Denkmäler in OWL > Stadtarchiv Detmold


 

1. Einleitung

 
 
 
Der Detmolder Ehrenhain, am Rande der Altstadt zwischen zwei Friedhöfen gelegen, ist ein besonderer Ort. Hier wird Toten aus zwei Weltkriegen gedacht - Gefallenen und Bombenopfern -, Opfern eines Unglücks in einer Munitionsfabrik und der Soldaten, die bei einem Manöverunglück ums Leben gekommen sind. Es sind Menschen, deren Lebensbahn durch Gewalt von außen abgebrochen wurde. Keiner der hier Begrabenen wollte sterben. Eltern, Geschwister, Eheleute und Kinder haben getrauert. Aber gefallene Soldaten zwingen auch zum Nachdenken und zu Fragen nach dem Sinn des Kriegstodes auf beiden Seiten.

Im Ersten Weltkrieg war die Mehrzahl der deutschen Soldaten von der Rechtmäßigkeit ihres Handelns überzeugt. Deutsche Juden und Sozialdemokraten gehörten zu den ersten, die sich freiwillig "zu den Fahnen“ meldeten, und auch zu den ersten, die fielen. Ihnen wurde später die Schuld an der Niederlage gegeben.

Der Zweite Weltkrieg war dagegen ein verbrecherischer Angriffskrieg der Wehrmacht, während die gegnerischen Soldaten ihre Länder verteidigten. Kann man heute wünschen, dass die Wehrmacht diesen Krieg gewonnen hätte?
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Luftaufnahme des "Ehrenhains" an der Blomberger Straße
 
 
 

2. Veränderte Mentalität im Ersten Weltkrieg

 
 
 
Der Erste Weltkrieg ging anders aus als erwartet. Die deutschen Soldaten zogen mit einem Gefühl unüberwindbarer Stärke in den Kampf. Sie kamen geschlagen zurück. Die Niederlage führte zu neuen Denkmalskonzeptionen. Die nach 1918 entstandenen Kriegerdenkmäler sind keine Siegessymbole wie die nach dem Krieg von 1870/1871 errichteten. Die nun dargestellten Krieger beugen den Kopf, die Waffen sind abgelegt und Frauen und Kinder verharren im Trauergestus. Den Widerspruch zwischen anfänglicher Siegesgewissheit und Erfahrung der Niederlage am Ende symbolisiert das Ehrenmal auf dem Friedhof in Leopoldstal (Stadt Horn).

Die Überlegungen um ein würdiges Gedenken gingen schon während des Krieges in zwei Richtungen. Die einen plädierten weiterhin für die Errichtung von Einzeldenkmälern - als Mahnmale lokaler Kriegervereine oder als Regimentsdenkmäler -, andere für die Schaffung parkähnlicher Anlagen. Einzelgräber in der Heimat waren angesichts der großen Zahl der Gefallenen nicht mehr möglich, und so sollten Ehrenhaine als symbolische Friedhöfe an sie erinnern. In Detmold finden sich beide Elemente: Kriegerdenkmäler und ein Ehrenhain.

Beim Detmolder Ehrenhain handelte es sich ursprünglich um einen Geländestreifen mit einem kleinen Eichenwäldchen, das vom bis 1918 regierenden Fürsten Leopold IV., von der Stadt und von dem Unternehmer Walter Kellner über eine Stiftung zum Gedenken an die Kriegsopfer zur Verfügung gestellt wurde.
 
 
 
 

3. Das Munitionsunglück

 
 
 
Eine Besonderheit des Ehrenhains liegt darin, dass ein Unglück in der Heimat zu seiner Einrichtung geführt hatte. In den Lippischen Staatswerkstätten in Detmold wurde Munition für die Front hergestellt. Viele junge Frauen und Männer waren hier beschäftigt. Am 31.05.1917 kam es zu einer Explosion, bei der 63 Frauen und 9 Männer verbrannten. Ihre Namen sind auf Bronzetafeln im Rasen des Ehrenhains überliefert, ein Gedenkstein erinnert an sie.

Leiter der Fabrik war Walter Kellner. Er hatte Rüstungsaufträge ins Land geholt und die Geschäfte mit der Munitionsherstellung liefen gut. Die Explosion in seiner Fabrik war verheerend, weil keine der vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen beachtet worden war. Die Produktion ging weiter, nur wenige Tage nach dem Unglück wurden in der Presse neue Arbeitskräfte gesucht. Niemand wurde zur Rechenschaft gezogen, aber Kellner übernahm demonstrativ die Kosten für den Ehrenhain - bis heute weist eine Plakette auf der Rückseite des Denkmals am Eingang darauf hin. Die Opfer eines vermeidbaren Fabrikunglücks wurden somit den Gefallenen an der Front gleichgestellt.
 
 
 
 

4. Die Anlage

 
 
 
Die Anlage wurde von dem Architekten Greef aus Kellners Firma in Barmen gestaltet. Ihre Merkmale sind auf einer kolorierten Postkarte zu erkennen:
  • die Aufteilung in drei durch Treppen verbundene Terrassen
  • die Einfassung durch eine ca. 1 m hohe Muschelkalkmauer; mit Hecke und Pergola
  • die Verbindung der Einzelteile durch Treppen und Zierbögen
  • Torpfeiler aus Muschelkalk am Eingang
  • ein Kriegerdenkmal am Eingang.

Für das Denkmal am Eingang war ursprünglich ein massiver quadratischer Block geplant, auf dem ein auf Lorbeerblättern ruhender Stahlhelm platziert werden sollte. Man entschied sich jedoch für die von dem Münchner Bildhauer Eugen Henke angefertigte Plastik eines "sterbenden Kriegers“, die den wirklichen Tod an der Front verklärte. Sie ruhte auf einem Steinblock mit der Inschrift "DEN GEFALLENEN HELDEN“.
 
 
 
 

5. Einweihung: Idee und Wirklichkeit

 
 
 
In der Idee der Ehrenhaine schwang anfangs auch der Wunsch nach einem Friedenssymbol mit. Tatsächlich wurden aber die Eichen, die in Detmold seinen Charakter bestimmen, zu Zeichen deutscher kriegerischer Mentalität umgedeutet. Der Chef der Lippischen Landeskirche, Generalsuperintendent Dr. August Weßel, der selbst drei Söhne im Krieg verloren hatte, beschwor diesen Geist am 31.05.1918 in seiner Einweihungsrede.

Trotz der Bedeutung, die dem Ehrenhain bei seiner Einweihung gegeben wurde, wurde er im öffentlichen Bewusstsein kaum wahrgenommen. Schon bald klagte die Lippische Landeszeitung über seinen Zustand, am 12.06.1924 forderte sie den Bürgermeister zum Eingreifen auf: "Die Ruhestätte der dort gebetteten Toten des Weltkrieges befindet sich wieder einmal im Zustande der Verwahrlosung. Die Stadtverwaltung ist in den letzten fünf Jahren häufig auf ähnliche Unterlassungssünden aufmerksam gemacht worden.“
 
 
 
 

6. Kriegstote aus dem Ersten Weltkrieg

 
 
 
Gedacht war der Ehrenhain für Gefallene. 1918 wies er 187 Einzelgräber und ein Massengrab auf. Die Einzelgräber trugen Holzkreuze mit den Namen und Diensträngen. Die Bestatteten, die aus ganz Deutschland stammten, waren allerdings nicht an der Front, sondern fast alle im Detmolder Lazarett gestorben und waren zuerst auf dem städtischen Friedhof begraben. Von hier aus wurden sie dann umgebettet. Auch nach dem Krieg wurden noch Kriegsopfer und Angehörige hier beerdigt. Die Stadt Detmold hatte 1930 allen Kriegsteilnehmern den Anspruch auf zwei Grabstätten auf dem Ehrenfriedhof eingeräumt, sofern sie an Kriegsfolgen gestorben waren.

Hierzu gehört auch das Grab für Max Münzner, der im Oktober 1937 gestorben war. Münzner war im Weltkrieg fünfmal verwundet worden und hatte einen Arm verloren. Münzner lebte in Schwalenberg. Er war 1930 in die NSDAP eingetreten und gehörte zu den frühen Propagandisten dieser Partei in Lippe. Im September 1933 wurde er dafür mit dem Amt des Bürgermeisters in Schwalenberg belohnt. Ein hervorstechendes Merkmal seiner Amtsführung war die Verfolgung der jüdischen Einwohner der Stadt. Vor seinem Grab stellt sich die Frage nach den Grenzen des Gedenkens.
 
 
 
 

7. Veltheim

 
 
 
Die hier ruhn, sie mähte der Tod mit mächtigem Schnitte,
Wie im Frühling der Sturm fortreißt Blüte und Blatt.
Jünglinge alle noch fast, mit siebenzig Kameraden,
Sanken in Vaterlands Pflicht sie in die Weser hinab.

(Aus der Inschrift des Dichters Paul Warncke auf der
Gedenktafel im Ehrenhain)

Detmold war Standort für das Ausbildungs-Bataillon des Reichswehr-Infanterie-Regiments Nr. 18. Am 31.03.1925 waren die Soldaten auf dem Weg zu einem Manöver nördlich der Weser. Bei Veltheim überquerten sie den Hochwasser führenden Fluss mit einer Ponton-Gierfähre. Pontons sind Schwimmkörper, über die Holzbohlen gelegt werden; Gierfähren nutzen mittels eines Drahtseils die Strömung des Flusses zur Vorwärtsbewegung. Die Veltheimer Pontonfähre war am Vortag von Mindener Pionieren angelegt worden. Nachdem mehrere Überfahrten mit anderen Soldaten problemlos geglückt waren, drängten sich bei der letzten Fahrt 149 Mann, vor allem Soldaten der 14. und 16. Kompanie aus Detmold, auf der Fähre zusammen. Vor den Augen der am Ufer wartenden 15. Kompanie kenterte sie in der Strommitte. Trotz sofort einsetzender Hilfe ertranken 78 Soldaten aus Detmold, zwei aus Minden sowie ein Kaufmann aus Varenholz, dem die Mitfahrt gestattet worden war.

In Detmold verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, in der allgemeinen Trauer zeigte sich die Verbundenheit der Bevölkerung mit "ihrer“ Garnison. Das Landespräsidium ordnete Landestrauer an. Am 03.04.1925 fand in einer Kaserne eine Trauerfeier statt, anschließend führte ein Trauermarsch zum Ehrenhain. Daran nahmen u. a. der Bischof von Paderborn, Kaspar Klein, der ehemalige Landesherr, Fürst Leopold IV., der Reichswehrminister Dr. Geßler, der Chef der Heeresleitung von Seeckt sowie der Kommandeur der 6. Division und Befehlshaber im Wehrkreis VI, Freiherr von Ledebur, teil. Acht der Toten wurden hier bestattet. Die Bergung aller Ertrunkenen dauerte bis zum 23.04.1925. Zum ersten Jahrestag des Unglücks wurde im Ehrenhain eine Gedenktafel mit dem zitierten Gedicht von Paul Warncke eingeweiht.

Ein Mahnmal am Unfallort wurde am 14.11.1926 eingeweiht. Im Juni 1925 befasste sich das Schöffengericht Minden mit dem Unglück. Es sah die Ursachen in konstruktiv bedingten Mängeln der Fähre und in unzureichenden Vorschriften. Der seinerzeit befehlshabende Oberleutnant wurde freigesprochen.

Das Ereignis ist in Lippe nicht vergessen. Noch im Jahr 2000 war die Erinnerung der Lippischen Landeszeitung einen ganzseitigen Beitrag wert. Für die Angehörigen der Opfer wie der Überlebenden ging es in die mündliche Überlieferung ein, die anders als die umstrittenen Kriegserinnerungen ganz unbelastet war. Bis heute treffen sich Familienangehörige und ehemalige Regimentsangehörige zum Jahrestag am Denkmal.
 
 
27.09.2009 
 Weserfähre 
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27.09.2009 
 Eingang 
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8. Zweiter Weltkrieg

 
 
 
Auch im Zweiten Weltkrieg wurden hier 115 Soldaten bestattet, die in Detmolder Lazaretten gestorben waren. Dazu kamen 10 Gräber alliierter Soldaten, 30 Gräber von im Luftkrieg Umgekommenen (27 Deutsche, 3 Ausländer) sowie 13 Gräber ausländischer Zivilarbeiter (5 Russen, 8 Polen). Über das Schicksal der Gräber der ausländischen Toten ist nichts mehr bekannt. Vermutlich wurden ihre Gebeine in zentrale Friedhofsanlagen überführt.

Inmitten dieser Anlage fällt ein kleiner Gedenkstein mit einem Stahlhelm aus weißem Stein auf. Errichtet wurde er zur Erinnerung an einen jungen Unterfeldarzt, der 1942 in Russland, im Großen Donbogen, gefallen war.

Auffällig ist auch ein Doppelkreuz. Es erinnert an Menschen einer Hausgemeinschaft, die am 24. März 1945 einem Bombenangriff auf Detmold zum Opfer gefallen waren. Auch ein später geborenes Kind, das nur wenige Wochen lebte, wurde neben seinem Vater und seinen Geschwistern begraben.
 
 
 
 

9. Nach dem Zweiten Weltkrieg

 
 
 
Im Winter 1960/1961 wurden die Kriegsgräberstätten in der Bundesrepublik gemäß neuer gesetzlicher Vorgaben verändert. Auch der Detmolder Ehrenhain wurde neu gestaltet. Am Denkmal wurde der bisherige Sockel durch einen schlichten Muschelkalkblock mit neuer Inschrift ersetzt:

"DIE GEFALLENEN DER WELTKRIEGE 1914-1918 UND 1939-1945 MAHNEN DIE LEBENDEN“

Auf dem Ehrenfriedhof wurden die Einzelgräber zu Großflächen zusammengefasst, für jeweils zwei Gefallene wurde ein Kreuz aus Kalkstein gesetzt. Die Kreuze bezeichnen dabei nicht mehr die wirklichen Ruhestätten. Bei den Inschriften wurde auf die Angabe der Ränge verzichtet. Dies entsprach der Leitlinie des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Ein General a. D. allerdings verlangte, dass das Kreuz für seinen Schwiegervater, Oberst Lorenz v. Gottberg, den letzten Kommandeur des „lippischen“ Infanterie-Regiments No. 55, das 1919 aufgelöst wurde, auch dessen Rang nennen müsse.

Der zuständige Detmolder Gartenbaudirektor Morie wehrte sich:
"Die Anbringung des Dienstgrades ist bei allen Kreuzen nicht vorgenommen worden. Es sollte damit bei allen Bestatteten das gemeinsame Schicksal aller zum Ausdruck gebracht werden, und das geschieht am besten ohne Angabe von Rang und ähnlichen Dingen. Diese Erkenntnis der gemeinsamen Totenehrung hat sich auch bei den meisten Umgestaltungsmaßnahmen des Volksbundes durchgesetzt.“

Der General konnte sich durchsetzen. Nach der Kommunalreform von 1970 gab es Überlegungen, die Kriegsgräber der Stadt und der Ortsteile im Ehrenhain zu zentralisieren. Das Land entschied 1975 dagegen, dass die Totenruhe Vorrang vor den Interessen der Stadt habe und deshalb keine Umbettungen vorgenommen werden sollten. Im November 2003 weihte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge am Eingang zum Ehrenhain eine Tafel mit Hinweisen auf alle Detmolder Kriegsgräber ein. Am Volkstrauertag wird der Kriegsopfer an dieser Stelle gedacht.