umzugehen und sich vor allem an Positives zu erinnern? Seine im Interview gemachten Aussagen geben hierauf eine klare Antwort. Seine schon früh entwickelte Persönlichkeit, sein offenes Wesen und seine Bereitschaft, sich schon früh sozial zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen, haben zu seiner Entwicklung ihren Beitrag geleistet. Auch das Verhalten der Mutter ihm gegenüber erscheint unter dem Aspekt der ihm erst kürzlich bekannt gemachten Informationen über die Beziehung seiner Mutter zu dem farbigen Soldaten heute in einem anderen Licht. Seine Mutter war Witwe, nachdem sie ihren Ehemann 1942 im Krieg verloren hatte. Hans Busch entstand aus einer nur sehr kurzen [Liebes?]-Beziehung seiner Mutter mit einem verheirateten farbigen amerikanischen Soldaten direkt nach Kriegsende. Die Beweggründe der Mutter für diese 'Affäre' [Zuneigung, Verzweiflung, Einsamkeit oder materielle Not] sind nicht bekannt. Aber obwohl sie ihn nie als Sohn offiziell anerkannt hat, hat sie seiner Adoption nicht zugestimmt. Sie half ihm in einer für ihn schwierigen Lebensphase. Nachdem er bereits drei Ausbildungen abgebrochen hatte, verhalf sie ihm zu einer neuen Ausbildung als Zahntechniker und ließ ihn bei sich wohnen. Letztlich konnte sie aber wohl, was ihren 'Sohn' betraf, nicht über ihren 'Schatten springen'.

Auf die Frage im Interview, ob er das Gefühl habe, dass die Probleme sowohl seiner Herkunft als auch mit seiner Mutter irgendwann für ihn erledigt waren, sagt er:
"Ja [erleichtert], das kann ich eindeutig mit Ja beantworten. Es ist erledigt worden, als mir klar wurde, dass ich selbst für mich verantwortlich bin. Und ich habe bei allem was ich getan habe, immer gesehen, dass ich halt eben mich ... [grübelt] ja, mir Respekt erarbeitet habe [...] ja, ich fühle mich jetzt wohl." [162]

Seinen Vater hat er nicht kennen gelernt.

Die Lebensgeschichte von Alfred Lüttecke ist geprägt von einer, wenigstens äußerlich, normalen Kindheit und Jugendzeit in einem weitgehend intakten Elternhaus. Bestimmte Wesensmerkmale, die wohl auf seinen leiblichen Vater zurück zu führen sind, unterschieden ihn aber von seinem Stiefvater und seinen Geschwistern, was häufiger zu Spannungen in der Familie führt. Seine ihn liebende Mutter ist zwar stets um einen Ausgleich bemüht, aber er hat unter seinem 'Anderssein' in der Familie sicherlich gelitten. Er wird insbesondere in seiner Jugend als introvertiert bezeichnet, was darauf schließen lässt, dass er viele Erfahrungen in seiner Kindheit und späteren Jugendzeit in sich 'hinein gefressen' hat. Aus diesem Grund darf die Zeit seines Heranwachsens auch nicht durch eine 'rosarote Brille' gesehen werden. Seine Mutter liebt ihn, nimmt ihn immer wieder in Schutz, aber seine Herkunft darf nicht öffentlich gemacht werden. Er muss, auch nachdem er von seiner tatsächlichen Abstammung erfahren hat [nicht von seiner Mutter, sondern von seiner Oma!], diese Tatsache auf Wunsch seiner Mutter weiter verheimlichen. Aus diesem Grund kann auch das Interview erst nach dem Tod der Mutter geführt werden. Dass er aber seinen leiblichen Vater nach 38 Jahren wieder gefunden hat und dass die Beziehung zwischen diesem und seiner Mutter wieder aufgeblüht ist, unterscheidet ihn aber doch letztlich vom Schicksal anderer Besatzungskinder. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass er genau in dem Jahr unheilbar an Multipler Sklerose erkrankt ist, in dem er seinen leiblichen Vater gefunden und kennen gelernt hat.

Über die Kindheit und Jugend von Erwin Kostedde sind den Autoren keine Einzelheiten bekannt. Ob er in einer wenn auch vaterlosen, so doch funktionierenden Familie relativ behütet aufgewachsen ist, oder ob er unter erheblich schwierigeren Verhältnissen groß geworden ist, lässt sich aus den vorliegenden Informationen nicht rekonstruieren. Festgestellt werden kann aber, und das belegen auch seine eigenen Aussagen, dass er zeitlebens ganz anderen Anfeindungen und Schmähungen aus seinem Umfeld aufgrund seiner Hautfarbe und Herkunft ausgesetzt war, als dies bei den beiden anderen Zeitzeugen der Fall ist. [163] Anders als es bei Hans Busch der Fall ist, scheint er aber dazu zu neigen, sich eher an negative Situationen in seinem Leben zu erinnern. Zu einem gewissen Respekt verhalf ihm zwar sein Talent als Fußballspieler, aber ob dieser eher dem Sportler als dem Mensch Erwin Kostedde galt, muss ebenfalls unbeantwortet bleiben. Dass man aber als farbiges Besatzungskind und Fußballspieler nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein muss, beweisen die Lebensläufe anderer Fußballspieler wie die von Felix Magath oder Jimmy Hartwig, beide auch uneheliche Kinder von Soldaten der amerikanischen Streitkräfte, die ihr Leben gemeistert haben. [164] Es scheint so, dass bei Erwin Kostedde unglückliche Umstände und Faktoren, die nicht ausschließlich in seiner Herkunft begründet sind, zu seinem relativen 'Scheitern' geführt haben.

Die Lebensgeschichten der drei vorgestellten Besatzungskinder, so unterschiedlich sie auch verlaufen sind, zeigen doch Parallelen auf und können somit nach Ansicht der Autoren sowohl biographisch als auch typologisch als exemplarisch für viele Besatzungskinder bezeichnet werden. Hans Busch und Alfred Lüttecke haben beide nähere Informationen über ihre Abstammung nicht von Ihren Müttern erhalten und in beiden Fällen durften die Umstände ihrer Herkunft auch nicht mit der Mutter thematisiert werden. Beide Mütter waren vielmehr bemüht, die Wahrheit zu verschweigen oder zu ignorieren, was, wie wir heute wissen, in vielen ähnlichen Fällen auch passiert ist. Auch über die von beiden in den Interviews grundsätzlich positiv geschilderte Zeit ihres Aufwachsens können durchaus auch kritische Bemerkungen angebracht werden. So ist es ist nicht auszuschließen, dass beide in der Rückschau ihre Kindheit und Jugendzeit, auch unter dem Aspekt, was sie in ihrem Leben erreicht haben, zu positiv beurteilen. Was Erwin Kostedde betrifft, können hierzu leider keine gesicherten Aussagen gemacht werden.
 
 
 
 

5. Ergebnisse: Versuch, aus den gewonnenen Mosaiksteinen
ein Bild zu formen - Besatzungskinder

 
 
 
Am Anfang dieser Arbeit stand eine Forschungslücke. Während in Bezug auf die unehelichen Kinder amerikanischer Besatzungssoldaten, und hier insbesondere der farbigen, umfangreiche wissenschaftliche Forschungen betrieben wurden und entsprechende Ergebnisse in Form von Literatur, Aufsätzen oder Vorträgen vorliegen, fristen die britischen Besatzungskinder wissenschaftlich gesehen immer noch ein karges Dasein. Aber trotzdem sind die Autoren am Ende dieses Forschungsprojekts der Überzeugung, genügend Mosaiksteine gesammelt zu haben, um ein erkennbares Gesamtbild der britischen Besatzungskinder formen zu können und für die Beantwortung der in Kapitel 1.4 formulierten Fragen und Zielsetzungen in den meisten Fällen befriedigende und aussagefähige Antworten gefunden zu haben. Trotzdem muss aber auch am Ende dieser Arbeit auf weitere Forschungsdesiderate hingewiesen werden.
 
 
 

5.1. Britische Besatzungskinder

 
 
 
Die Frage, ob und in welcher Anzahl es britische Besatzungskinder in Nordrhein-Westfalen und in Münster gegeben hat, wurde in Kapitel 3.3.1 beantwortet. Die Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes über eine Sondererhebung aus dem Jahr 1955, 'Die unehelichen Kinder von Besatzungsangehörigen im Bundesgebiet und Berlin (West)' betreffend, zeigt deutliche Ergebnisse. Für das Bundesgebiet wurden rund 67.000 Besatzungskinder erhoben (davon rund 4.800 Farbige), für Nordrhein-Westfalen rund 9.000 (davon 151 Farbige) und für den Kreis Münster 44, wobei die Zahl der farbigen Kinder nicht angegeben werden kann.

Hinsichtlich der Richtigkeit dieser Zahlen hegt zwar selbst das Statistische Bundesamt Zweifel - zu groß ist die Möglichkeit, dass durch die Erhebung nicht alle Besatzungskinder erfasst wurden. Festzustellen bleibt aber, dass es britische Besatzungskinder in nennenswertem Umfang gibt, dass aber die 'Dunkelziffer' sehr groß sein kann und die tatsächlichen Zahlen über denen in der Statistik ausgewiesenen liegen wird.

Ob die internationalen Verhandlungen, für die man das durch diese Erhebung gewonnene Zahlenmaterial zu benötigen glaubte, letztendlich auch erfolgreich waren, muss ebenfalls mit einem Fragezeichen versehen werden. In diesen Verhandlungen ging es darum, bei den ehemaligen Besatzungsmächten zu erreichen, dass diese die Verantwortung für die von ihren Soldaten gezeugten Besatzungskinder übernehmen. Mit Blick auf die während der Militärregierung und danach unter dem Besatzungsstatut geltenden Sonderregelungen lehnten diese aber solche Forderungen ab. So kam es dazu, dass Klagen deutscher Mütter von Besatzungskindern auf Anerkennung von Vaterschaften erst ab 1955, nachdem die Bundesrepublik souverän und Mitglied der NATO geworden war, eine Aussicht auf Erfolg boten. Für die Zeit zwischen 1945 und 1955 konnte keine Einigung erzielt werden. Die Bundesrepublik Deutschland musste weiterhin die Verantwortung für diese Kinder übernehmen und für die von den Kindern verursachten Kosten in Form von Fürsorge- und Sozialleistungen aufkommen.
 
 
 

5.2 Reaktionen auf die Existenz
von Besatzungskinder

 
 
 
Wie die Öffentlichkeit und verschiedene Institutionen die Existenz von Besatzungskindern wahrgenommen und hierauf reagiert haben, wurde in den Kapiteln 3.2.2.1 bis 3.2.2.4 dargestellt. Ebenso wurde dort auf die Behandlung, der die Mütter dieser Kinder ausgesetzt waren, eingegangen. Im Folgenden werden diese Reaktionen zusammengefasst und analysiert. Hierbei wird dem Verhalten der britischen Militärbehörden besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
 
 
 

5.2.1 Reaktionen der
deutschen Öffentlichkeit

 
 
 
Die Wahrnehmung der Existenz der Besatzungskinder durch die deutsche Öffentlichkeit und ihre Reaktion hierauf, insbesondere ihr Umgang mit den Müttern dieser Kinder, wurden in Kapitel 3.2.2.1 behandelt. Es ist interessant festzustellen, dass diese Wahrnehmung nicht über einen längeren Zeitraum kontinuierlich anhielt, sondern zeitlich immer dann wieder eine Bedeutung erlangte, wenn besondere Ereignisse dies veranlassten. Bei den Müttern waren dies die ersten Nachkriegsjahre, in denen viele Besatzungskinder geboren wurden. Bei den Kindern war dies insbesondere das Jahr 1952, als die ersten Besatzungskinder schulpflichtig wurden und erstmals in das Blickfeld der Öffentlichkeit traten. Die öffentlichen Reaktionen auf die Mütter und ihre Besatzungskinder können aus heutiger Sicht nur als übertrieben und auch als 'scheinheilig' bezeichnet werden. Dies insbesondere auch unter dem Aspekt, dass im Zeitraum zwischen 1945 und 1955 rund 9 % (609.000) aller geborenen Kinder unehelich geborenen wurden und der Anteil der Besatzungskinder an den unehelichen Kindern insgesamt nur 11 % (67.000) ausmachte; der Anteil der farbigen Besatzungskinder an den unehelichen Kindern insgesamt betrug 7 % (ca. 4.800). [165] Man kann also unterstellen, dass uneheliche Kinder fester Bestandteil der öffentlichen Wahrnehmung waren. Auch wenn diese Frauen und Kinder gesellschaftlich ins Abseits geschoben wurden, waren sie wohl kaum den öffentlichen Anfeindungen, Diffamierungen und rassistischen Auswüchsen ausgesetzt wie farbige Besatzungskinder und ihre Mütter. Man kann annehmen, dass die Heftigkeit, mit der die Öffentlichkeit auf die Besatzungskinder reagiert hat, oft von einem alten Feinddenken und nicht zuletzt von einem tradierten, rassistischem Gedankengut sowie von kirchlichen Wertvorstellungen mit geprägt wurde.
 
 
 

5.2.2 Reaktionen deutscher Behörden,
Verbände und Institutionen

 
 
 
Die Reaktionen der deutschen Jugendbehörden, der Jugendwohlfahrtsverbände und der kirchlichen Institutionen auf die Besatzungskinder wurde versucht, in Kapitel 3.2.2.2 exemplarisch darzustellen. Den Jugendbehörden waren auf Grund der Rechtslage die Hände gebunden. Die Kinder waren per Gesetz deutsche Staatsbürger und hatten die gleichen Rechte an die Sozialeinrichtungen, wie andere unehelichen Kinder auch; dies galt auch für die farbigen unter ihnen. Die Sondervorschriften, die die Alliierten Militärbehörden zum Schutz ihrer Soldaten bis 1955 erlassen hatten, engten ihren Spielraum in Bezug auf Anerkennungen von Vaterschaften deutlich ein. Die Jugendwohlfahrtsverbände, denen die Obhut dieser Kinder anvertraut war, suchten im Zusammenwirken mit der Politik, Behörden und den Kirchen nach Möglichkeiten, das 'Problem', insbesondere der farbigen Besatzungskinder, langfristig zu lösen. Ihnen heute unlautere Beweggründe vorzuwerfen, würde den damaligen Gegebenheiten nicht gerecht. Sie haben so gehandelt, wie sie es für das Beste hielten. Dass sie mit einigen Überlegungen und Vorschlägen für das heutige Empfinden 'über das Ziel hinausgeschossen' sind, kann den gesellschafts-politischen Zeitumständen zugeschrieben werden. Auch die Reaktionen der Kirchen kann unter diesem Aspekt letztlich nicht verwundern. Nach den Wirren des Krieges und dem zu beobachtenden Verfall von moralischen, familiären und gesellschaftlichen Werten war sie die erste autoritäre Institution, die hierauf hinweisen konnte. Sie hat aber nicht nur den Zeigefinger erhoben, sondern es waren ihre Einrichtungen, die die Mütter und deren Kinder aufgenommen haben. Dass aber auch sie letztlich an ihren hohen eigenen Ansprüchen gescheitert ist, wissen wir heute.
 
 
 

5.2.3 Reaktionen der deutschen Politik

 
 
 
Wie in Kapitel 3.2.2.3 ausgeführt, hat sich die deutsche Politik erst relativ spät mit dem 'Problem' der Besatzungskinder beschäftigt. Die dann aber einsetzende Diskussion, die in der Bundestagsdebatte vom März 1952 gipfelte, erscheint vielen aus heutiger Sicht irreal mit fast schon komödiantischen Ansätzen. Die dort diskutierten ethnischen und rassischen Fragen, insbesondere die farbigen Besatzungskinder betreffend, wurden weder diesen Kindern noch deren Mütter gerecht. Die Überlegung, diese Kinder in die Mission nach Afrika zu geben, zeugt von einer gewissen Hilflosigkeit angesichts des Problems. Auch der Bezug auf die Kosten, die diese Besatzungskinder in den öffentlichen Sozialhaushalten verursachen, erscheint angesichts der relativ großen Zahl von unehelichen Kindern, die in dieser Zeit geboren wurden und häufig auch den Sozialhaushalten 'zur Last' fielen, fadenscheinig. Wussten die Politiker doch, dass es zu der Zeit für die Bundesrepublik keine rechtlichen Möglichkeiten gab, weder die Besatzungsmächte noch die betroffenen Soldaten zu Ausgleichszahlungen für die Besatzungskinder zu bewegen oder gar zu zwingen. Das Ergebnis dieser Debatte, sich an die UNO mit der Bitte um Hilfe zu wenden, ist ein weiterer Ausdruck dieser Hilflosigkeit. Wie schon bei den Behörden, Verbänden und Kirchen muss auch die der Beurteilung der Reaktionen der der Politik letztlich kritisch ausfallen. Sie hat die Überlegungen hinsichtlich des Verbleibs insbesondere der farbigen Besatzungskinder nicht nur mit getragen, sondern dieses 'Problem' auch mit deutlich rassistischen Anfeindungen diskutiert.
 
 
 

5.2.4 Reaktionen der
britischen Militärbehörden

 
 
 
Bei der Beurteilung der Haltung der britischen Militärbehörden gegenüber den von ihren Soldaten gezeugten Besatzungskindern muss weiter ausgeholt werden. Ein kleiner zeitlicher Rückblick ist hierbei hilfreich. [166] Als die alliierten Armeen, und hier besonders die amerikanische, im Jahr 1942 mit dem Aufbau der späteren Invasionstruppen in England begannen, hielten sich dort zwischen 228.000 und bis zu 1,7 Mio. GIs, meist in ländlichen Regionen stationiert über das Land verteilt, auf. Bis zum Juni 1944, als die Invasion begann, wurden nach Schätzungen rund 22.000 von amerikanischen Soldaten gezeugte Besatzungskinder in England geboren, davon rund 1.700 farbige. Sabine Lee vergleicht diese Zeit, durchaus anspielend auf die Situation ab 1945 in Deutschland, mit einer friedlichen 'Besatzungszeit'. Sie sieht auch Parallelen, was die geborenen Kinder und deren Mütter hinsichtlich der gesellschaftlichen Behandlung betrifft. Aber angesichts der besonderen, grundsätzlich freundschaftlichen, anglo-amerikanischen Beziehungen, des fortdauernden Krieges und im Hinblick darauf, dass England finanziell und militärisch von Amerika abhängig war, wurde das Problem der amerikanischen 'Besatzungskinder' relativ schnell zu einem Tabuthema und verschwand aus dem Fokus der englischen Öffentlichkeit. Die Kinder lebten, da meist nah der Stationierungsorte in ländlichen Gegenden geboren, bei ihren Müttern oder deren Eltern häufig in dort üblichen Großfamilien. Einige lebten auch in Heimen oder wurden adoptiert und waren somit alle weitgehend einer öffentlichen Wahrnehmung entzogen. Die farbigen Kinder wurden meistens nicht als Rassenproblem, sondern eher als Klassenproblem abgetan.

Man kann also feststellen, dass sowohl die amerikanischen als auch die britischen Militärbehörden grundsätzlich Erfahrungen mit dem Problemfeld 'Besatzungskinder' hatten, als sie 1945 als Besatzungsmächte nach Deutschland kamen. Anfangs versuchten sie, durch ein Fraternisierungsverbot ihre Soldaten davon abzuhalten, Beziehungen zu deutschen Frauen einzugehen, um dadurch ähnliche Folgen wie in England zu vermeiden. Aber die amerikanischen Soldaten, auch wenn es nicht unbedingt die selben waren, machten da weiter, 'wo sie in England aufgehört hatten': sie gingen Beziehungen zu deutschen Frauen ein und zeugten Kinder - und die britischen Besatzungssoldaten folgten ihrem Beispiel und handelten ebenso.

Diese Vorgeschichte macht die in 3.2.2.4 dargestellte Wahrnehmung und Behandlung der Besatzungskinder durch die britischen Militärbehörden erklärbarer und transparenter. Sie haben sich so verhalten, wie jede siegreiche Armee es zuvor getan hat und bis heute noch tut, sie übernehmen letztlich nicht, oder nur unzureichend, die Verantwortung für die 'Taten' ihrer Soldaten. Im Gegenteil: Durch Gesetze, Sonderverordnungen und Dienstanweisungen schützten sie ihre Soldaten ausdrücklich und entzogen sie bis 1955 der deutschen Rechtssprechung. Anders als in Amerika, wo sich die Öffentlichkeit durchaus für das Schicksal der von amerikanischen Soldaten gezeugten Besatzungskinder, und hier insbesondere das der farbigen, interessierte und engagierte, zeigte die britische Öffentlichkeit hierfür kaum Interesse. Das Thema wurde, wie schon im Fall der amerikanischen Kinder in England, tabuisiert und ausgeklammert. Vielmehr richtete sich das öffentliche Interesse in England eher auf die Kosten, mit denen der englische Haushalt in den ersten Nachkriegsjahren durch die Besetzung Deutschlands belastet wurde. Somit sahen wohl auch die britischen Militärbehörden keinen Grund, sich mit den Besatzungskindern in besonderem Maße auseinander zu setzen und handelten so, wie sie es getan haben.

Der Hinweis in Kapitel 1.2, dass die englische Sprache keinen prägnanten Ausdruck für den Begriff 'Besatzungskind' kennt und die in diesem Zusammenhang geäußerte Vermutung, dass etwas, wofür man keinen prägenden Begriff hat, auch als Problem nur undeutlich wahrgenommen wird, erscheint, unter Berücksichtigung der angeführten Aspekte, nicht mehr ganz abwegig.
 
 
 

5.3 War ein 'normales'
Aufwachsen möglich?

 
 
 
Ob die Besatzungskinder in den Nachkriegsjahren in Deutschland 'normal' aufgewachsen sind, oder ob Unterschiede zu den anderen Kindern ihrer Zeit zu beobachten waren, lässt sich nur unter Berücksichtigung eines wesentlichen gemeinsamen Merkmals feststellen, der Unehelichkeit. Unterschiede beim Aufwachsen zwischen ehelichen Kindern und unehelichen Besatzungskindern zu suchen, ginge an den Zielsetzungen dieser Arbeit vorbei. Nur ein Vergleich zwischen unehelichen Kindern allgemein und den unehelichen Besatzungskindern ist zielführend. In Kapitel 3.1wurde die Situation von unehelichen Kindern und deren Müttern allgemein untersucht und dargestellt und in Kapitel 3.2 speziell auf die der Besatzungskinder und ihren Müttern eingegangen. Aus einem Vergleich beider lässt sich die Frage, ob unter den damaligen Umständen ein 'normales' Aufwachsen für die Besatzungskinder überhaupt möglich war, weitgehend beantworten.

Es wurde festgestellt, dass alle Besatzungskinder den gleichen rechtlichen Status hatten, wie andere uneheliche Kinder auch. Sie waren deutsche Staatsbürger per Gesetz, unterstanden einer Vormundschaft und hatten Anspruch auf alle sozialen Leistungen. Auch bei ihrer Unterbringung (Mutter, Heime) waren keine deutlichen Unterschiede auszumachen. Und doch gibt es eine Tatsache, die einen Teil von ihnen nicht nur von den übrigen unehelichen Kindern unterscheidet, sondern sogar einen Unterschied innerhalb ihrer Gruppe selbst markiert: die Hautfarbe. Man kann sogar feststellen, dass es eigentlich zwei Gruppen von Besatzungskindern gegeben hat, ja fast schon zwei Klassen: die Weißen und die Farbigen.

Während es für Mütter weißer Besatzungskinder relativ einfach war, einen Besatzungssoldaten als Vater des Kindes zu verheimlichen, was natürlich auch für jedes andere uneheliche weiße Kind zutrifft, gab es diese Möglichkeit für Mütter farbiger Kinder nicht. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sowohl diese Mütter als auch deren Kinder mit erheblichen Ressentiments zu kämpfen hatten. Sie waren, wie das Beispiel Erwin Kosteddes zeigt, zeitlebens Benachteiligungen und Einschränkungen bei ihrem Aufwachsen ausgesetzt.

Festgehalten werden kann deshalb, dass für weiße Besatzungskinder ein, im Vergleich zu anderen unehelichen Kindern, weitgehend normales Aufwachsen durchaus möglich war. Für die farbigen Besatzungskinder war dies in vielen Fällen deutlich schwieriger, auch wenn das Beispiel Hans Buschs verdeutlicht, dass es auch unter ihnen glückliche Kindheiten unter schwierigen Umständen gegeben hat.

Keine Aussage lässt sich zu der Frage treffen, ob Besatzungskinder von höheren Schulabschlüssen und bessern Ausbildungsplätzen ferngehalten wurden. Zum einen wurden solche Daten nie erhoben, zum anderen geben auch die Recherchen für diese Arbeit hierüber keine klaren Auskünfte.

In einem Punkt teilen jedoch sowohl die weißen als auch die farbigen Besatzungskinder ein gemeinsames Schicksal und unterscheiden sich darin von den vielen, wenn auch nicht allen anderen unehelichen Kindern: Sie wussten in den meisten Fällen nicht, wer ihr Vater ist. Wenn sie von ihrer tatsächlichen Abstammung Kenntnis erhalten hatten, spürten viele von ihnen, wenigsten zeitweise, den Wunsch, ihren leiblichen Vater zu suchen und ihn kennen zu lernen. Wir wissen heute, dass dieser Wunsch nicht bei allen Besatzungskindern von Erfolg gekrönt war, wie im Fall von Alfred Lüttecke.
 
 
 

5.4 'Verschleierte Kindheit und
Jugend - Besatzungskinder'

 
 
 
Der Titel für dieses Projekt 'Verschleierte Kindheit und Jugend' hat sich für die Autoren erst im Laufe ihrer Forschungen heraus kristallisiert. Er zeigt aber die wesentlichste Gemeinsamkeit auf, die die verschiedenen Schicksale der Besatzungskinder verbindet: Sie erhielten oft erst spät - oder auch gar nicht - Kenntnis über ihre leiblichen Väter. Dies geschah selten durch die Mutter selbst, sondern oft durch das verwandtschaftliche Umfeld oder auch nur durch Zufall. In den meisten Fällen waren die Mütter nicht nur nicht bereit, über die Väter oder die Umstände der Zeugung Auskünfte zu geben, sie ließen auch keine Erörterung über dieses Thema zu und es durfte auch nicht öffentlich gemacht werden. Viele Mütter nahmen dieses Wissen mit ins Grab und so wuchsen die Kinder in einem Umfeld auf, in dem ihre Herkunft 'verschleiert' war. Diese Tabuisierung prägt viele damalige Kinder und ihr Umfeld bis heute, was nicht zuletzt der Grund dafür sein dürfte, dass Besatzungskinder auch heute noch schwer zu identifizieren sind und sich nicht für Interviews zur Verfügung gestellt haben oder dies sogar strikt ablehnen.
 
 
 

5.5 Ausblick und Dank

 
 
 
Es wurde bereits festgestellt, dass die Schicksale der britischen Besatzungskinder in Deutschland, im Gegensatz zu denen der amerikanischen, bisher nur unzureichend historisch-wissenschaftlich aufgearbeitet worden sind. Die Mütter der Besatzungskinder sind in den meisten Fällen bereits verstorben und stehen somit für Aussagen nicht mehr zur Verfügung. Gleiches gilt auch für die Väter. Da sich aber auch die Besatzungskinder selbst heute dem Rentenalter nähern oder es bereits erreicht haben, bleibt den Historikern nur noch eine begrenzte Zeit, von diesen wertvolle Informationen für eine wissenschaftliche Aufarbeitung zu erhalten.

Die eingangs angesprochenen Forschungsdesiderate im Hinblick auf die britischen Besatzungskinder in Deutschland werden von Sabine Lee wie folgt formuliert:
"Wo sind diese Kinder aufgewachsen? Was haben sie von ihrer Herkunft gewusst? Wann und wie haben sie erfahren, wer ihre Väter (und gegebenenfalls Mütter) sind? Welche Art von Ausgrenzung haben sie erfahren? Wie unterschied sich ihr Lebensweg nach 'objektiven' Kriterien wie Bildung, Gesundheit, wirtschaftliche Stellung von der Lebenssituation anderer Kinder ihrer Alterskohorte? War Ihnen die Suche nach ihrer Identität wichtig? Wann und unter welchen Umständen haben sie ihre Väter, Mütter und andere Verwandte getroffen? Wie stehen sie zu dem Land, in dem sie aufgewachsen sind, und wie stehen sie zu dem Land ihrer leiblichen Eltern? Hat sich ihre Einstellung zu diesen Dingen grundlegend geändert durch die Erfahrungen in Kindheit, Jugend und im Erwachsenenalter?" [167]

Obwohl die Autoren hoffen, mit ihrer Arbeit zur Aufhellung einiger dieser Fragen beigetragen zu haben, bleiben natürlich noch Fragen offen, für die eine weitere wissenschaftliche Bearbeitung wünschenswert wäre. Hierzu ist es erforderlich, noch mehr britische Besatzungskinder zu identifizieren, um sie als Zeitzeugen befragen zu können und somit sicherer zu sein, dass die vorstehend geschilderten drei Lebenswege von Besatzungskindern tatsächlich exemplarisch sind. Auch wäre eine eingehende Auswertung der Akten der britischen Militärregierung im British National Archive in Kew erforderlich, um noch mehr Informationen über die Haltung und Handlung dieser Militärbehörde zu erhalten. Hierdurch würde man auch genauere Zahlen darüber erhalten, wie viele britische Soldaten deutsche Frauen geheiratet haben und wie viele eheliche Kinder aus diesen Ehen entstanden sind. Letztlich würden man dadurch natürlich noch mehr Informationen über die Besatzungskinder speziell in Westfalen erhalten.

Abschließend möchten die Autoren all jenen danken, die an der Realisierung dieses Projektes Anteil hatten. An erster Stelle sind hier die anderen Teilnehmer(innen) des Seminars 'Forschendes Lernen' zu nennen, und hier insbesondere die Seminarleiterin, Frau Dr. Veronika Jüttemann. Sie alle haben im Verlauf des Forschungsprojektes immer wieder sowohl mit kritischen als auch mit aufmunternden Beiträgen geholfen. Dank gilt auch den Mitarbeiter(innen) der Archive und Museen, die bereitwillig ihren Fundus zur Verfügung gestellt und damit die schwierige Recherchearbeit erleichtert haben. Ganz besonderer Dank gilt den Interviewpartnern Herrn Hans Busch, Herrn Alfred Lüttecke, seiner Frau Christel Schanze-Lüttecke und Herrn Henry Scanlon, die bereit waren, durch ihre Schilderungen Licht in diese 'verschleierte' Thematik zu bringen. Ohne ihre Mitarbeit und Hilfe wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.
 
 
 
 

6. Anhang

 
 
 

6.1 Archive

 
 
 

Archiv Deutscher Caritasverband, Freiburg
Signatur: ADCV 319.41 + 125.63
Signatur: ADCV 313.025.
Signatur: ADCV 319.5/7 M 707.
Signatur : ADCV 319.4 EE03/02.

Archiv Statistisches Bundesamt, Wiesbaden
Arb-Nr. VI/29/6, 1956, Tabellen 1 - 19.

Archiv Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW). Arb-Nr. VI/29/6, 1956, Tabelle 9.

Archiv Westfälische Nachrichten, Münster
Gesamtjahrgänge 1945-1970.

Bundesarchiv, Koblenz
B 189/6859. Bd. II, S 356-377.

Stadtarchiv, Münster
Akte Amt 51, Nr. 35.

Zeitungs- und Pressearchiv der ULB, Münster
Neue Westfälischen Zeitung, 15.6.1945.
DER SPIEGEL, Gesamtjahrgänge 1947-1956.
 
 
 

6.2 Quellen- und Literaturverzeichnis

 
 
 
AlliiertenMuseum
'Es begann mit einem Kuss - Deutsch-alliierte Beziehungen nach 1945', Katalog zur Ausstellung, Berlin 2005.

Anthoefer, Franz
Jugendwohl, Heft 4 1952.

Arbeiterpolitik, 5. Jahrgang, Nr. 5, 1. Märzhälfte 1952.

Bahn-Flessburg, Ruth
Sie haben die gleichen Chancen wie die Weißen, in: Unsere Jugend, 1968 (20), H. 7, S. 295-303.

Besatzungsstatut, Artikel 1., URL: http://www.verfassungen.de/de/de49/besatzungsstatut49.htm.

Birke, Adolf, u.a.
Akten der britischen Militärregierung in Deutschland, Sachinventar 1945 - 1955, (Control Commission for Germany British Elements - Inventory 1945 - 1955), 11 Bände, München 1993.

Bondy, Curt W.
Eine Social-Psychologische Untersuchung über die Situation der Neger - Kinder in Deutschland, undatiert.

Broszat, Martin
Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München 1990.

Bundesgesetzblatt Jahrgang 1959 Teil II Nr. 7, ausgegeben zu Bonn am 3. März 1959.

Bundeszentrale für politische Bildung
Errichtung der Besatzungsherrschaft, URL: www.bpb.de/themen/KILY9D,0,0,0,Errichtung_der_Besatzungsherrschaft (Zugriff 8.12.2010).

Buske, Sybille
Fräulein Mutter und ihr Bastard - Eine Geschichte der Unehelichkeit in Deutschland, Göttingen 2004.

Campt, Tina; Grosse, Pascal
Mischlingskinder in Nachkriegsdeutschland: Zum Verhältnis von Psychologie, Anthropologie und Gesellschaftspolitik nach 1945, in: Psychologie und Geschichte 1994 (6). H.1/2, S. 48-78.

Dassler, Sandra
Verschwiegene Eltern, Der Tagesspiegel, Berlin, www.tagesspiegel.de/dritte-seite/archiv/24.1.2006 (3.8.2010)..

Dönhoff, Marion Gräfin
Staatsbankrott durch Besatzungskosten, DIE ZEIT, Nr. 34, 19.08.1948.

Eiling, Hanna
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Frevert, Ute
Frauen auf dem Weg zur Gleichberechtigung - Hindernisse, Umleitungen, Einbahnstraßen, in Martin Broszat (Hg), Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München 1990 S. 113 - 130.

Frankenstein, Luise
Soldatenkinder, Die unehelichen Kinder ausländischer Soldaten mit besonderer Berücksichtigung der Mischlinge, Hrsg. von der Internationalen Vereinigung für Jugendhilfe Genf, Verlag Steinbach, München/Düsseldorf 1954.

Großwörterbuch Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch, Stuttgart/Dresden 1991.

Guggemoos, Georg
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Has, Franziska
Das Verhältnis der unehelichen Eltern zu ihrem Kinde, Sozialpolitische Schriften, Heft 15, Berlin 1962.

Haunfelder, Bernd
Münster - Die Nachkriegszeit 1945 - 1965, Münster 1993.

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Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW).

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Kleinschmidt, Johannes
Vortrag 'Amerikaner und Deutsche in der Besatzungszeit', URL: http://www.lpb-bw.de/publikationen/besatzer/us-pol6.htm (Zugriff 30.12.2010)

Köster, Markus
Jugend, Wohlfahrtsstaat und Gesellschaft im Wandel. Westfalen zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik, Paderborn 1999.

Krystofiak, Carsten
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Lee, Sabine
The children of the occupations born during the Second World War and beyond - an Overview, erschienen in Deutsch unter:
Lee, Sabine, Kinder amerikanischer Soldaten in Europa: ein Vergleich der Situation britischer und deutscher Kinder, in Historical Social Research, Mochmann, Ingvill C, Stelzl-Marx, Barbara, Lee, Sabine (Hg), Nr. 129, HSR Vol. 34 (2009) 3, S. 321 - 351 (online einsehbar www.childrenbornofwar.org/Portals/7/publik/HSR 34,3 FOCUS NEU.pdf).

Lemke Muniz de Faria
Yara-Colette, Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung - Afrodeutsche Besatzungskinder im Nachkriegsdeutschland, Berlin 2002.

Lenz, Claudia (Kommentare) und Schneider, Anette (Redakteurin)
Besatzungsfolgen - Uneheliche Kinder in der Nachkriegszeit, Deutschlandradio, Berlin 2004, zitiert nach: www.dradio.de/dir/sendungen/merkmal/229305 (24.11.2010).

Lützke, Annette
Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder "sittlicher Verwahrlosung" Mädchen und junger Frauen, Dissertation, Universität-Gesamthochschule-Essen, 2002 (online einsehbar www.deposit.ddb.de/cgi-bin/dokswev?idn).

Mann, V.
Zum Problem der farbigen Mischlingskinder in Deutschland, Jugendwohl 2, 1956.

Montgomery, Bernhard
Rede vom 10.6.1945, zitiert nach Neue Westfälische Zeitung, 15.6.1945.

Moormann, Bernhard
Plötzlich mitten im Kampfgebiet, Münster 1999.

NACHRICHTENDIENST des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Frankfurt/Main.

Nannen, Henry
Jubiläumsausgabe 40 Jahre stern, 22.8.1988.

Pawlak, Britta
Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau - Ein langer Weg, www.helles-koepfchen.de/artikel/2957 (30.11.2010).

Pfaffenberger, Hans
Zur Situation der Mischlingskinder, Unsere Jugend, Februar 1956.

Piorr, Ralf
Keiner gibt mir meinen Ruf zurück, Revier Sport, Essen, 22. Jahrgang, Nr. 20, 17.5.2009.

Protokoll der Debatten des Deutschen Bundestages, 1. Legislaturperiode, Bd. 10 198. Sitzung, Punkt 10 der Tagesordnung.

Rollmann, Jürgen
Legende Kostedde aufgespürt, Interview in BILD am SONNTAG, Hamburg, 9.12.2007.

Samhaber, Ernst
Der Kostenpunkt, DIE ZEIT, 25.4.1946, Nr. 10.

Schildt, Axel
Gesellschaftliche Entwicklung - Jugend und Erziehung, aus: Informationen zur politischen Bildung, Heft 256.

Schmidlechner, Karin M.
Frauenleben in Männerwelten: Kriegsende und Nachkriegszeit in der Steiermark, Wien 1997.

Schmiedendorf, Berit
Die Vorschriften finden keine Anwendung, Süddeutsche Zeitung, 21./22.2.1998, Nr. 43.

Schreiber, Horst
Frauen und Kinder in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, URL: http://www.horstschreiber.at/texte/texte_frauen-und-kinder-in-den-ersten-jahren-nach-dem-zweiten-weltkrieg-in-tirol.

Statistische Berichte, Herausgeber: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden
Die unehelichen Kinder von Besatzungsangehörigen im Bundesgebiet und Berlin (West), Arb-Nr. VI/29/6, 1956, Tabellen 1 - 19.

Terrell, Peter u.a.
Collins Großwörterbuch Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch, Stuttgart/Dresden 1991.

Was macht eigentlich Erwin Kostedde?, zitiert nach www.neue-oz.de/information/pub_Sport/who_is_who (19.4.2010).

Wikipedia
URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Vormundschaft (Zugriff 13.12.2010).

Wirth, Dieter
Die Familie der Nachkriegszeit, Desorganisation oder Stabilität?, in: Becker/Stammen/Waldmann (Hg), Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, München 1979, S. 193.

Züchner, Dörte
Münster unter britischer Besatzung. Versuch der Reorganisation und Demokratisierung von Gesellschaft und Verwaltung, Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Philosophischen Fakultät der Universität Münster, Münster 2000 (einzusehen im Stadtarchiv Münster).
 
 
 

6.3 Interviews

 
 
 

Hans Busch
Interview mit Hans Busch am 25.2.2010 in Münster.

Alfred Lüttecke, Münster
Interview mit Christel Schanze-Lüttecke und Alfred Lüttecke am 11.3.2010 in Münster.

Henry Scanlon
Interview mit Henry Scanlon am 19.4.2010 in Münster.
 
 
 



Anmerkungen

[1] Josef Schulze-Wermeling, Ehrenvorsitzender des Heimatvereins Münster-Nienberge.
'stiekum': umgangssprachlich für heimlich, leise.
[2] Siehe hierzu u.a. Lemke Muniz de Faria, Yara-Colette, Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung - Afrodeutsche "Besatzungskinder im Nachkriegsdeutschland, Berlin 2002 und Buske, Sybille, Fräulein Mutter und ihr Bastard - Eine Geschichte der Unehelichkeit in Deutschland, Göttingen 2004. Siehe hierzu auch zwei neuere Forschungsinitiativen: 'Democracy, Law and Intimacy: Toward a Moral History of Postwar Europe' und 'Children born of war'.
[3] Spielfilm, Bundesrepublik Deutschland, 1952, Regie Robert A. Stemmle, Titelrolle Elfie Fiegert. Im Film wird das Schicksal eines Mädchens, farbiges Waisen- und Besatzungskind, in melodramatischer Weise thematisiert.
[4] So geht in den einschlägigen Fachzeitschriften die Zahl der Artikel pro Jahrgang zum Schlagwort 'Besatzungskinder' in der 2. Hälfte der Fünfziger drastisch zurück.
[5] Siehe auch Kapitel 1.3.
[6] So etwa die Serie von Fernsehdokumentationen mit dem Titel "Liebe unerwünscht" die Ende 2009 (30.11., 07. 12., 14.12 2009) über das Westdeutsche Fernsehen verbreitet wurde. Vgl. URL: http://www.wdr.de/tv/wdr-dok, (Zugriff 12.10.2010).
[7] Vgl. Fernsehdokumentationen "Liebe unerwünscht". Es geht dort um Dokumentationen, die von deutsch-französischen, deutsch-niederländischen und russisch-deutschen Beziehungen handeln.
[8] Als Definitionsbeispiel aus der Literatur: Lemke Muniz de Faria, Yara-Colette, Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung, die für Besatzungskinder feststellt, "dass sie als Kinder eines Siegers und Besatzers und einer Deutschen geboren wurden...nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 die Staatsangehörigkeit ihre deutschen Mütter erhielten...(und) als nichtehelich geborene Kinder...zwangsläufig der Aufsicht des Jugendamtes oder einem amtlichen Vormund unterstanden," S. 11.
[9] 'Besatzungskind' = 'illigitimate child of member of occupying forces'. Terrell, Peter u.a., Collins Großwörterbuch Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch, Stuttgart/Dresden, 1991, S. 110.
[10] Siehe hierzu auch Kapitel 2.2. 1955 wurde das Besatzungsstatut aufgehoben, womit es keine Besatzungstruppen mehr gab und somit auch keine, nach diesem Jahr geborenen, Besatzungskinder.
[11] Eine in sich schon schwierige Festlegung, da für das 'Münsterland' eine eindeutige politische oder geographische Grenzziehung nirgendwo gegeben ist.
[12] Damit ist das Gebiet des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe gemeint.
[13] Vgl. als Beispiel die aufschlussreiche und detaillierte Arbeit zur Situation im Bezirk des Jugendamtes Freising: Guggemoos, Georg, Deutsche uneheliche Kinder von Besatzungsangehörigen und anderen Ausländern und ihr Schicksal. S. 396-400 und 426-431 in:Jugendwohl 34 (1953), H. 11 und 12.
[14] Nähere Einzelheiten zu all diesen und weiteren Datenquellen siehe Kapitel 3.3.1.
15 Eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Studien liefert die Arbeit von Campt, Tina und Pascal Grosse, Mischlingskinder in Nachkriegsdeutschland: Zum Verhältnis von Psychologie, Anthropologie und Gesellschaftspolitik nach 1945. S. 48-78 in: Psychologie und Geschichte 1994 (6). H.1/2.
[16] Bahn-Flessburg, Ruth, Sie haben die gleichen Chancen wie die Weißen. S. 295-303 in: Unsere Jugend, 1968 (20), H. 7, S. 295.
[17] Vgl. URL: www.cceae.unimotreal.ca/IMG, (Zugriff 12.10.2010).
[18] Mochmann, Ingvill C., Sabine Lee und Barbara Stelzl-Marx, The children of the occupations born during the Second World War and beyond - an Overview. S. 263-282 in 'Historical Social Research', (34) 2009, Nr.3, S. 263.
[19] Vgl. Mochmann, Ingvill C., Sabine Lee und Barbara Stelzl-Marx, The children of the occupations born during the Second World War and beyond - an Overview.S. 263 und 275 ff.
[20] Vgl. etwa das Literaturverzeichnis einer jüngeren Arbeit: Lemke Muniz de Faria, Yara-Colette, Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung, S. 204ff.
[21] Schmidlechner, Karin M., Frauenleben in Männerwelten: Kriegsende und Nachkriegszeit in der Steiermark, Wien 1997, S. 65-88.
[22] Aus dem persönlichen Schriftverkehr zwischen Frau Dr. Sabine Lee und Roland Stiegler; E-Mail vom 06.10.2010. Sabine Lee ist Historikerin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Birmingham. In ihren Forschungen beschäftigt sie sich mit den deutsch-englischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte sind die 'Besatzungskinder'. Sie ist Mitglied im oben beschriebenen internationalen Netzwerk 'Children born of war'.
[23] Diese Forderung ging vor allem auf US-Präsident Roosevelt zurück, der sie auf der Konferenz von Casablanca im Januar 1943 mit dem britischen Premierminister Churchill formuliert hatte.
[24] In der Junideklaration gaben die Siegermächte öffentlich bekannt, dass die Regierungen in Washington, London, Moskau und Paris die Hoheitsrechte über Deutschland übernommen hätten "einschließlich aller Befugnisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen oder Behörden der Länder, Städte und Gemeinden".
Zitiert aus: Bundeszentrale für politische Bildung, Errichtung der Besatzungsherrschaft, www.bpb.de/popup/popup_druckversion.html, (Zugriff 27.07.2010).
[25] Über die Situation in Münster beim Einmarsch der alliierten Truppen und in den Jahren danach vgl. Züchner, Dörte, Münster unter britischer Besatzung. Versuch der Reorganisation und Demokratisierung von Gesellschaft und Verwaltung, Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Philosophischen Fakultät der Universität Münster (eingesehen im Stadtarchiv Münster) Münster 2000 S. 5 ff. und Haunfelder, Bernd, Münster - Die Nachkriegszeit 1945 - 1965, Münster 1993, S. 8 ff. sowie mit einer Reihe von Zeitzeugendokumenten Moormann, Bernhard, Plötzlich mitten im Kampfgebiet, Münster 1999.
[26] Auf der Konferenz von Jalta vom 4. bis 11.2.1945 hatten Roosevelt, Churchill und Stalin die Aufteilung Deutschlands in drei Besatzungszonen beschlossen (später kam eine vierte französische Zone hinzu, die aus Teilen der amerikanischen und britischen Zonen gebildet wurde); Berlin wurde in entsprechende Sektoren aufgeteilt.
[27] Vom 17.7. - 2.8.1945 trafen sich die Repräsentanten der drei Siegermächte Josef Stalin, Harry S. Truman und Winston S. Churchill im Potsdamer Schloss Cecilienhof, um über das künftige Schicksal Deutschlands zu beraten.
[28] Mitglieder des Kontrollrates waren Marschall Georgi K. Schukow, General Dwight D. Eisenhower, Feldmarschall Sir Bernhard L. Montgomery und Jean Joseph-Marie Gabriel Lattre de Tassigny.
[29] Artikel 1. Besatzungsstatut, nachzulesen unter URL: http://www.verfassungen.de/de/de49/besatzungsstatut49.htm.
[30] Als Hohe Kommissare gehörten ihr John J. McCloy, Brian Robertson und Andre Francois-Poncet an.
[31] Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Alliierten Hohen Kommission vom 22.11.1949. Hierdurch wurden die Rechte der Bundesrepublik über das wenige Monate zuvor geschlossene Besatzungsstatut hinaus erweitert.
[32] Damit war zwar de facto der Kriegszustand beendet, aber weiterhin behielten sich die Alliierten Sondereinflussmaßnahmen vor, u.a. den Schutz, die Sicherheit, die Finanzierung und die Versorgung der alliierten Streitkräfte betreffend. Erst mit Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 15.3.1991 (Vertragspartner waren die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland sowie Frankreich, die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und die Sowjetunion) kam es u.a. zu einer offiziellen Friedensregelung und damit zur endgültigen Beendigung der Nachkriegszeit in Europa.
[33] Fraternisierungsverbot aufgehoben , in: URL: http://einestages.spiegel.de, (Zugriff 3.8.2010).
[34] Zitiert nach: www.einestages.spiegel.de/external/ShowTopicAlbumBackground, 3.8.2010.
[35] Abdruck der Rede Montgomerys in: Neue Westfälischen Zeitung, 15.6.1945.
[36] Zur Thematik des Fraternisierungsverbots siehe auch Vortrag von Johannes Kleinschmidt: "Amerikaner und Deutsche in der Besatzungszeit - Beziehungen und Probleme",
zitiert nach URL: http://www.lpb-bw.de/publikationen/besatzer/us-pol6.htm (Zugriff 24.11.2010).
[37] Siehe Katalog zur Ausstellung 'Es begann mit einem Kuss - Deutsch-alliierte Beziehungen nach 1945', AlliiertenMuseum, Berlin, 2005, S. 14ff.
[38] Samhaber, Ernst, Der Kostenpunkt, DIE ZEIT, 25.4.1946, Nr. 10, zitiert nach URL: http://www.zeit.de/1946/10/der-kostenpunkt (Zugriff 23.7.2010).
[39] Dönhoff, Marion Gräfin, Staatsbankrott durch Besatzungskosten, DIE ZEIT, 19.08.1948, Nr. 34, zitiert nach: URL: http://www.zeit.de/1948/34/staatsbankrott-durch-besatzungskosten (Zugriff 23.7.2010).
[40] Aus: Arbeiterpolitik, 5. Jahrgang, Nr. 5, 1. Märzhälfte 1952.
[41] Nannen, Henry, Jubiläumsausgabe 40 Jahre stern, 22.8.1988, zitiert aus: URL: http://www.henri-nannen-preis.de/meine_sternstunde.php (Zugriff 23.7.2010). Der stern wurde daraufhin von den Alliierten mit einem einwöchigen Erscheinungsverbot belegt.
Auch im SPIEGEL rückt im Verlauf der Nachkriegszeit bei den auf die 'Alliierten bezogenen' Artikeln das Thema 'Besatzungskosten', später 'Stationierungskosten', immer stärker in den Blickpunkt. Vgl. DER SPIEGEL, Hefte 25/1947, 14/1949, 7/1951, 3/1952, 28/1954, 8/1956, 26/1956. Eingesehen im Zeitungs- und Pressearchiv der ULB Münster.
[42] Siehe hierzu auch die Ausführungen unter 3.2.2.5.
[43] Jugendwohl 1952 (33), Heft 4, S. 119 f.
Die Ergebnisse decken sich weitgehende mit der unter 3.3.1.1 dargestellten Erhebung des Statistischen Bundesamtes für den Zeitraum 1945 - 1952.
[44] Eiling, Hanna, Frauen im deutschen Widerstand 1933 - 1945, Frankfurt/Main 1979, S. 12 - 15.
[45] Hähnel, Silvia, Pawlak, Britta, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau - Ein langer Weg, zitiert nach: URL: http://www.helles-koepfchen.de/artikel/2957, (Zugriff 17.8.2010). Zur Rolle der Frauen im Nachkriegsdeutschland siehe auch: Ute Frevert, Frauen auf dem Weg zur Gleichberechtigung - Hindernisse, Umleitungen, Einbahnstraßen, in Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, hrsg. von Martin Broszat, München 1990, S. 113-128.
[46] Schmidlechner, Karin, Frauenleben in Männerwelten, Wien, 1997, S. 209ff.
[47] Aber erst mit Wirkung vom 1.7.1957 wurde diese Vorgabe im Bürgerlichen Gesetzbuch umgesetzt, allerdings noch mit deutlichen Einschränkungen für die Frauen. Dieses Gesetz wurde auch umgehend für verfassungswidrig erklärt. Erst 1993 (nach der Wiedervereinigung) kam es durch eine Grundgesetzänderung zu einer völligen Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen.
[48] Zur Situation der Kinder und Jugendlichen in der Nachkriegszeit siehe auch die Einleitung zu diesem Gesamtprojekt.
[49] Zur speziellen Situation in Westfalen siehe: Köster, Markus, Jugend, Wohlfahrtsstaat und Gesellschaft im Wandel. Westfalen zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik, Paderborn 1999.
[50] Siehe hierzu auch Buske, Sybille, Fräulein Mutter und ihr Bastard, S. 200ff sowie einige weitere Arbeiten im Rahmen dieses Gesamtprojektes.
[51] Schildt, Axel, Gesellschaftliche Entwicklung - Jugend und Erziehung, aus: Informationen zur politischen Bildung, Heft 256.
[52] Der Anteil der Mädchen an den Gymnasiasten lag noch Anfang der 1950er Jahre unter einem Drittel und Mädchen wurden wegen Überfüllung der Berufsschulen oft zurückgestellt. Zwischen 1952 und 1960 besuchten die meisten Jugendlichen nur eine Volksschule [1952: ca. 80 %, 1960: ca. 70 %]. Der Besuch einer weiterführenden Realschule oder eines Gymnasiums war nur einer Minderheit möglich [Realschule 1952: ca. 6 %, 1960: ca. 11 %; Gymnasium 1952: ca. 3 %, 1960: ca. 7 %]. Siehe hierzu Schildt, Axel, Gesellschaftliche Entwicklung.
[53] Siehe Kapitel 3.1.2.
[54] Lützke, Annette, Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder "sittlich verwahrloster" Mädchen und junger Frauen, Dissertation im Fachbereich 2, Universität-Gesamthochschule-Essen 2002, S. 55f.
[55] Siehe hierzu auch Kapitel 3.2.1.1.
[56] Anmerkung: eine zuständige deutsche Gerichtsbarkeit gab es noch nicht wieder, siehe entsprechende Ausführungen in Kapitel 2.
[57] Lützke, Annette, Öffentliche Erziehung und Heimerziehung, S. 56.
[58] Lützke, Annette, Öffentliche Erziehung und Heimerziehung, S. 57. Aus einem Schreiben der Oberin des St. Agnes-Stift Bonn an die Fürsorgeerziehungsbehörde vom 24.11.1945.
[59] Aus der Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des SkF Münster, 2002. Zitiert nach URL: http://www.skf-muenster.de (Zugriff 13.12.2010). Zur Entwicklung der Belegungszahlen siehe die entsprechenden Heimberichte bis 1956. Zur Verfügung gestellt vom Archiv des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, Signatur: ADCV 319.41 + 125.63 Münster. So lag die Zahl Mütter und Kinder Mitte der 1950er Jahre bei über 200.
[60] Die Lebenssituation der Frauen in dieser Zeit wird eindrucksvoll dargestellt in einer Sendung des Deutschlandradios Berlin vom 30.1.2004. Thema der Sendung 'Besatzungsfolgen - Uneheliche Kinder in der Nachkriegszeit', Redakteurin Anette Schneider, Kommentare von Dr. Claudia Lenz, Politologin, Center for Holocaust Studies and religious minorities, Oslo. Zit nach: www.dradio.de/dir/sendungen/merkmal/229305, (24.11.2010).
Im Folgenden wird auf diese Sendung Bezug genommen.
[61] Deutsche Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin. Sie gilt als die letzte Überlebende der sog. 'Lili-Marlen- Generation'.
[62] Kleinschmidt, Johannes, aus einem Vortrag 'Amerikaner und Deutsche in der Besatzungszeit', zitiert nach URL: http://www.lpb-bw.de, (Zugriff 24.11.2010)
[63] Frevert, Ute, Frauen auf dem Weg zur Gleichberechtigung - Hindernisse, Umleitungen, Einbahnstraßen, in: Broszat, Martin, Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München 1990.
[64] Vgl. Lemke Muniz de Faria, Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung, S. 27f. Als 'ehelich' gelten die Kinder, die von einem verheirateten Paar gezeugt oder adoptiert werden; als 'unehelich' gelten die Kinder, die von einer ledigen Mutter geboren werden. Mit dem 1970 in Kraft tretenden Nichtehelichengsetz werden die Rechte ehelicher und unehelicher Kinder gleichgestellt und die Mütter unehelicher Kinder erhalten das Sorgerecht und die Erziehungsgewalt für das Kind.
[65] Siehe URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Vormundschaft(Zugriff 13.12.2010).
[66] Siehe hierzu auch Buske, Sybille, Fräulein Mutter und ihr Bastard, S. 196. Vgl. auch: Has, Franziska, Das Verhältnis der unehelichen Eltern zu ihrem Kinde, Sozialpolitische Schriften, Heft 15, Berlin 1962, S. 13ff.
[67] Siehe Tabelle unter Kapitel 3.2.1.1.
[68] Siehe hierzu auch im Folgenden Buske, Sybille, Fräulein Mutter und ihr Bastard, S. 203ff.
[69] Der Parlamentarische Rat trat 1948 zusammen und hatte die Aufgabe, ein Grundgesetz für die Bundesrepublik zu formulieren.
[70] Buske, Sybille, Fräulein Mutter und ihr Bastard, S. 228.
[71] Siehe Kapitel 3.2.1.
[72] Bondy, Curt W., Eine Social-Psychologische Untersuchung über die Situation der Neger - Kinder in Deutschland, undatiert. Zur Verfügung gestellt vom Archiv des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, Signatur: ADCV 313.025.
[73] Siehe Kapitel 2.3. Die Zahl der deutschen Frauen, die britische Soldaten geheiratet haben oder dies beabsichtigten und deshalb nach England gegangen sind, wird mit ca. 10.000 angegeben. Nicht bekannt ist aber, wie viele dieser Frauen nach Deutschland allein zurück gegangen sind. Ebenfalls nicht bekannt ist die Zahl der Ehepaare, die in Deutschland geblieben sind und die Anzahl der aus diesen Ehen hervorgegangenen Kinder.
[74] Aus dem Schriftwechsel zwischen Corinna Schmidt, AlliiertenMuseum Berlin und Norbert Schäfers, E-Mail vom 20.12.2010. Aus den Ausführungen des Zeitzeugen Henry Scanlon (Kapitel 3.2.2.4) lässt sich aber schließen, dass diese Zahl nicht klein gewesen ist.
[75] Jugendwohl, 1952 (33), Heft 4, S. 119 f., Anthoefer, Franz, zitiert nach: URL: http://www.vaeternotruf.de/besatzungskinder.htm (Zugriff 6.12.2010).
[76] Vgl. Frankenstein, Luise, Soldatenkinder, Die unehelichen Kinder ausländischer Soldaten mit besonderer Berücksichtigung der Mischlinge, Hrsg. von der Internationalen Vereinigung für Jugendhilfe Genf, Verlag Steinbach, München/Düsseldorf 1954 und v. Mann, Zum Problem der farbigen Mischlingskinder in Deutschland, Jugendwohl 2 1956, Hurka, Herbert, Die Mischlingskinder in Deutschland, Jugendwohl 6, 1956 und Pfaffenberger, Hans, Zur Situation der Mischlingskinder, Unsere Jugend, Februar 1956 sowie Buske, Sybille, Fräulein Mutter und ihr Bastard, S. 199.
Siehe hierzu auch Kapitel 3.2.2.3.
[77] Aus einem Schreiben das Arbeits- u. Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalens vom 2.6.1955 an die Verwaltungen - Jugendämter. Siehe hierzu Akte Amt 51, Nr. 35, eingesehen im Stadtarchiv Münster.
[78] Statistische Berichte, Herausgeber: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Die unehelichen Kinder von Besatzungsangehörigen im Bundesgebiet und Berlin (West), Arb-Nr. VI/29/6, 1956, Tabellen 1-19.
[79] In den Zahlen sind 1.023 Kinder aus Bremen nicht enthalten, da von Bremen keine Altersuntergliederung nach Jahreszahlen geliefert worden war.
Diese Zahlen verwendet auch Yara-Colette Lemke Muniz de Faria in ihrem Buch "Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung".
[80] Die Zahlen für 1955 sind auf Grund der Stichtags-Untersuchung nicht vollständig.
[81] Statistische Berichte, Herausgeber: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Die unehelichen Kinder von Besatzungsangehörigen im Bundesgebiet und Berlin (West), Arb-Nr. VI/29/6, 1956.
[82] Das Saarland ist in dieser Untersuchung nicht enthalten, da es erst nach der Volksabstimmung in 1955 im Jahr 1957 der Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist.
[83] War in der oberen Tabelle nicht enthalten. In den folgenden Tabellen werden die Zahlen ohne Bremen aufgeführt.
[84] Insbesondere belgische, aber auch niederländische und luxemburgische Streitkräfte hatten aus der britischen Besatzungszone kleinere Gebiete übernommen.
[85] Hierunter wurden auch die Fälle gefasst, in denen, wenn die Mutter zwischenzeitlich einen Deutschen geheiratet hatte, der Stiefvater für den Unterhalt aufkam. Die gilt auch für die folgenden entsprechenden Tabellen.
[86] Statistische Berichte, Herausgeber: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Die unehelichen Kinder von Besatzungsangehörigen im Bundesgebiet und Berlin (West), Arb-Nr. VI/29/6, 1956, Tabelle 9. Erhalten von Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW).
[87] Siehe hierzu Akte Amt 51, Nr. 35, eingesehen im Stadtarchiv Münster.
[88] Siehe hierzu auch Kapitel 1.1.
[89] Siehe hierzu auch Kapitel 3.1.1 und 3.1.2.
[90] Lenz, Schneider, Besatzungsfolgen.
[91] Siehe hierzu Ausführungen unter 3.2.2.3.
[92] Lenz, Schneider, Besatzungsfolgen.
[93] Siehe hierzu auch: Schreiber, Horst, Frauen und Kinder in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, zitiert nach URL: http://www.horstschreiber.at/texte/texte_frauen-und-kinder-in-den-ersten-jahren-nach-dem-zweiten-weltkrieg-in-tirol, (Zugriff 17.8.2010) und Buske, Sybille, Fräulein Mutter und ihr Bastard.
[94] Lenz, Schneider, Besatzungsfolgen.
[95] Vgl.: Johannes Kleinschmidt: "Amerikaner und Deutsche in der Besatzungszeit - Beziehungen und Probleme".
[96] Tageszeitung in Münster.
[97] Ergebnis der Recherche im Pressearchiv der Westfälischen Nachrichten.
[98] Lemke Muniz de Faria, Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung, S. 11.
Zu den weiteren Ausführungen siehe auch Lemke Muniz de Faria, Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung, S. 19 ff.
[99] Zur Höhe dieser Kosten siehe Kapitel 2.4.
[100] Schreiben des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, vom 22.10.1947 an seine Diözesanverbände.
Aus dem Archiv des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, Signatur : ADCV 319.5/7 M 707
[101] NCWC: National Catholic Welfare Conference, eine Organisation der amerikanischen Bischöfe mit Sitz in New York. Interessante Einblicke in die Arbeitsweise und Zusammenarbeit der NCWC und des Deutschen Caritasverbandes bietet das Protokoll einer Besprechung beider Parteien vom 6.3.1957, aus dem Archiv des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, Signatur : ADCV 319.4 EE03/02.
[102] 'Du sollst nicht ehebrechen'.
[103] Lenz, Schneider, Besatzungsfolgen.
[104] Die internationale Vereinigung für Jugendhilfe in Genf, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge sowie die Caritas ermittelten eine Zahl von ca. 94.000 Besatzungskindern, darunter ca. 3.100 Farbige.
[105] Protokoll der Debatten des Deutschen Bundestages, 1. Legislaturperiode, Bd. 10 198. Sitzung, Punkt 10 der Tagesordnung, S. 8505ff.
Siehe hierzu auch Campt, Tina und Grosse, Pascal, Mischlingskinder in Nachkriegsdeutschland: Zum Verständnis von Psychologie, Anthropologie und Gesellschaftspolitik nach 1945, in Psychologie und Geschichte, Jahrgang 6, Heft 1/2, September 1994, S 48ff.
[106] Siehe Debatte des Deutschen Bundestages, S. 8505ff.
Die Redner anderer Parteien schlossen sich im Wesentlichen den Ausführungen von Frau Dr. Rehling an.
[107] Siehe Debatte des Deutschen Bundestages S. 8505ff..
[108] Siehe hierzu die Akte im Bundesarchiv Koblenz, B 189/6859. Bd. II, S 356 - 377.
[109] Siehe hierzu auch die Akte im Bundesarchiv Koblenz, B 189/6859. Bd. II, S 356 - 377.
Dieses Vorgehen widersprach auch dem NATO-Truppenstatut vom 19.6.1951, das am 3.8.1959 durch ein Zusatzabkommen erweitert wurde. Hierin wurden alle Regelungen (auch zur Zivil-, Verwaltungs- und Strafgerichtsbarkeit) gegenüber den auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stationierten NATO-Streitkräften geregelt.
[110] Das Interview wird am 19.4.2010 in der Wohnung von Herrn Henry Scanlon, Friedensstr. 13, 48145 Münster, in deutscher Sprache geführt und in Auszügen wörtlich transkribiert.
[111] Hier meint Henry Scanlon sicherlich die UN-Vereinbarung von 1955.
[112] Interview mit Henry Scanlon, 19.4.2010, Zeilen 38 - 46.
Henry Scanlon weist darauf hin, dass dieses Vorgehen für die betroffenen Soldaten, sie hatten einen wöchentlichen Sold von 2 bis 3 Pfund, zu schmerzlichen finanziellen Einbußen geführt hat.
[113] Siehe Kapitel 4.2.
[114] Siehe Ausführungen aus dem Interview mit Henry Scanlon vom 19.4.2010, Zeilen 153 - 156.
[115] Birke, Adolf, u.a., 'Akten der britischen Militärregierung in Deutschland, Sachinventar 1945 - 1955' (Control Commission for Germany British Elements - Inventory 1945 - 1955), 11 Bände, München 1993, eingesehen in der ULB Münster, HIS 372 -10. Dieses Inventar wurde vom Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv, Hannover, in Zusammenarbeit mit dem German Historical Institut, London, erstellt.
[116] Eine Einschätzung der Autoren zur Haltung der britischen Militärbehörden erfolgt in Kapitel 5.
[117] Siehe Schriftwechsel mit Sabine Lee.
[118] Insbesondere was den "Schutz, Ansehen und Sicherheit der alliierten Streitkräfte, Familienangehörigen, Arbeitnehmer und Vertreter, ihre Immunitätsrechte, sowie die Deckung der Besatzungskosten und ihrer sonstigen Bedürfnisse." (Artikel 2. Abs. e Besatzungsstatut, nachzulesen unter http://www.verfassungen.de/de/de49/besatzungsstatut49.htm). Gesetz Nr. 13 der Alliierten Hohen Kommission bestimmt, dass deutsche Gerichte nicht zuständig sind, wenn Angehörige der alliierten Streitkräfte an der Tat beteiligt sind.
[119] Die Januar-Ausgabe des NACHRICHTENDIENST des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Nr. 1/2, Jahrgang 1949, Frankfurt/Main, beschäftigte sich ausführlich mit dieser Problematik. Dort wurde festgestellt, dass es für Mütter unehelicher Kinder von Angehörigen der alliierten Besatzungstruppen vor und auch nach Inkrafttreten des Besatzungsstatutes rechtlich nicht oder nur sehr schwer möglich war (z. B. in Fällen, in denen der leibliche Vater die Vaterschaft ausdrücklich anerkannt hat) Unterhaltsansprüche gegen die jeweiligen Väter rechtlich durchzusetzen. Dies galt für alle Besatzungszonen und wurde durch entsprechende Verordnungen der jeweiligen hohen Kommissare gedeckt.
[120] Veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 1959 Teil II Nr. 7, Seite 150 ff, ausgegeben zu Bonn am 3. März 1959.
[121] Schmiedendorf, Berit, Die Vorschriften finden keine Anwendung, Süddeutsche Zeitung Nr. 43, 21./22.2.1998.
[122] Siehe Kapitel 3.2.2.4.
[123] Siehe hierzu auch Lemke Muniz de Faria, Yara-Colette, Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung, S. 25ff.
[124] Siehe hierzu auch: Dassler, Sandra, Verschwiegene Eltern, Der Tagesspiegel, Berlin, zitiert aus: www.tagesspiegel.de/dritte-seite/archiv/24.1.2006 (7.12.2010).
[125] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 26 - 30.
[126] Siehe hierzu auch Ausführungen unter Kapitel 3.2.2.3.
[127] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 142 - 159.
[128] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 36 - 41.
[129] Zur Verteilung der Schüler auf die einzelnen Schulformen siehe Kapitel 3.2.
[130] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 231 - 237.
[131] Zu den Berufschancen Afrodeutscher Lehrlinge siehe auch Lemke Muniz de Faria, Yara-Colette, Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung, S. 183ff.
[132] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 50 - 53.
[133] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 63 - 72.
[134] Im Interview nennt Hans Busch keine genaueren Gründe für den Abbruch. Vielleicht hat es aber damit etwas zu tun, dass er, mittlerweile 16 Jahre alt, erstmals Kontakt zu seiner Mutter aufnimmt und sich hieraus für ihn eine andere Lehrmöglichkeit eröffnet.
[135] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 55 - 61. Über die Art der Diskriminierungen macht er im Interview keine Angaben, man kann aber davon ausgehen, dass sie rassistischer Natur sind.
[136] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 324 - 327.
[137] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 382 - 395.
[138] Interview mit Hans Busch, 25.2.2919, Zeilen 305 - 313.
[139] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 316 - 322.
[140] Krystofiak, Carsten, ultimo, Münsters Stadtillustrierte, 27. Jahrgang, Nr. 4/10, Seiten 8 - 9.
Bei einem Paohlbürger (auch Poalbüörger geschrieben) handelt es sich um einen bodenständigen, fest im Münsterland verwurzelten Ur-Westfalen. Das Wörterbuch des Münsterländer Platt übersetzt den Begriff Poahlbürger darum treffend mit 'Alteingesessener', zitiert aus: www:poaohlbuerger.de.
[141] Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 256 - 258.
[142] Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 43 - 51.
[143] Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 308 - 312.
[144] Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 99 - 101.
[145] Siehe Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 314 - 326.
[146] Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 120 - 123.
[147] Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010. Zeilen 246 - 249.
Siehe hierzu auch: Dassler, Sandra, Verschwiegene Eltern, Der Tagesspiegel, Berlin, zitiert aus: www.tagesspiegel.de/dritte-seite/archiv/24.1.2006.
[148] Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen323 - 325.
[149] Schreiben des DRK-Suchdienst in München an Herrn Alfred Lüttecke, 16.6.1994.
[150] Siehe hierzu: Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 401 - 477.
[151] Interview mit Frau Schanze Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 481 - 482.
[152] Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 492 - 495.
[153] Interview mit Frau Schanze-Lüttecke und Herrn Lüttecke, 11.3.2010, Zeilen 503 - 511.
[154] Neue Osnabrücker Zeitung, 2005, zitiert nach www.neue-oz.de/information/pub_Sport/who_is_who, 19.4.2010.
[155] Piorr, Ralf, Keiner gibt mir meinen Ruf zurück, Revier Sport, Essen, 22. Jahrgang, Nr. 20, 17.5.2009.
[156] Neue Osnabrücker Zeitung, 2005, zitiert nach www.neue-oz.de/information/pub_Sport/who_is_who (19.4.2010).
[157] stern, zitiert nach: www.stern.de/lifestyle/leute/was-macht-eigentlich-erwin-kostedde, 19.9.2001.
[158] Piorr, Ralf, Keiner gibt mir meinen Ruf zurück, Revier Sport, Essen, 22. Jahrgang, Nr. 20, 17.5.2009.
[159] Piorr, Ralf, Keiner gibt mir meinen Ruf zurück, Revier Sport, Essen, 22. Jahrgang, Nr. 20, 17.5.2009.
[160] Rollmann, Jürgen, Legende Kostedde aufgespürt, Interview in BILD am SONNTAG, Hamburg, 9.12.2007.
[161] stern.de, zitiert nach: www.stern.de/lifestyle/leute/was-macht-eigentlich-erwin-kostedde, Erscheinungsdatum: 19.9.2001.
[162] Interview mit Hans Busch, 25.2.2010, Zeilen 332-339.
[163] Siehe seine Aussagen unter Kapiteln 4.3.2 und 4.3.3.
[164] Felix Magath wurde am 26.7.1953 in Aschaffenburg geboren. Sein Vater war US-Soldat aus Puerto Rico. Er ist 43facher Nationalspieler, heute erfolgreicher Fußballtrainer und hat regelmäßig Kontakt zu seinem Vater in Puerto Rico. Jimmy Hartwig wurde am 5.10.1954 in Offenbach geboren. Sein Vater war farbiger US-Soldat. Er ist zweifacher Nationalspieler, bekämpfte erfolgreich eine Krebserkrankung und ist heute Moderator, Theaterschauspieler und Buchautor.
[165] Auch die Scheidungsquote stieg in dieser Zeit rasant an. Bezogen auf 10.000 Einwohner betrug sie in 1939 8,9 %, in 1946 11,2 %, in 1947 16,8 %, in 1948 18,8 %; bis 1954 fiel sie dann auf 9,0 %. Vgl. hierzu Wirth, Dieter, Die Familie der Nachkriegszeit, Desorganisation oder Stabilität?, in: Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Becker/StammenWaldmann, München 1979, S. 203.
[166] Siehe hierzu im Folgenden Lee, Sabine, Kinder amerikanischer Soldaten in Europa: ein Vergleich der Situation britischer und deutscher Kinder, Historical Social Research, S. 321 ff.
[167] Lee, Sabine, Kinder amerikanischer Soldaten in Europa: ein Vergleich der Situation britischer und deutscher Kinder, Historical Social Research, S. 348.