Quelleneditionen > Kirche / Konfession


 

Einleitung

 
 
 
Das 16. und 17. Jahrhundert waren in Deutschland geprägt von religiösen und konfessionellen Konflikten. Die durch die Reformation bewirkte Kirchenspaltung führte dazu, dass drei große, eigenständig organisierte Konfessionskirchen entstanden, die in Bekenntnis und Dogma, Organisation sowie religiöser Lebensführung unterscheidbar waren: die katholische, die lutherische und die calvinistische bzw. reformierte Kirche. Die konfessionelle Spaltung prägte die politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse in Deutschland und in Westfalen bis weit ins 19. und 20. Jahrhundert hinein: So lebten 1858 in den Städten Paderborn und Münster über 90 % Katholiken, während die Bevölkerung in den Kreisen Bielefeld oder Herford im gleichen Jahr zu über 98 % protestantisch war. Die Entscheidung über die konfessionelle Prägung einer Region fiel im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts. Das konfessionelle Zeitalter ist in Westfalen von ganz unterschiedlichen Ereignissen und teils gegenläufigen Prozessen gekennzeichnet, dabei sind die politischen und religiösen Kämpfe und Ereignisse dieser Zeit kaum von einander zu trennen.

In Westfalen entstanden die ersten reformatorischen Bewegungen zwischen 1520 und 1530 in den größeren Städten wie Soest, Lippstadt, Münster, Paderborn, Osnabrück und Lemgo. In Münster sollte es durch den Einfluss einer radikalen Sekte zur Katastrophe des Täuferreichs kommen. Als erster Landesherr schloss sich Graf Konrad zu Tecklenburg um 1527 den Lehren Martin Luthers an. Ihm folgten die meisten Landesherren der kleineren Grafschaften, wo man mit dem Aufbau lutherischer Landeskirchen begann.

Die konfessionelle Situation Westfalens war aber noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht entschieden: Die Herzöge von Jülich-Kleve-Berg, zugleich Landesherren der westfälischen Grafschaften Mark und Ravensberg, versuchten einen dritten, zwischen Luthertum und Katholizismus vermittelnden, Weg zu gehen. Selbst in den offiziell katholischen Fürstbistümern Paderborn, Münster und Minden, die zusammen 2/3 der Gesamtfläche Westfalens ausmachten, hatte die Reformation zahlreiche Anhänger im Adel und im Bürgertum. Erst unter der Regierung der Wittelsbacher Ernst von Bayern und seines Nachfolgers Ferdinands von Bayern wurde im Bistum Münster ab 1585 mit Reformen des katholischen Kirchenwesens begonnen, die jedoch erst im 17. Jahrhundert Wirkung zeigten. Ende des 16. Jahrhunderts fand auch der Calvinismus in Westfalen Verbreitung: Der Graf zur Lippe vollzog 1605 den Bekenntniswechsel vom Luthertum zum Calvinismus und ließ gegen innere Widerstände das reformierte Bekenntnis in seinem Land einführen.

Vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), der nicht zuletzt wegen der ungelösten Religionsfrage im Reich ausgebrochen war, war Westfalen vor allem 1622/1623 und nach 1631 betroffen, als hessische Truppen einige Orte besetzten. Mit dem Westfälischen Frieden von 1648, ausgehandelt in Münster und Osnabrück, wurde die Religionsfrage gelöst bzw. handhabbar gemacht. Mit dem Friedensvertrag erfuhr Westfalen insgesamt seine territoriale und konfessionelle Gliederung, wie sie bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches (1803/1806) Bestand haben sollte.
Weitere Ressourcen im Internet-Portal:
Religion/Kirche | 1500-1549 |
1550-1599 |
 
 
 

Zur Gliederung

 
 
 
Die folgenden acht Kapitel behandeln das Verhältnis von Religion und Gesellschaft, von Kirche und Staat, von der Reformation bis zum Ende des 17. Jahrhundert mit einem kurzen Rückblick auf das späte Mittelalter. Dabei sollen vor allem die religionspolitischen Konflikte zwischen Landesherren und Bevölkerung behandelt werden. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf jenen Territorien liegen, die das heutige Westfalen-Lippe bilden. Die Entwicklung im Bistum Osnabrück etwa wird daher nur gestreift.

Da die Region Westfalen in unterschiedliche Territorien mit eigenen Landesherren zerfiel, die im Einzelnen nicht behandelt werden können, sollen im folgenden typische regionale Entwicklungen verfolgt und beispielhaft erläutert werden. Das größte Gebiet umfassten die katholischen Fürstbistümer Münster, Paderborn und Minden, es folgten die Grafschaft Lippe und die Grafschaften Mark und Ravensberg sowie die kleineren Herrschaften Anholt und Gemen, die Grafschaft Steinfurt und schließlich die Reichsstadt Dortmund. Auch die räumliche Gliederung war für den Verlauf der Reformation und der katholischen Reform in Westfalen von erheblicher Bedeutung: Umgeben von den calvinistischen Niederlanden im Westen, dem lutherischen - seit 1602 reformierten - Hessen im Osten und dem katholischen Kurköln im Süden wurde Westfalen zum Schauplatz, bisweilen auch zum Hinterland der Konfessionskriege seiner Nachbarn. So wurden die angrenzenden westfälischen Gebiete während des 80jährigen niederländischen Freiheitskrieges häufig durch niederländische wie spanische Truppen überfallen und geplündert. Auch evangelische Glaubensflüchtlinge aus den Niederlanden ließen sich in Westfalen nieder.

Grundlage der theologischen und lehrmäßigen Abgrenzung der drei großen Kirchen - Katholizismus, Luthertum und Calvinismus - waren im 16. Jahrhundert die jeweiligen Bekenntnisschriften. Die Unterschiede zeigten sich am deutlichsten in der Feier des Gottesdienstes, in der unterschiedlichen Interpretation der Abendmahlsfeier. Die Zahl der Sakramente wurde im Luthertum auf zwei (Taufe und Abendmahl) beschränkt, während die katholische Kirche an der Siebenzahl der Sakramente festhielt. Zum Zeichen der Abgrenzung wurden konfessionsspezifische religiöse Praktiken. Als Mittel der Erziehung der Gläubigen dienten in allen Konfessionen vor allem die Predigt, aber auch der Katechismusunterricht und ein konfessionell geprägtes Schulwesen.

Private Glaubenszeugnisse aus dem 16. und 17. Jahrhundert sind kaum überliefert, sodass man nur äußerst selten einen Einblick in private Glaubensvorstellungen der Zeitgenossen erhält. Dokumentiert sind daher vor allem die äußeren Ereignisse sowie obrigkeitliche Gesetze, Kirchen- und Schulordnungen. Die folgenden Texte sollen der erläuternden Einführung in die angegebenen Quellentexte und Materialien dienen, deren Sprache nicht immer leicht zu verstehen ist. Weitgehend wurde darauf verzichtet, lateinische Quellen aufzunehmen. So fehlen, bis auf eine Ausnahme, auch Auszüge aus den so genannten Visitationsprotokollen, die einen Einblick in das kirchliche Leben einzelner Pfarreien im 16. und 17. Jahrhundert geben.