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Klaus Kösters

Die verborgene Stadt -
die Anfänge der Stadt Soest

 
 
Ort
Archäologische Objekte im Burghofmuseum der Stadt Soest und das historische Zentrum (Kernstadt)
 
 
Fächer
Sachkunde und fächerübergreifende Kooperation
 
 
Dauer
2 Stunden im Museum
2 Stunden in der Stadt
dazu Vorbereitung und Nachbereitung im Unterricht
 
 
Alter
Grundschulen, 3 und 4. Schuljahr
 
 
Das Projekt
Soest ist eine der ältesten Städte in Nordwestdeutschland. Die ersten Siedler der Jungsteinzeit trafen hier auf ein fruchtbares Gelände sowie Salz- und Süßwasserquellen. Am Ende des 6. Jahrhunderts befanden sich Salzsiederwerkstätten und möglicherweise auch eine Siedlung auf dem heutigen Stadtgelände. Zwei Fernstraßen kreuzten sich in Soest, die ältere, der Hellweg, verlief in West-Ost-Richtung und verband den Rhein mit Zentraleuropa. Unter der Herrschaft der Erzbischöfe von Köln wuchs eine kleine Siedlung auf einem Geländesporn in einiger Entfernung zu den Salzwerkstätten. Die zunächst offene Siedlung erhielt schon im 9. Jahrhundert eine Befestigungsmauer. Diese erste vorstädtische Anlage, die sog. ottonische Stadt, kann bis heute im Straßengrundriss nachgewiesen werden. Kaufleute und Handwerker ließen sich im Schutz dieser befestigten Siedlung nieder. Im 11. Jahrhundert entstand dann nördlich eine Kaufmannssiedlung mit einem ständigen Markt und Marktgerichtsbarkeit, im 12. Jahrhundert dann eine großzügige Stadterweiterung, deren Ausdehnung bis heute den die gesamte Altstadt umschließenden Wallring markiert.

Mehrere Kirchen, eine davon ein Stift, wurden in dieser ersten Stadtwerdungszeit gegründet. Die beiden Hauptkirchen, die Urpfarrkirche St. Petri und die St. Patrokli-Stiftskirche befinden sich im Gebiet der ehemaligen ottonischen Siedlung. Ihre Nachfolgerbauten existieren bis heute. Um 1000 entstand ein Wohnturm an der westlichen Befestigungsmauer, der als pfalzähnliche Nebenresidenz der Kölner Erzbischöfe anzusprechen ist. Die Fundamente und einige aufgehende Mauerreste kann man noch heute im Gelände entdecken.
Weitere Text- und Bildmaterialien zur Geschichte von Soest sind auf der Projektwebsite  Heinrich Aldegrever und Soest online verfügbar
 
Projektverlauf
Teil 1: Die Arbeit der Stadtarchäologen

Das Programm beginnt im Burghofmuseum, wo den Schülern mehrere Fotos von innerstädtischen Ausgrabungen, besondere Werkzeuge und einzelne Funde aus Soest gezeigt werden. Dabei werden im Gespräch die einzelnen Arbeitsschritte wie Graben und Freilegen der Funde, Ausmessen, Fotografieren und Zeichnen vor Ort besprochen. Da die Schüler später eine Stadtansicht weiter entwickeln sollen, wird im Gespräch der Schwerpunkt auf ortsgebundene Befunde wie Mauerreste, Bodenverfärbungen und Fundamente gelegt.

Bei Grabungen in einer Stadt herrschen zumeist besonders schwierige Bedingungen, da nicht überall gegraben werden kann. Die Schüler diskutieren dies und lernen, dass Funde oft unvollständig sind: anstelle von ganzen Gebäuden haben sich nur Fundamente erhalten, oder Objekte sind teilweise zerstört, z. B. durch Wasser oder Druck. Die Schüler werden mit der Frage konfrontiert, was Archäologen aus diesen Bruchstücken herauslesen können.

Im weiteren Verlauf wird den Kindern ein gezeichneter Plan der Stadt Soest um das Jahr 1000 an die Hand gegeben. Dieser Plan fasst das zusammen, was Archäologen bis jetzt über das damalige Aussehen der Stadt herausgefunden haben. Doch in diesem "Plan zum Mitdenken und Weiterzeichnen" gibt es noch eine Menge weißer Flächen. Diese leeren Stellen sollen nun von den Kindern mit Phantasie, aber gleichzeitig auch nach archäologischen Gesichtspunkten ausgefüllt werden. Kleine erläuternde Texte zu den Toren, den Kirchen sowie den Wohnhäusern und Werkstätten der verschiedenen Siedlungsbereiche helfen den Kindern, den Plan fortzuschreiben.
 
 
 
Teil 2: Der Stadtrundgang

Der zweite Teil des Programms besteht in einem Stadtrundgang. Dort können die Kinder die aktuelle Situation mit der ihres gezeichneten Planes vergleichen. Während des Stadtrundganges gibt es mehrere Stationen, an denen die topographische Situation durch kleinere Rollenspiele den Kindern verdeutlicht wird.

Im Zentrum vor St. Petri starten die Kinder mit ihrer Zeitreise und gehen vorzugsweise mit halb geschlossenen Augen Schritt für Schritt in das Jahr 1000 zurück. Jeder Schritt rückwärts ist ein Schritt von 10 Jahren. Nach hundert Schritten sind sie im Jahr 1000 angelangt und befinden sich am Westabschluss von St. Petri. Aus der Beobachtung des Geländes erkennen sie, dass sie sich hier an der höchsten Stelle eines Hügels befinden. Im Gespräch wird schnell deutlich, dass dieser Platz im quellreichen Soester Stadtgebiet vor Überschwemmungen Schutz bot und hier gleichzeitig eine gute Schutzlage vorhanden war.

Anschließend gehen sie in die Tiefgarage der Sparkasse. Dort können sie die unterirdischen Reste des einst mächtigen Wohnturmes erkennen, Bruchsteine in unregelmäßiger Schichtung aus Grünsandstein. Auch die beinah quadratische Anlage des Turmes, so wie er im Plan der Kinder eingezeichnet ist, lässt sich im Gelände erschließen. Anschließend haben die Schüler Gelegenheit, eine 1000 Jahre alte Mauer zu berühren.

Zurück auf der Straße beobachten die Kinder das Gelände und sehen, dass auch heute noch die Straße von der Ausfahrt der Tiefgarage stadtauswärts stärker abfällt. Das führt zu der Vermutung, wo wohl die einstige Stadtmauer gestanden haben könnte. Je nach Klassengröße bilden 4-6 Schüler eine "wandelnde" Stadtmauer und bewegen sich in einer Reihe langsam auf die restlichen Schüler zu. Diese rufen "Stopp", sobald eine Position erreicht ist, die der damaligen Stadtmauer entsprechen könnte, also in etwa in der Fluchtlinie der westlichen Fundamentmauer des Wohnturms. Im folgenden Gespräch kann auf die strategische Bedeutung der Höhenlage dieser befestigten Siedlung eingegangen werden. Auch auf die mögliche Anlage eines Stadttores an dieser Stelle der Westmauer in der Nähe der Pfalz kann eingegangen werden, weil die Petristraße in gerader Linie auf den nördlichen Petrikirchhof führt, wo sich in ganz früher Zeit der Markt befand. Die Kinder markieren den möglichen Verlauf der Stadtmauer und das vermutete Tor in ihrem Plan.

Die nächste Station an der Corduanergasse führt die Schüler zu einer Hauswand, in der Bruchsteinmauerwerk noch in situ zu sehen ist. Auch hier können die Schüler diesen alten Mauerrest anfassen und im Plan markieren. Die nächste Überlegung führt zu der Frage, ob hier auch ein Stadttor war. Zunächst wird besprochen, wie die Menschen damals in eine Stadt kamen, ob zu Fuß, mit dem Pferd oder mit dem Wagen. In einem kleinen Rollenspiel stellen die Schüler die Breite und Länge eines solchen Kaufmannswagens im Gelände nach und stellen fest, dass wegen des scharfen Knicks im Straßenverlauf ein Handelswagen erhebliche Schwierigkeiten hätte, diese Stelle zu passieren. Als Schlussfolgerung wird die Möglichkeit eines Stadttores hier verworfen.

Die Schüler verlassen die ottonische Stadt über den Kungelmarkt und gehen über das sehr schmale Kungelgässchen zurück. Bei genauer Beobachtung können die Schüler eine deutliche Geländestufe vor der heutigen scharfen Kurve ausmachen, die möglicherweise auf den Verlauf der früheren Stadtmauer hinweist. Auch dieser Punkt wird im Plan eingetragen. Verbindet man jetzt die Markierungen ergibt sich ein logischer Verlauf der früheren Mauer, der in etwa mit dem heutigen Straßengrundriss korrespondiert (wobei die Mauer natürlich nicht allein stand, sondern vorgelagerte Befestigungswerke besaß).

Zurück im damaligen Zentrum beobachten die Schüler, dass auch heute noch ein nord-südlicher und ein ost-westlicher Weg sich am Rathaus und den beiden Kirchen kreuzen. Der letztere, der Hellweg, verläuft absolut gerade durch die ehemalige ottonische Anlage ist deswegen besonders für den Handelsverkehr mit Wagen geeignet gewesen. Im Kreuzungspunkt der beiden Fernverkehrswege entstand auch der älteste Soester Markt, der sich heute wenigstens zum Teil wieder dort befindet.

Nach dieser topographischen Erkundung geht die Klasse in die Patroklikirche. Dort wird im Westen des Langhauses die auf einer hohen Säule stehende Figur des hl. Patroklus mit gezücktem Schwert angeschaut und gibt Anlass zu der Frage nach Schutzheiligen und Schutzpatronen. Eine früher hier angebrachte Inschrift hilft den Schülern, die richtige Spur zu finden: "Dir, mein Soest, bin ich Patroklus Führer und Schutzherr. Treffen will ich mit dem Schwert die Räuber, ich werde dich rächen. Schirmen will ich die Stadt hier, den Bösen vergelten das Böse."

Das angesprochene Thema "Schutzpatron" leitet über auf das Lebensgefühl der mittelalterlichen Menschen, ihre beständige Angst und Gefährdung durch Hunger, Brand, Krankheit, Armut und Krieg, denen sie ausgesetzt waren und mit den bösen Mächten in Verbindung brachten. Diese allgemeine Lebensangst verkörpert auch eine kleine Plastik an der Säulenbasis: Ein Drache und ein Löwen haben sich ineinander verbissen, ein Sinnbild für den ständigen Kampf um das Gute und die Angst vor dem Bösen. Wirklich mutige Schüler können im Halbdunkel der Kirche dem Drachen oder dem, Löwen ins Maul fassen.

Damit endet der gemeinsame Stadtrundgang, auf dem Weg zurück zur Schule oder zum Bahnhof können die Schüler einige Straßenschilder mit dem Namensbestandteil "Salz" entdecken, welche auf die ehemaligen Salzsiederwerkstätten und die Anfänge der Stadt verweisen.
 
 
Allgemeine Hinweise
zum Thema
Dieses Projekt richtet sich an Schüler der Grundschule. In einem ersten Teil lernen sie, wie Stadtarchäologen arbeiten, dann werden sie in die Kernstadt geführt um auf Spurensuche zu gehen und zu entdecken, was von dieser ersten Siedlungsanlage noch zu sehen ist. Praktisches Arbeiten im Museum und kleine Rollenspiele während des Stadtrundgangs sollen die Schüler motivieren und ihnen helfen, die verschiedenen historischen Sachverhalte zu verstehen.

Dieses Projekt erklärt Grundschülern, wie "Spezialisten für die Vergangenheit" arbeiten und dass ihre Arbeitsergebnisse einen spannenden Zugang zur Geschichte ermöglichen. Sie entdecken auch, dass hinter dem, was bekannt zu sein scheint, dass hinter Gebäuden, Straßen und Dingen des Alltags, die sie jeden Tag sehen, eine historische Vergangenheit verborgen ist, die faszinierend sein kann. Und sie lernen auch, dass diese Geschichte unsere eigene ist, unser kulturelles Erbe, dass es Wert ist, respektiert zu werden. Sie beginnen zu verstehen, dass alte Städte, Gebäude und Plätze zu uns gehören und dass Geschichte ein guter Begleiter auf unserem Weg in die Zukunft sein kann. In unserer modernen Welt verändern sich die Dinge und Verhältnisse sehr schnell, Geschichte scheint in diesem rasanten Wandel ihre Bedeutung zu verlieren. Das Projekt stellt sich dieser historischen Gleichgültigkeit entgegen.
 
 
Lernziele
Die Schüler sollen...
  • lernen, dass sich im Grund und Boden von Siedlungen noch viele Zeugen früheren Lebens und früherer Gebäude finden,
  • einige elementare Techniken der Archäologie kennenlernen,
  • lernen, einen Stadtplan zu lesen und sich mit ihm im Gelände zu orientieren,
  • lernen, dass die aktuelle Topographie von Siedlungen vielfache Hinweise auf frühere Zustände enthält,
  • lernen, wie man solche Hinweise an bestehenden Gebäuden, Straßen und im Gelände erkennen kann,
  • verstehen, dass auf bebauten und bewohnten Flächen die Arbeitsmöglichkeiten von Archäologen eingeschränkt sind,
  • verstehen, dass unter diesen Bedingungen ihre Arbeitsergebnisse oft nur fragmentarisch sein können,
  • verstehen, dass Gebäude, Straßen und Plätze eine Geschichte haben, die man erforschen kann,
  • sich neue Fähigkeiten aneignen, um diese verborgene Geschichte in Gebäuden und Städten "lesen" zu können,
  • zu neuen Einsichten und Haltungen über die Notwendigkeit der Erhaltung von Altstädten, Denkmälern und weiteren Stätten des kulturellen Erbens kommen.
 
 
Nützliche Adressen
Burghofmuseum
Burghofstraße 22
59494 Soest
Tel.: 02921/1031020
URL: http://www.soest.de/bildung_kultur_sport/museen/117040100000008042.php
Das Burghofmuseum der Stadt Soest zeigt die Geschichte der Stadt von den neolithischen Anfängen bis in die frühe Neuzeit.

Tourist Information Soest
Teichsmühlengasse 3
59494 Soest
Tel.: 02921/66350050
Fax: 02921/66350099
http://www.soest.de/touristinfo/index.php
Fragen Sie nach den aktuellen Öffnungszeiten der Kirchen
 
 
Literatur
Führer zu den archäologischen Denkmälern in Deutschland:
Die Stadt Soest. Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2000.

Elke Bokermann / Gabriele Isenberg /
Klaus Kösters / Renate Wiechers
Mit dem Stift und zu Fuß durch das ottonische Soest. Münster 1997.