PERSON

FAMILIEFeicken
VORNAMEHille


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1500 [um]   Suche
GEBURT ORTWirdum/ Westfriesland
TOD DATUM1534   Suche
TOD ORTBevergern


BIOGRAFIEJedes Kind in Münster kennt sie, jedem Touristen werden sie beim Stadtrundgang gezeigt: Hoch oben am Turm der Lambertikirche in Münster hängen drei Folterkäfige. Der Fürstbischof von Münster hat in ihnen vor mehr als 450 Jahren die zermarterten Leichen Bernd Krechtings, Jan van Leidens und Bernd Knipperdollings zur Schau stellen lassen, als abschreckendes Beispiel für alle Münsteraner.

Die drei Männer waren am 22.01.1536 öffentlich vor dem Gotteshaus zu Tode gefoltert worden. Die Henker haben die drei Männer, wie es in einem Augenzeugenbericht heißt, bei lebendigem Leibe "mit glüendenn zanngen zerrissenn" und auf diese grausame Weise "vom leben zum todt bracht".

Die drei Männer waren in Münster die Anführer der Täufer gewesen, einer radikalen religiösen Erweckungsbewegung der Reformationszeit, Die Täufer setzten der hochgelehrten Kirchentheologie ihre eigene Offenbarung entgegen. Sie forderten die Erwachsenentaufe und eine möglichst umfassende Gütergemeinschaft ihrer Gemeindemitglieder.

In Münster hatten die Täufer und ihre Anhänger ein "Königreich" errichtet. Das "grob Teufelsspiel in Münster", wie Martin Luther es nannte, währte anderthalb Jahre. Im Juni 1535 eroberten die Landsknechte des Fürstbischofs Franz von Waldeck die Stadt. Dies bedeutete nicht nur das Ende des Täuferreichs, das sich unter der monatelangen Belagerung mehr und mehr radikalisiert hatte; dies bedeutete auch die Rekatholisierung der Stadt und des Bistums.

Doch um ein Haar wäre alles anders gekommen. Beinahe wäre Franz von Waldeck dem Anschlag einer jungen Frau namens Hille Feicken zum Opfer gefallen. Ihr Plan scheiterte, ihre Tat wurde durch einen Überläufer vereitelt. So ist Hille Feicken und ihre Tat nur in versteckten Anmerkungen oder allenfalls als kurze Randnotiz in den einschlägigen Werken über das Täuferreich zu finden. Doch was wäre gewesen, wenn ... ?

Hille Feicken wurde nach ihrer gescheiterten Tat im Lager des Fürstbischofs verhört. Aus dem Verhörprotokoll, das zum Teil unter Folter zustande kam, läßt sich ihr Leben, lassen sich die Motive und Hintergründe ihrer Tat rekonstruieren.

Hille Feicken stammte nicht aus Münster, sondern aus dem Bauerndörfchen Wirdum in Westfriesland. Im Nachbardorf Sneek, wo die Familie hingezogen war, verdingte sich ihr Vater als Tagelöhner auf einem der umliegenden Bauernhöfe. Verwandte ihrer Mutter waren kleine Kaufleute. Hille Feicken war verheiratet, hatte mit ihrem Mann in Sneek gewohnt und - wie sie aussagt - "viel Käse und Butter gehabt".

Anfang 1534, der Winter war noch nicht vorbei, hatte sich auch in Sneek die Nachricht verbreitet, daß in Münster ein Täuferreich errichtet worden war. Knipperdolling und seine Anhänger waren gegen die hohen Patrizier der Stadt in den Rat gewählt worden und hatten die Herrschaft übernommen. Wie ein Magnet zog die Stadt die Täufer aus nah und fern an.

Auch Hille Feicken und ihr Mann machten sich auf den Weg nach Münster. Die Stadt war für sie "das neue Jerusalem, das mit dem Worte Gottes zum gemeinen Besten erleuchtet sei", so Hille Feicken. All ihr Hab und Gut habe sie in Sneek den Armen geschenkt. Dann sei sie mit ihrem Mann in das "neue Jerusalem" gezogen, "nicht fürchtend um Leib und Leben, auch nicht begehrend Geld, Gabe oder Gut"; sie seien vielmehr nach Münster gegangen, "um ihrer Seelen Seligkeit in dem Worte Gottes zu suchen".

Hille Feicken fand in Münster Unterkunft im Niesing-Kloster. Ihr Mann arbeitete im Rat, während sie, wie die anderen Frauen und Mädchen der Stadt, dabei half, die Stadtmauern und Wälle zu befestigen. Denn längst belagerten des Fürstbischofs Truppen die Stadt, schnürten das Täuferreich vom Hinterland ab und warteten auf eine günstige Gelegenheit, die Stadt zu stürmen.

Irgendwann im Frühsommer 1534 hörte Hille Feicken in einer Predigt die biblische Geschichte der Judith - jener Frau, die ihre belagerte Stadt dadurch rettete, daß sie sich ins feindliche Lager schlich, sich beim. Heerführer Holofernes einschmeichelte und ihm dann den Kopf abhieb. Schwärmerisch bezog Hille Feicken diese Geschichte auf sich: Sie wolle als "neue Judith" das bedrohte Täuferreich retten, eröffnete sie den Münsteraner Täuferanführern; Gott habe ihr dies geoffenbart. Jan van Leiden und Bernd Knipperdolling zögerten zunächst, doch dann stimmten sie dem Plan zu.

Um den Fürstbischof zu betören, "zog sie einen sehr schönen Weiberschmuck an, und sie suchte ihre durch die Geburt schon schöne Gestalt durch die Kunst noch schöner auszuzieren" - so heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. Aus der Stadtkasse drückte ihr Knipperdolling drei. Goldringe und zwei Gulden in die Hand. Als "Geschenk" für den Bischof hatte sie außerdem ein Hemd aus feinstem Leinen bei sich; der Stoff, so hieß es später, war mit einem starken, schnell wirkenden Gift getränkt.

In den frühen Morgenstunden des 16.06.1534 verließ sie die belagerte Stadt. Unweit der Stadtmauer nahmen Landsknechte sie sofort fest und brachten sie zum Drosten von Wolbeck namens Dietrich von Merfeld, dem Oberamtmann des Fürstbischofs.

Sie wisse einen leichten Weg, wie die bischöflichen Truppen ohne Blutvergießen und ohne einen Mann zu verlieren in die Stadt gelangen könnten, erklärte Hille Feicken dem Oberamtmann. Dietrich von Merfeld blieb zunächst mißtrauisch. Er fragte sie, warum sie die Stadt verraten wolle. Hille Feickens Antwort: Sie und ihr Mann seien durch den falschen Schein der Religion und der Gottesfurcht betrogen; sie würden zu Frondiensten an den Wällen angehalten. Und so hätten sie beide beschlossen, sich von den Täufern loszusagen. Um sicher zu gehen, wolle sie ihren Plan dem Fürstbischof höchstpersönlich unterbreiten.

Als Beweis für ihre Aufrichtigkeit holte sie ihre Geschenke für den Fürstbischof hervor. Dietrich von Merfeld zeigte sich beeindruckt. Er werde sie zum Fürstbischof führen, erklärte er ihr.

Zwei Tage später schlich sich ein anderer Münsteraner namens Hermann Ramers aus der Stadt. Auch er gehörte den Täufern an, war eng befreundet gewesen mit Knipperdolling und hatte in der Stadt vom Vorhaben der Hille Feicken erfahren. Ramers wurde von den fürstbischöflichen Landsknechten festgenommen und ebenfalls zum Drosten nach Wolbeck gebracht. Er verriet den Plan der Hille Feicken, beschuldigte sie als "ein verschlagenes Weib"; sie "wisse ihren Betrug außerordentlich zu verbergen und habe an Beredsamkeit nirgends ihresgleichen", so Hermann Ramers.

Sofort wurde Hille Feicken festgenommen. Der Droste ließ sie ins Gefängnis werfen. Wenig später wurde sie zweimal verhört.

Zunächst wurde sie ausführlich über ihr Leben befragt, über ihren Weg nach Münster und über die Herrschaft der Täufer.

Nach ihren überlieferten Aussagen wird man sie nicht einfach eine blinde und fanatische Anhängerin der Täufer bezeichnen können. Im ersten Verhör fand sie auch so manches kritische Wort über die Verhältnisse in Münster: Warum beispielsweise die Täufer die Gütergemeinschaft in der Stadt eingeführt hätten, habe sie, die Tagelöhners-Tochter, nicht begreifen können. Auch beklagte sie, daß keine Obrigkeit in der Stadt sei; wo Ungerechtigkeit sei, so Hille Feicken, müsse doch auch Obrigkeit sein zu strafen.

Bei ihrem zweiten Verhör wurde Hille Feicken gefoltert. Unter den Qualen bekannte sie sich zu dem Vorhaben, den Bischof zu töten. Es sei ganz alleine ihr Plan gewesen, betonte sie; sie habe die Täufer erst dazu überreden müssen. "Hätte ich es nicht getan, so hätte ich Gott damit erzürnt."

Von ihrem Täuferbekenntnis rückte sie auch unter der Folter nicht ab. Ihre Peiniger fragten sie schließlich, was sie von der Kindertaufe halte. Nichts, gab sie zur Antwort. Wenn man sie mit dem Worte Gottes" eines Besseren belehren könne, wolle sie das geschehen lassen; aber "ihrer Meinung nach", so heißt es abschließend im Folterprotokoll, "muß der Glaube vor der Taufe da sein".

Wenige Tage später wurde Hille Feicken nach Bevergern gebracht. Dort wurde sie auf dem sogenannten "Galgenberge" enthauptet.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 21-23
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2003-08-05


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QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 21-23

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