Menschen- und Bürgerrechte > Pauline zur Lippe


 
Tobias Arand

Eine Herrscherin unter Herrschern -
Fürstin Pauline zur Lippe in ihrer Zeit (1802-1820) und in der Beurteilung der Nachwelt

 
 
Oberthema
"Die Menschen- und Bürgerrechte - eine universale Norm für Männer und Frauen?"
3. Menschenrechte und Frauenpflichten im ausgehenden 18. Jahrhundert: Die Grundlegung der bürgerlichen Gesellschaft
 
 
Stufe
11/I (Das o. g. Oberthema wird im Lehrplan 1999, S. 79ff., als Beispiel für die 11/I vorgeschlagen. Dieses Thema kann ebenso wie ein vergleichbares Thema auch in den anderen Stufen der S II bearbeitet werden.)
 
 
Zeit
1802-1820 / Rezeption bis zur Gegenwart
 
 
Grundbegriffe
  • Aufklärung
  • Fürstentum Lippe
  • Reformen
  • Frauenrechte
  • Rezeption
  • Memorialkultur
 
 
Sachanalyse
 Pauline Christine Wilhelmine wurde am 23.02.1769 in Ballenstedt als zweites Kind des regierenden Fürsten Friedrich Albrecht von Anhalt-Bernburg und der Fürstin Louise Albertine, geborene Prinzessin von Holstein-Sonderburg, geboren.

Pauline wurde also in die Herrschaftsfamilie eines wenig bedeutenden, dafür aber aufgeklärt-absolutistisch regierten deutschen Kleinstaates geboren. Paulines Vater kümmerte sich um ihre Erziehung. Gemeinsam mit ihrem etwas älteren Bruder Alexius wurde sie nach einem vom Vater aufgestellten Lehrplan erzogen. Die wissenschaftlichen Begabungen und auch Neigungen der Prinzessin wurden dabei ebenso bewusst gefördert wie darauf geachtet wurde, dass Paulines Erziehung keine "Verzärtelung" erfuhr. So erlernte Pauline Sprachen - u. a. Französisch, Latein, Italienisch -, erhielt staatstheoretische Kenntnisse, wurde aber auch noch im Reiten und Schießen unterrichtet. Großen Raum nahm auch der reformierte Religionsunterricht ein, der zu einer starken Religiosität Paulines führte.

Seit ihrem 15. Lebensjahr beschäftigte sie sich dann selbständig mit Geschichte, Philosophie, insbesondere Philosophie der Aufklärung, Geographie und Rechtswissenschaft. In philosophischen Fragen bewunderte sie u.a. Immanuel Kant. Pauline widmete der Aufklärung sogar ein eigenes Gedicht. Aufklärungsphilosophen aber, die sich zu Glaubensfragen indifferent äußerten, lehnte Pauline ab. Die Begeisterung Paulines für die Aufklärung fand in der Frömmigkeit der Prinzessin und Fürstin durchaus gewisse Grenzen.

Ein ganz besonderes Augenmerk der jungen Pauline galt schließlich noch der Erziehungswissenschaft. Auf diesem Gebiet las sie nicht nur, sondern verfasste auch selbst eigene moralisierende Abhandlungen. 1788, also bereits mit 19 Jahren, veröffentlichte sie im 'Jahrbuch fuer die Menschheit oder Beytraege zur Befoerderung haeuslicher Erziehung, haeuslicher Glueckseligkeit und praktischer Menschenkenntnis' anonym zwei Beiträge, die sich mit Fragen der Mädchenerziehung beschäftigten. Sowohl ihre Philantropie wie auch die Vernunftbetontheit der jungen Pauline, die sie noch als Fürstin prägen sollten, fallen sofort ins Auge, wie auch ihre moralisierende Strenge, aus der heraus sie als spätere Herrscherin gutwollende Vorhaben in autokratischer Weise durchzusetzen pflegte: "Ob das Toechterchen vernuenftiger und besser wird, ob es sich solche Eigenschaften und Talente erwirbt, die einmal ihm und einem rechtschaffenden Gatten das Leben heiter und angenehm machen koennen, darum kuemmert sich die eitle Mutter nicht, wenn es sein Menuett à la Reine mit Grazie tanzt [...]."

Die 864 Bücher umfassende Bibliothek, die sich Pauline bereits seit Jugend an sukzessive von ihrer Apanage erwarb, macht schließlich ihre lebenslange Beschäftigung mit allen intellektuellen Fragen greifbar. Die Auswahl der Titel beweist ihre seit den Tagen als Prinzessin in Ballenstedt vorhandene Affinität zum Gedankengut der Aufklärung, ihre gleichzeitige Religiosität und ihr starkes Interesse an pädagogischen, aber auch an moralisch-didaktischen Schriften.

In der beschriebenen Erziehung und Selbsterziehung der jungen Prinzessin lag wohl der Grund für einige der wesentlichsten Charaktereigenschaften Paulines wie Ernsthaftigkeit, Festigkeit und Energie, die allerdings, auf manchen späteren Biographen wie männliche Attribute wirkten. Der Umstand, dass Pauline eben nicht nur zu Handarbeiten oder zu anderen, nach damaligem Verständnis weiblichen Beschäftigungen erzogen wurde, sondern sich geistig umfassend bilden konnte, war die hauptsächliche Voraussetzung für ihr späteres Wirken als Regentin. Die Erziehung seiner Tochter zu einer aktiv an Regierungsgeschäften beteiligten Frau scheint dabei offensichtlich in der direkten Absicht ihres Vaters Friedrich Albrecht gelegen zu haben. Er nahm seine Tochter mit auf Reisen durch das Fürstentum, brachte Pauline damit in Berührung mit den alltäglichen Problemen eines Staatswesens und interessierte sie so für Verwaltungs- und Wirtschaftsfragen. 1793 übernahm Pauline die Führung über die auswärtigen Geschäfte des Fürstentums und die Position eines Geheimsekretärs ihres Vaters. Mit 24 Jahren erfüllte Pauline so bereits wesentliche Regierungsaufgaben an der Seite ihres Vaters, dessen Gesundheitszustand sich zunehmend verschlechterte. Bald war Friedrich Albrecht so erkrankt, dass seine Tochter die Regierungsgeschäfte des Fürstentums faktisch selbst führte.

Bereits 1784 begann sich Fürst Friedrich Albrecht aber Gedanken über die Verheiratung Paulines zu machen. 1796 musste sie schließlich den Grafen Leopold zur Lippe (1767-1802) heiraten. Mit dieser Hochzeit begannen für Pauline Jahre, in denen sie sich weniger intensiv als in Anhalt-Bernburg politisch betätigte, aber doch zumindest Zeit fand, als Kabinettsekretärin ihres Mannes zu arbeiten, ihn während seiner häufigen Krankheiten zu vertreten und ihr wichtig erscheinende soziale Projekte zu befördern. Nach dem Tod Leopolds I. 1802 übernahm Pauline als Vormund ihres Sohnes, des minderjährigen Erbprinzen die Regierung. Die Einstellung, mit der Pauline ihre Aufgabe übernahm, sollte im folgenden typisch werden für ihr frommes Pflichtbewusstsein und ihre guten Absichten:" [...] ich ward dann bald berufen, dem Lande Mutter zu seyn wie meinen verwaisten Söhnen. Ich habe die ernste Pflicht in vollem Vertrauen zu Gott übernommen, ich werde treu seyn in meinem Beruf [...]."

Pauline war nun Regentin eines kleinen Landes mit einer Größe von etwa 1.200 qkm und einer Einwohnerschaft von ungefähr 70.000 Menschen. Sie stand einer Regierung vor, an deren Spitze ein so genannter 'Regierungspräsident', im Falle eines adeligen Amtinhabers, beziehungsweise 'Kanzler', im Falle eines bürgerlichen Amtinhabers, stand. Mit den Ständen, also den Rittern als adeligen Landbesitzern und den Vertretern der Städte Lippstadt, Lemgo, Horn, Blomberg, Salzuflen sowie Detmold mussten sich Regentin und Regierung auf den Landtagen oder den kleineren, häufiger abgehaltenen Kommunikationstagen in wesentlichen politischen Fragen verständigen.

Durchdrungen von ihren wohlmeinenden Ideen dachte sie aber nicht daran, sich in ihrer zweiten Heimat von den Ständen hineinregieren zu lassen. Hier schlug die Fülle ihrer guten Absichten in eine Neigung um, aus dem Bewusstsein eigener aufgeklärt-gläubiger Moralität heraus, am besten wissen zu wollen, was für Land und Bewohner das einzig richtige sei. Nach einem Eklat im Jahre 1805 - die Stände verweigerten auf dem Landtag die Einführung einer Branntweinsteuer zur Finanzierung einer geplanten Heilanstalt für Geisteskranke - berief Pauline die Stände kaum noch ein und regierte so an diesen vorbei. Nach 1815 versuchte Pauline sogar - zwar sachlich richtigerweise, aber wenig sensibel in der Methode - Lippe eine Verfassung zu geben, welche die noch mittelalterlichen, daher nicht mehr zeitgemäßen Rechte der Stände zu Gunsten einer modernen Bürgergesellschaft vollständig unterlaufen hätte. Die Stände reagierten hierauf heftig und mit eigenen Vorschlägen. Dieser Konflikt sollte bis zu Paulines Tod ungelöst bleiben.

Seit der Herrschaft des Grafen Simon August verfügte auch die lippische Regierung über erhebliches politisches Eigengewicht. Da sich die Reformideen der Regierung allerdings häufig ohnehin mit Paulines Vorstellungen deckten, kam es hier zu bedeutend weniger Reibungen. Pauline wohnte den Regierungssitzungen regelmäßig bei und übernahm auch die Aktenarbeit einzelner Ressorts, wenn deren Vertreter erkrankt waren. Das auswärtige Ressort übernahm sie ab 1810 vollständig selbst, im Juni 1817 folgten die Ressorts 'Irrenhaus', 'Prämienverteilung' und 'Zuchthaus'. Dass Pauline mit ihrer Ungeduld und ihrem Herrschaftswillen die Kammersitzungen gerne dominierte, dokumentiert das Zeugnis des damaligen Archivrates Christian Gottlieb Clostermeier, der anführt, "[...] daß im Collegio der Regentin keine Stimmfreiheit herrschte, indem Serenissima immer gleich, zumal in Sachen, welche irgendein Interesse oder gar eine Leidenschaftlichkeit erregte, vorgriff und, weil ihre Meinung voranging und dadurch ihre Räte intimidierte, mit der ihrigen hervortrat".

Ihr Verhältnis zur regierten Bevölkerung war direkt. Sie hielt sogar Sprechstunden für ihre Untertanen ab. Trotz dieser Volksnähe kann Paulines Regierung aber insgesamt sowohl in ihrem Verhältnis zu den Ständen als auch zur Regierung als durchaus autokratisch bezeichnet werden.

Neben der großen Leistung, der Grafschaft Lippe in den Zeiten der napoleonischen Kriege die Unabhängigkeit bewahrt zu haben, sind ihre Verdienste auf dem Gebiet der Sozialfürsorge besonders erwähnenswert. Noch bevor sie die vormundschaftliche Regentschaft übernahm, hatte sie sich schon an der Seite des Fürsten Leopold I. für die Belange des Armenwesens interessiert. Im Jahre 1800 erschien in der vom damaligen General-Superintendenten Ludwig Friedrich von Cölln herausgegebenen Zeitschrift 'Beitrage zur Befoerderung der Volksbildung' ein Aufsatz der Fürstin. Unter dem Titel 'Einige Winke ueber bessere, zweckmaeßigere Veranstaltungen zur Armenversorgung in der Stadt Detmold' entwickelte sie präzise Vorstellungen zum Armenwesen.

Wesentliches Ziel aller Bemühungen Paulines auf dem Gebiet der Armenfürsorge war es, den Arbeitsfähigen Hilfen zur Selbsthilfe bereitzustellen und den kranken Armen würdige Lebensumstände zu ermöglichen. Als solche Hilfe zur Selbsthilfe war in Detmold zum Beispiel die Einrichtung des ersten deutschen Kindergartens im Jahre 1802 gemeint, der es Frauen ermöglichte, trotz Kindern einem Beruf nachzugehen.

Doch nicht nur in der Residenzstadt, sondern auch in den ländlichen Gebieten Lippes war Armut ein weit verbreitetes Problem. Auch auf dem Land wollte Pauline durch Arbeitsangebote und Verdienstmöglichkeiten einen Wege aus der Armut ebnen. Zu diesem Zweck wurden seit 1802 Flachsmagazine angelegt, von denen die Armen Flachs zum Weben oder Spinnen erhielten.

Eine nach den damaligen Maßstäben sehr moderne Heilanstalt für Geisteskranke ließ Pauline gegen der Widerstand der Stände 1811 zu Brake einrichten. Die Pläne für diese Anstalt hatten schon 1803 vorgelegen, waren aber u. a. durch den schon erwähnten Widerstand der Stände 1805 vorerst verhindert worden. Vorbild dieser Einrichtung war die 1801 in Neuruppin gegründete Anstalt für Geisteskranke, über die sich Pauline ausführlich informiert hatte. Bei der Planung und Einrichtung nahm Pauline entsprechend starken Einfluss.

Eine von Pauline geplante Heilanstalt für Epileptiker konnte allerdings nicht verwirklicht werden.

Schließlich interessierte sich Pauline, wie schon mehrfach angedeutet, auch für Fragen der schulischen Bildung. Eine ausreichende Schulbildung erschien ihr als ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Armut beziehungsweise als ein Mittel zur Verhinderung von Armut. Da für Pauline Armut und mangelnde Glaubenfestigkeit als Ausdruck einer in ihren Augen allgemein gefährdeten öffentlichen Moral in einem engen Zusammenhang standen, verstand sie Schulförderung allerdings auch immer zugleich als Glaubensförderung. Nach Vorleistungen der General-Superintendenten Johann Ludwig Ewald und Ludwig Friedrich von Cölln war es seit 1805 insbesondere der schon mehrfach erwähnte Ferdinand Weerth, mit dem Pauline gemeinsam versuchte, die neuesten erziehungswissenschaftlichen Erkenntnisse der Zeit auch in Lippe umzusetzen. Pauline beschäftigte sich nicht nur intensiv mit den Theorien des Schweizer Pädagogen Pestalozzi, sondern auch mit deren praktischer Umsetzung. Sie sorgte dafür, dass dessen fortschrittliche Unterrichtsmethoden auch am Detmolder Lehrerseminar gelehrt und so in die Schulstuben des Landes gebracht wurden. Pauline kümmerte sich weiterhin persönlich um die Verbesserung des Detmolder Gymnasiums, und in ihre Regierungszeit fiel auch die 1808 erfolgte Gründung einer jüdischen Schule in der Residenzstadt. Gründungsversuche für eine 'höhere Töchterschule' schlugen jedoch fehl.

Am 03.07.1820 übernahm der nun dreiundzwanzigjährige Erbprinz Leopold die Regierung aus den Händen seiner Mutter. In ihrer Abschiedsrede vom 3.7.1820 zieht Pauline eine Bilanz ihrer Regierung, die sowohl aussagekräftig ist für ihre Leistungen, aber auch für ihr Selbstverständnis. Nachdem sie darauf verwiesen hat, dass bei ihrem Amtsantritt "Mangel und Theurung im Lande [...] jetzt Wohlfeilheit und Ueberfluß" herrschten, führt sie weiter aus: "Meine Regentschaft war ernst und beschwerlich durch mancherley Pruefungen. Kriegsbeschwerde und Misverstaendnisse[...]. [...] so oft ich auch gefehlt haben mag, mein Gewissen versagt mir das Zeugniß der Pflichttreue nicht [...]. [...] und so ist viel geschehen, manches gelungen, mehr noch vorbereitet. [...] die Finanzen erfreuen sich eines bluehenden Zustandes." Mit dem Hinweis, dass 'viel geschehen, manches gelungen, mehr noch vorbereitet' sei, verkleinert sie allerdings ihre größten Leistungen. Die Einrichtung des ersten deutschen Kindergartens, das zwar stellenweise obrigkeitsstaatlich-rigorose, aber auch prinzipiell menschenfreundliche Hilfsprogramm gegen die Armut, die Gründung eines Krankenhauses, die intensive Schulpflege oder die Gründung der Heilanstalt für Geisteskranke waren Leistungen, die durchaus noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden sollten. Hier war Pauline theoretisch auf dem Stand der Zeit, in der praktischen Umsetzung den meisten deutschen Staaten hingegen weit voraus.

Ende des Jahres 1820 starb Pauline an einer Lungenentzündung.
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Fürstin Pauline mit ihren Söhnen Leopold und Friedrich, um 1799
 
Didaktischer Kommentar
Den lippischen Zeitgenossen dürfte Pauline insgesamt wegen ihrer hohen persönlichen Integrität und Humanität liebenswert, wegen ihres unduldsamen Dominanzstrebens oder ihres ausgeprägten Ordnungssinnes, aus dem heraus sie schon mal kurzerhand die Aufführung vermeintlich anarchistischer Theaterstücke wie Schillers 'Räuber' verbieten ließ, auch zuweilen drückend erschienen sein. Der Nachwelt war sie dann in einem Akt der sukzessiven Historisierung ihrer Person nicht selten Ausdruck aller Herrschertugenden und leuchtendes Vorbild. Allerdings zeigen gerade die Elogen der Nachwelt, dass eine 'starke Frau' für die zeitgenossen noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit war. Manche, vor allem zeitgenössische Kritiker bemängelten ihre geradezu männliche, dem von einer Frau erwarteten Rollenverhalten nicht ziemende Durchsetzungsfähigkeit und machten so eine erfolgreiche Herrscherin zu einem eigentlich männlichen Wesen. Am prägendsten für die Pauline-Rezeption war aber die 1930 erschienene Biographie des Detmolder Archivars Hans Kiewning, der aus seiner Bewunderung für die Fürstin keinen Hehl machte, und so dafür sorgte, dass Pauline im Lipperland eine auch heute noch bewunderte historische Persönlichkeit ist.

Als eine selbstbestimmte und energische Frau ist Pauline ein interessantes Beispiel für die Verwirklichungsmöglichkeiten von Frauen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert - jedenfalls sofern sie in einer für Verwirklichung günstigen sozialen Umgebung aufwuchsen. Gleichzeitig zeigen aber auch ihr in einer von Männern dominierten Welt zwangsläufig energische Regierungsstil und das anfangs noch zwiespältige Urteil der Zeitgenossen die Schwierigkeiten auf, mit denen eine erfolgreiche Frau damals zu kämpfen hatte.

Didaktisch ergibt sich so insbesondere ein sinnvolles Potenzial zur Behandlung der Person Pauline. Neben der notwendigen Behandlung des Lebens und der Reformen, insbesondere der Reformen mit emanzipatorischen Charakter (Kindergarten als Chance für arbeitende Mütter, Schule als Mittel zu Bildung der unteren Schichten), könnte eine Thematisierung der Rezeption Paulines unter problemorientierten Fragestellungen zur Motivation der unterschiedlichen Urteile im Unterricht erfolgen. Der Streit um das Pauline-Denkmal in Bad Meinberg, das die energische Pauline in einem Akt der Uminterpretation im öffentlichen Raum als 'Mütterchen' erinnern möchte, verbände als Unterrichtsthema die Aspekte 'Rezeption' und 'Emanzipation' sehr eingängig. Eine Behandlung rezeptionsgeschichtlicher Aspekte verdeutlich insgesamt in anschaulicher Weise die Zeit- und Standortgebundenheit historischer Erkenntnisse und Wertungen und erzieht so zu reflexiven Geschichtsbewusstsein.
 
 
Mögliche Stundenthemen
  • Leben und Werk der Fürstin Pauline (3 Stunden)
  • Pauline-Porträts als Ausdruck höfischer Selbstdarstellung einer selbstbewussten Herrscherin (1 Stunde)
  • Pauline im widersprüchlichen Urteil der Zeitgenossen und der Nachwelt (2 Stunden)
  • Der Streit um das Pauline-Denkmal in Bad Meinberg (2 Stunden)
 
 
Unterrichtsmaterialien
Zur Person und Tätigkeit:
  •  Biografie der Fürstin Pauline
  •  Prinzessin Pauline von Anhalt-Bernburg (1769-1820), vor 1796
  •  Fürstin Pauline zu Lippe, geb. von Anhalt-Bernburg (1769-1820), mit ihren Söhnen Leopold und Friedrich, um 1799
  •  Fürstin Pauline zur Lippe, nach 1820
  •  Plan zu einem neuen Schulhaus für die Dorfschaft Rischenau, 1810
  •  Protokoll über die Kontrollgänge der Detmolder Bürgerinnen in der Kinderbewahranstalt, 1812
  •  Titelblatt des Schulbuchs "Der Kinderfreund", Paderborn 1818
  • Pauline zu Fragen der Mädchenerziehung
    "Ob das Toechterchen vernuenftiger und besser wird, ob es sich solche Eigenschaften und Talente erwirbt, die einmal ihm und einem rechtschaffenden Gatten das Leben heiter und angenehm machen koennen, darum kuemmert sich die eitle Mutter nicht, wenn es sein Menuett à la Reine mit Grazie tanzt [...]."
    Quelle: Jahrbuch für die Menschheit 1789, S. 524.
  • Kritik eines Untertanen
    "[...] daß im Collegio der Regentin keine Stimmfreiheit herrschte, indem Serenissima immer gleich, zumal in Sachen, welche irgendein Interesse oder gar eine Leidenschaftlichkeit erregte, vorgriff und, weil ihre Meinung voranging und dadurch ihre Räte intimidierte, mit der ihrigen hervortrat."
    Quelle: Archivrat Clostermeier, zitiert nach Kittel 1978
  • Hohes Lob
    "Darüber besteht wohl kaum ein Zweifel, dass Pauline alle lippischen Regenten, die vor und nach ihr waren, weit überragte und sich zu ihren Lebzeiten über die Grenzen ihres Landes einen Namen gemacht hat, wie niemand unter ihnen."
    Quelle: Kiewning 1930, S. 622.
  • Kritik an den zeitgenössischen Kritikern:
    "Schon damals machte ich darauf aufmerksam, daß man hier und da Zweifeln begegnete, ob die Fürstin wirklich die überragende Größe besaß, von der man sich heute kaum noch ein Bild machen kann. [...] Es gibt einige wenige zeitgenössische Biographien von ihr - wer kannte sie? Wer las sie? Sie reichen auch nicht aus, diese Frau zu verstehen. [...] Oft hat man um des Gegensatzes willen ihr Andenken zu verkleinern gesucht."
    Quelle: Kiewning 1930, o.S.
  • Können Frauen regieren?
    "Wer aber wird von einer Frau, und wenn sie Kaiserin wäre, eine eigene, richtige politische Ansicht und ein taktfestes Handeln in Kriegsangelegenheiten verlangen?"
    Quelle: Die Schriftstellerin Helmine von Chezy in einem Nachruf 1821.
  • Bewunderung
    "Pauline [...] gehörte zu den ausgezeichnetsten, edelsten, geistvollsten Frauen eines Zeitalters, welches stolz sein kann, wenn es Regenten aufzuweisen hat, welche zu ihrem hohen Berufe es gleichthaten dieser Frau."
    Quelle: Cramer 1822, S. 74.
  • Frauen können nur regieren, wenn sie eigentlich Männer sind
    "Pauline [...] gehoert zu den ausgezeichnetsten, edelsten, geistvollsten Frauen unsers Zeitalters, reich an allen Tugenden und Eigenschaften, welche eine Regentin zieren, thaetig, geisteskraeftig, Gerechtigkeit liebend, strebend fuer das Wohl ihres Landes und ihrer Unterthanen, wohlthaetig und mitleidig und fromm, glaeubigen Sinnes."
    Aber auch:
    "[...] erhielt der Charakter der Prinzessin von Jugend auf eine maennliche, selbst in kraeftigen Gesichtszuegen sich aussprechende Beimischung. [...] Pauline [...] hat oftmals zu der Ansicht Gelegenheit gegeben, ihr mangele weibliches Zartgefuehl [...] Ihre Unterhaltung hatte nichts Weibliches, sondern war die eines hochgebildeten Mannes".
    Quelle: Allgemeine Unterhaltungs-Blätter zur Verbreitung des Schoenen, Guten und Nuetzlichen 1828, S. 147.
  • Differenzierung
    "Andererseits hat man in dem, was man Rühmliches von ihr kurz nach ihrem Tod geredet oder geschrieben hat, naturgemäß die Farben etwas stark aufgetragen, während die Stimme der Kritik pietätvoll geschwiegen hat."
    Quelle: Meyer 1901, S. 2.
  • Ein Identifikationsangebot nach einem verlorenen Krieg
    "Unser Heimatland darf stolz darauf sein, daß sein Name mit dem Namen dieser edlen Fürstin verbunden wurde und verbunden bleibt."
    Quelle: N.N. 1920, S. 85.
  • Lob 1935:
    "Von seltener Energie, rastlos tätig, bei keiner Beratung der Regierung fehlend, erfüllt von dem tiefen Gefühl der Verpflichtung als Herrscherin, hat sie in achtzehnjähriger Regentschaft die Verhältnisse ihres Landes neu gestaltet."
    Quelle: Auss. Kat. 1935, S. 26.
  •  Würdigung Paulines im "Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk", Brockhaus 1839
Weitere Abbildungen können Sie online in der Lippischen Landesbibliografie recherchieren und abrufen.
 
 
Pauline-Denkmäler
 
 
Literatur
Primärquellen

Althof, Johann Chr.
Erinnerungen aus dem Leben der Fürstin Pauline zur Lippe-Detmold. Aus den nachgelassenen Papieren eines ehemaligen Lippischen Staatsdieners. Gotha 1860.

'Berühmte Westfalen'. Katalog der Ausstellung des Landesmuseums der Provinz Westfalen in der Galenschen Kurie, Februar/April 1935. Münster 1935.

Cramer, F.
Paulina Christina Wilhelmina. Fürstin zur Lippe. In: Zeitgenossen. Biographien und Charakteristiken. Neue Reihe, Bd. 2, 1822, S. 7-74.

Cust, Sybil
Fürstin Pauline. In: Queen Elizabeth's gentlewoman and other sketches. London 1914, S. 63-89.

Dresel, H. Adolf
Die Fürstin Pauline zur Lippe und der Generalsuperintendent Weerth. Erinnerungsblätter. Detmold [u.a.] 1859.

Dreves, August Bernhard Christian
Pauline zur Lippe (1796-1820). In: Gedächtnißbuch deutscher Fürsten und Fürstinnen reformierten Bekenntnisses, hg. v. Friedrich W. Cuno. Lieferung 3 und 4, Barmen 1883, S. 29-39.

Falkmann, August
Paulina. In: Allgemeine Deutsche Biographie 25, 1887, S. 275-277.

Hergang, Karl Gottlieb (Bearb.)
Pauline. In: Pädagogische Real-Encyclopädie oder Encyclopädisches Wörterbuch des Erziehungs- und Unterrichtswesens und seiner Geschichte, Bd. 2, Grimma / Leipzig 1852, S. 369-371.

Jahrbuch für die Menschheit. Bd. 1, hg. v. Friedrich Burchard Beneken. Hannover 1788

Kiewning, Hans
Fürstin Pauline zur Lippe 1769-1820. Detmold 1930.

N.N.
Pauline Christine Wilhelmine, Fürstin zur Lippe-Detmold. In: Allgemeine Unterhaltungs-Blaetter zur Verbreitung des Schoenen, Guten und Nuetzlichen, 2, 1828, Bd. 3, Heft 6, S. 147.

N.N.
Zwei Erzählungen aus dem Leben der Fürstin Pauline. In: Lippischer Dorfkalender 3, 1895, S. 47-49.

N.N.
Ein Erinnerungsjahr an die Fürstin Pauline. In: Lippischer Kalender 224, 1920, S. 82-85.

Polko, Elise
Eine deutsche Fürstin. Pauline zur Lippe. Versuch eines Lebensbildes. Leipzig 1870.

Worte bey Niederlegung der Regentschaft am 3ten Julius 1820 oeffentlich gesprochen. Druck o.O.


Sekundärliteratur

Arndt, Johannes
Kabale und Liebe in Detmold. Zur Geschichte einer Hofintrige und einer Fürstenabsetzung in Lippe während des ausgehenden 18. Jahrhunderts, in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 60, 1991, S. 27-74.

Arndt, Johannes.
Das Fürstentum Lippe im Zeitalter der Französischen Revolution 1770-1820. Münster [u.a.] 1992.

Arndt, Johannes.
Fürstin Pauline zur Lippe. Regentin im Geist des Aufgeklärten Absolutismus. Versuch einer Neubewertung, in: Kontinuität und Umbruch in Lippe. Sozialpolitische Verhältnisse zwischen Aufklärung und Restauration 1750-1820, hg. von Johannes Arndt und Peter Nitschke, Detmold 1994, S. 67-85.

Brand, Friedrich
Ein Denkmal für die Fürstin Pauline? Zum Denkmalprojekt in Bad Meinberg. In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 62, 1993, S. 285-296.

Bulst, Neithard
Politik und Gesellschaft in Lippe zwischen 1750 und 1820. In: Kontinuität und Umbruch in Lippe. Sozialpolitische Verhältnisse zwischen Aufklärung und Restauration 1750-1820, hg. v. Johannes Arndt und Peter Nitschke. Detmold 1994, S. 1-23.

'Fürstin Pauline. Ihr Leben und Wirken', hg. von Engelbert Günther. Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe D: Ausstellungskataloge staatlicher Archive, Bd. 1. Detmold 1969

Häusler, Beatrix / Kampmann, Birgit
'Gescheidt, thätig aber sehr eigenwillig' - Fürstin Pauline zur Lippe. In: Was für eine Frau! Portraits aus Ostwestfalen-Lippe, hg. von Ann Brünink. Bielefeld 1992, S. 13-31, Anm. S. 259-262.

Kittel, Erich
Heimatchronik des Kreises Lippe. 2. Aufl. Köln 1978.

N.N.
Fürstin Pauline zur Lippe - eine Staatsfrau. In: Stadtrundgang zur Frauengeschichte in Detmold, hg. v. Frauengeschichtsladen Lippe e.V. Detmold 1990, S. 4-8.

Niebuhr, Hermann
Eine Fürstin unterwegs. Reisetagebücher der Fürstin Pauline zur Lippe 1799-1818. Detmold 1990.

Prieur, Jutta (Hg.)
Frauenzimmer, Regentin, Reformerin. Fürstin Pauline zur Lippe 1802-1820. Detmold 2002.

Schodbrock, Karl-Heinz
Pauline, Fürstin zur Lippe Detmold und ihr Einsatz für das Turnwesen. Ansichten einer Schulbehörde und der Fürstin zum Unterrichtsfach 'Turn-Übungen'. In: Westfalenturner 10, 1995, S. 4-6, 8f.

Wehrmann, Volker
Die Aufklärung in Lippe. Ihre Bedeutung für Politik, Schule und Geistesleben. Detmold 1972.

Wehrmann, Volker
Die Schule in Lippe von 1800-1945 in Bildern, Dokumenten und grafischen Darstellungen. Detmold 1980.
 
 
Methoden
  • Bildbeschreibung
  • Problemorientierte Textinterpretation
  • Dekonstruktion fertiger Narrationen
  •  
     
    Lernziele
    Die Schüler sollen ...
  • die Fähigkeit zu Bildanalysen und -vergleichen üben,
  • die Zeit- und Standortgebundenheit historischer Erkenntnisse und Wertungen erkennen,
  • Kenntnisse zu Pauline zur Lippe und zu ihrer Zeit gewinnen,
  • Problemorientierte Textvergleiche einüben,
  • die Chancen und Schwierigkeiten weiblicher Selbstbestimmung im frühen 19. Jh. nachvollziehen,
  • unterschiedliche Formen der historischen Memorialkultur kennen lernen.
  •  
     
    Außerschulische Lernorte
    Landesarchiv NRW Staats- und Personenstandsarchiv Detmold
    Willi-Hofmann-Straße 2
    32756 Detmold
    Tel. 05231/7660
     Weitere Informationen zum Archiv

    Fürstliches Residenzschloss Detmold
    Schloss
    32765 Detmold
    Tel. 05231/70020
    Öffnungszeiten/Führungen und weitere Informationen zur Geschichte und Familie sind auf der Website von Schloss Detmold verfügbar.

    Lippische Landesbibliothek Detmold
    Hornsche Straße 41
    32756 Detmold
    Tel. 05231/926600
     Weitere Informationen zur Lippischen Landesbibliothek