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Werner Gessner-Krone / Klaus Kösters /
Peter Revermann

Kulturlandschaft Tecklenburg

 
 
Ort
Die Altstadt von Tecklenburg und die ehemaligen Gärten und Streuobstwiesen
 
 
Fächer
Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften
 
 
Dauer
1-3 Tage
 
 
Zielgruppe
Ältere Klassen der Sekundarstufe I und Sekundarstufe II
 
 
Das Projekt
Bürger aus Tecklenburg, die sich in der "Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz Tecklenburger Land e. V." (ANTL) zusammen geschlossen haben, bemühen sich um den Erhalt der alten Kulturlandschaft und bieten Lehrgänge und Seminare an, um ihre Arbeit Schülern und Lehrern vorzustellen und zu aktivem Umweltschutz anzuregen.

Die Stadt Tecklenburg liegt auf dem Kamm des nördlichen Teutoburger Waldes. Sie ist historisches Zentrum des Tecklenburger Landes, das in etwa dem Altkreis Tecklenburg entspricht. Dieser bildet heute mit dem Altkreis Steinfurt sowie den Gemeinden Greven und Saerbeck den jetzigen Kreis Steinfurt. Ein Teil der Kreisverwaltung hat nach wie vor seinen Sitz in Tecklenburg.

Die Errichtung von Burg und Siedlung ergab sich durch die Kontrolle der für die Zeit des Mittelalters wichtigen Passstrasse über den Osning. Die Straße führte aus dem Ostseeraum (Lübeck) ins Rheinland (Köln). Sie war nicht nur eine wichtige Handelsroute, sondern stellte auch einen Teilabschnitt des Pilgerweges dar, der zum Grab des Apostels Jakobus nach Santiago de Compostela führte. Über den Pass unterhalb der Stadtkirche führte auch die Straße, die aus Ostwestfalen kommend dem Verlauf des Teutoburger Waldes in Richtung Nordwesten bis zur Ems folgt.

Die Ursprünge der Tecklenburger Grafschaft und des Tecklenburger Grafenhauses sind nicht hinreichend geklärt. Es wird allgemein auf die Zeit Karls des Großen verwiesen, jedoch ist urkundlich erst 1158 ein Graf Simon als regierender Landesherr einer selbständigen Grafschaft nachzuweisen. Zu dieser Grafschaft gehörten auch die Herrschaften Lingen, Cloppenburg und Oythe. 1180 wird auch Tecklenburg selbst erwähnt.

Im Laufe der Jahrhunderte verlor das Grafenhaus immer mehr an Macht und Einfluss. Nachdem 1547 auch Ober- und Niedergrafschaft Lingen an Kaiser Karl V. verloren ging, bestand die Grafschaft nur noch aus wenigen Gemeinden. Die Restgrafschaft wurde 1707 an Preußen verkauft. Das Land wurde jetzt von Minden und Lingen aus verwaltet.

Bot noch in den ersten Jahrhunderten das gräfliche Haus die Grundlage für die Ansiedlung von Bediensteten und Handwerkern, fiel mit dem Niedergang der Grafschaft diese Möglichkeit des Einkommens für die Tecklenburger Bürger immer mehr aus. Die gräfliche Leinenkontrolle in der Legge verlor dann mit der Kontinentalsperre unter Napoleon ihre Funktion als Markenzeichen. Die Warenströme verlagerten sich und der maschinelle Import machte die Hausleinenweberei unrentabel.

Viele verarmte Bürger wanderten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Amerika aus. Für die Zurückgebliebenen bot die Hollandgängerei häufig die einzige Möglichkeit eines saisonalen Zuverdienstes.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich im Tecklenburger Land der Steinkohlenbergbau sowie die Kalk- und Metallindustrie, allerdings nicht in der Stadt selbst. Tecklenburg stagnierte wirtschaftlich über viele Jahrzehnte.

Als Residenzstadt wurde Tecklenburg auf den Burgberg gebaut. Das bebaute Gelände war dementsprechend sehr beschränkt, landwirtschaftliche Betriebe fehlten. Die Bürger waren zur Selbstversorgung auf die Anlage ihrer Gärten im bergigen Gelände angewiesen. So erhielt der auf der anderen Seite der Passstraße liegende Berg den Namen "Kahler Berg", weil er frei von Gehölzen war und für Gärten und Äcker genutzt wurde.

Unterhalb der Stadt lagen im Norden und Westen im unmittelbaren Anschluss an die Bebauung die Streuobstwiesen. Die hangigen Flächen des Teutoburger Waldes wurden vom Kamm aus bewirtschaftet. So hatte man von der Stadt aus keine allzu großen Steigungen zu überwinden. Um eine Bodenerosion zu verhindern, mussten Terrassen, Hecken und Trockenmauern angelegt werden. Erst in weiterer Entfernung zur Stadt befanden sich Weiden und Waldungen. Rund um die Siedlung erstreckte sich also eine weite und offene Landschaft, die durch kleinflächige Gärten und Äcker gegliedert war. Sie bot herrliche Ausblicke in alle Himmelrichtungen.

Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts bestand immer weniger die Notwendigkeit, den Haushalt durch den Eigenanbau von Gemüse und Obst, Kartoffeln und Getreide zu versorgen. Durch neue Möglichkeiten der Mobilität konnten Tecklenburger Bürger ihren Lebensunterhalt außerhalb, z. B. in den wachsenden Industrien Lengerichs und Ibbenbürens verdienen. Aber auch in Tecklenburg selber bot die öffentliche Verwaltung immer mehr Arbeitsplätze.

Die kleinen Garten- und Ackerparzellen verloren ihre Funktion und damit ihren Wert. Sie wurden nicht mehr gepflegt und erhalten. Man forstete sie zum Teil mit Fichten und Pappeln auf, sie fielen brach und verbuschten zunehmend. Dieser Prozess dauert bis heute an: Die einst offene Landschaft schließt sich und verliert dadurch ihre Attraktivität, auf die der ansteigende Tourismus gesetzt hatte. Die frühere vielgestaltige Landschaft wird immer eintöniger, Elemente einer gemischten Kulturlandschaft verfallen und es schwinden abwechslungsreiche Lebensräume.
 
 
Projektverlauf
Die Veranstaltungen und Seminare gliedern sich in folgende Themenbereiche:

1. Teil: Der Wandel der Kulturlandschaft

Informationseinheit über die Landesherrschaft und die Burg Tecklenburg, die geografischen und geologischen Bedingungen sowie den Begriff "Kulturlandschaft".

Exkursion und Bestimmung vor Ort von typischen Landschaftselementen unter den Fragestellungen: "Was macht die Landschaft der Gegenwart aus? Was sind natürliche und was kulturell bestimmte Landschaftsbestandteile?

Gemeinsame Arbeit: Rekonstruktion der Tecklenburger Landschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt, z. B. um 1910.


2. Teil: Entstehung und Entwicklung der Stadt Tecklenburg

Informationseinheit über die Entstehung der Stadt im Schatten der Burg, über die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen im 18. Jahrhundert.

Exkursion in die Stadt zur Untersuchung der historischen Altstadt unter den Teilaspekten: Marktplatz, Stadtmauer und Neustadt, Verlauf von Pass und Straßen, Burg und Herrengarten, Ackerbürgerhäuser, Handwerkerhäuser, Häuser der Verwaltungen, Häuser von Kaufleuten.

Gemeinsame Diskussion über Fragen des Denkmalschutzes: Tecklenburg als touristische Kulisse? Verfall der Strukturen?


3. Teil: Perspektiven zur Bewahrung von Kulturlandschaften am Beispiel Tecklenburg

Vorstellung des ANTL-Projektes: Restauration der Historischen Kulturlandschaft Tecklenburg.

Denkansätze für die Diskussionen: Einheit von historischem Stadtkern und der umgebenden Landschaft, Notwendigkeit, neben der aufwendigen Restaurierung der Stadthäuser auch die historische Landschaft zu erhalten. Aspekte der zukünftigen Entwicklung unter den Gesichtspunkten: wirtschaftliche Situation, touristische Bedürfnisse, ökologische Zusammenhänge. Bisherige Leistungen und Probleme bei der praktischen Umsetzung des Projektes.

Exkursion zu bereits erfolgten Restaurierungsmaßnahmen.

Diskussion über die öffentliche Förderungspolitik, über Naturschutz und Landwirtschaft sowohl im lokalen als auch regionalen und europaweiten Kontext. Anregungen für die Übertragung dieses Projektes auf andere Orte und Landschaften.


Weitergehende Angebote von ANTL für Schulen in Form von Seminaren:

Für Berufsschulen:
  • allgemeine praktische Landschaftspflege, auf den Stock setzen von Hecken, Schneiden von Hecken und Kopfbäumen, Aufsetzen und Restaurieren von Trockenmauern, Anlage von Streuobstwiesen.
Für allgemeinbildende Schulen, Sekundarstufe II:
  • Biologie: Artenvielfalt in Abhängigkeit von Strukturen, Bioindikatoren, Lebensräume
  • Geografie: Kartierung von Landschaftselementen, wirtschaftliche Nutzung, regionale Vermarktung, Erkennen von alten Wegenetzen
  • Sozialwissenschaft: Veränderungen der Erwerbs- und Bevölkerungsstruktur, Nutzungskonflikte, Regionalisierung und Globalisierung
  • Geschichte: Historische Entstehungsbedingungen von Landschaften.
Fachschulen für Sozialpädagogik:
  • Landschaftserleben, Kultur- und Erlebnispfade.

Allgemeine Angebote: geführte Spurensuche, "Kultur- und Erlebnispfad Tecklenburger Land".
 
 
Allgemeine Hinweise
zum Thema
Aufgrund der besonderen topografischen Lage Tecklenburgs als Bergstadt und der historischen Rolle als Residenzstadt waren die Tecklenburger Bürger über Jahrhunderte genötigt, eine Landschaft zu kultivieren, die sich durch besondere Ungunst der natürlichen Gegebenheiten auszeichnet. Dadurch entstand auf kleinstem Raum eine vielgestaltige Kulturlandschaft.

Diese ungünstige Lage und Kleingliedrigkeit haben früher als in anderen Situationen dazu geführt, dass eine Bewirtschaftung dieser Flächen aufgegeben wurde. Probleme, die sich anderswo noch einstellen werden (Veränderung der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen, Globalisierung) werden hier auf überschaubarer Fläche schon heute sichtbar und fordern zu neuen Lösungen heraus. Diese können aber nicht eindeutig sein. Die weiteren Diskussionen werden zu differenzierten und kontroversen Lösungsansätzen führen. Der von ANTL beschrittene Weg bietet sich als Beispiel an und kann auf seine Durchführbarkeit und Übertragbarkeit überprüft werden.

"Tecklenburg ist überall" möchte man angesichts dieses Beispiels sagen, denn die Erhaltung der Kulturlandschaften ist eine europäische Aufgabe! Und in der Tat, die Modernisierung der Gesellschaft und die einschneidenden Veränderungen des alltäglichen Lebens seit dem Zweiten Weltkrieg betreffen nicht nur die Bürger dieser westfälischen Stadt. Die aufgegebenen Gärten und Streuobstwiesen am Hang des Teutoburger Waldes finden ihr Pendant z. B. in den aufgelassenen Olivenhainen der bergigen Küsten Italiens oder anderswo. Das Engagement von ANTL zum Erhalt der "Kulturlandschaft vor der Haustür" ist beispielhaft. Sie bleiben nicht bei dem passiven Statement stehen, dass alles sich verändert, sondern treten für ein kulturelles Erbe ein, dass erhaltenswert ist. Sie kämpfen nicht für die nostalgische Rekonstruktion einer Puppenstubenlandschaft für Touristen, sondern betreiben aktiven Umweltschutz: den Erhalt der Vielfalt, der kleinen, vielgestaltigen Landschaftselemente, die dazu beitragen, dass bedrohte Pflanzenarten, Biotope und eine Vielzahl von Tieren ihren Lebensraum behalten. Es ist ein Kampf gegen die Monotonie industriell ausgebeuteter Landschaften, die man überall finden kann, ein Kampf für eine bessere Lebensqualität.

Das Beispiel Tecklenburg zeigt Wege auf, Passivität und Resignation zu überwinden und kann Jugendliche motivieren, selbst aktiv zu werden.
 
 
Lernziele
Die Schüler sollen...
  • sich über die kulturellen und natürlichen Landschaftselemente Tecklenburgs informieren,
  • die "Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz Tecklenburger Land e. V." kennenlernen - oder eine vergleichbare Organisation an einem anderen Ort - und sich über deren Arbeit zum Erhalt der Kulturlandschaft informieren,
  • lernen, wie man historische Bedingungen unter dem Gesichtspunkt des Gegenwartsbezuges analisiert,
  • lernen, wie man öffentliche Einrichtungen zum Natur- und Landschaftsschutz außerhalb der Schule kontaktiert,
  • verstehen, dass die Kulturlandschaft Tecklenburg (oder anderswo) aus der Stadt und der umgebenden Landschaft besteht, die eine Einheit bilden und erst in ihrer Zusammenschau ein Bild früherer Lebensverhältnisse ermöglichen,
  • die historischen, politischen und ökonomischen Gründe für den allgemeinen Lebenswandel in Tecklenburg verstehen,
  • verstehen, dass die Erhaltung von Altstädten nicht auf die Gebäude allein beschränkt bleiben sollte, sondern auch die nähere Umgebung mit ihren Gärten und Feldern einschließen muss, sofern diese noch in irgendeiner Weise vorhanden sind,
  • sich neue Fähigkeiten aneignen, um eine aktive Rolle bei der Erhaltung von Kulturdenkmälern im weitesten Sinne spielen zu können,
  • aktiv für den Erhalt von Kulturdenkmälern in ihrer eigenen Umgebung eintreten.
 
 
Nützliche Adressen
Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz Tecklenburger Land e. V. (ANTL)
Bahnhofstr. 73
49545 Tecklenburg
Tel.: 05482/92920
URL: http://www.antl.ev.de
Ansprechpartner: Peter Revermann
Die "Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz Tecklenburger Land e. V." (ANTL) ist Mitglied der "Arbeitsgemeinschaft Naturschutz und Umwelt" (LNU).

Westfälischer Heimatbund e. V.
Kaiser-Wilhelm-Ring 3
48145 Münster
Tel.: 0251/203810
Ansprechpartner: Werner Gessner-Krone
URL: http://www.lwl.org/westfaelischer-heimatbund
E-Mail: werner-gessner-krone@lwl.org
Der "Westfälische Heimatbund" stellt die Dachorganisation für ca. 530 Heimatvereine und etwa 650 ehrenamtliche Ortsheimatpfleger dar.
 
 
Literatur
Kulturlandschaft erleben! Natur- und Kulturerlebnispfad Tecklenburger Land. Eine einmalige und liebenswerte Landschaft stellt sich vor. Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft Naturschutz Tecklenburger Land e. V.