PERSON

FAMILIEBrirup
VORNAMEAgnes


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1894-06-03   Suche
GEBURT ORTBorgentreich
EHEPARTNER1921 Heinrich Brirup
TOD DATUM1976-07-23   Suche
TOD ORTMünster


VATERLindemann, Rudolf
MUTTERKaiser, Karoline


BIOGRAFIEDie ostpreußische Gutsbesitzerin Elisabeth Böhm begründete um die Jahrhundertwende die organisierte Landfrauenarbeit in Deutschland. Noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges entstanden überall in Deutschland Landfrauenvereine - nur nicht in Westfalen: Hier organisierten sich die Landfrauen erst seit Mitte der 20er Jahre.

"Auch wir in Westfalen und Lippe müssen vom Schlafe aufstehen", mahnte um 1925 eine Frau, die maßgeblich beteiligt war am Aufbau der Landfrauenbewegung und der ländlichen Frauenbildung in Westfalen: Agnes Brirup, geborene Lindemann.

Von ihrer Herkunft her hatte sie mit Landwirtschaft wenig zu tun. Sie stammte aus einer Bürgersfanmilie in Borgentreich, damals eine kleine Ackerbürgerstadt unweit von Warburg. Ihr Vater Rudolf indemann war preußischer Beamter beim Arntsgericht. Ihre Mutter Karoline geborene Kaiser stammte aus einer ostfriesischen Unternehmerfamilie. Am 3. Juni 1894 geboren, wuchs Agnes Lindemann gemeinsam mit drei Schwestern und einem Bruder in Borgentreich auf.

Nach dem Besuch der Volksschule wurde sie in Privatunterricht auf das weiterführende Gymnasium vorbereitet. Von 1908 bis 1912 besuchte sie das Gymnasium im Paderborner Michaelskloster. Nach dem Willen ihrer Lehrer sollte sie anschließend in Münster ein Studium aufnehmen. Dieser Ausbildungsweg war damals gerade erst für Frauen eröffnet. Doch durch eine schwere Erkrankung habe sie dieses Ziel aufgeben müssen, schreibt sie in ihren Erinnerungen; ihr Arzt habe ihr einen Beruf empfohlen, "der neben Wissenschaftlichkeit auch Entspannung und Ausgleich bot in körperlicher Tätigkeit".

Durch einen Zeitungsartikel war ihr Vater aufmerksam geworden auf den damals neu gegründeten "Mallinckrodthof" in Borchen bei Paderborn. Auf dieser Schule wurden junge Frauen zu Lehrerinnen der ländlichen Hauswirtschaft ausgebildet. Ostern 1915 legte Agnes Lindemann auf dem Mallinckrodthof nach zweijähriger Ausbildung ihre Abschlußprüfung ab. Nach einigen Praktika auf Bauernhöfen in Schleswig-Holstein und Westfalen absolvierte sie das vorgeschriebene " Lehrprobejahr" an der Haushaltungsschule in Freckenhorst.

Im Kriegsjahr 1916 beabsichtigte der Kreis Münster, gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer eine "Wanderhaushaltungsschule" einzurichten.

Die Lehrerin Agnes Lindemann wurde mit der Aufgabe betreut, diese "Hauswirtschaftsschule auf Rädern" aufzubauen. Die Schule war gedacht für junge Frauen vom Land, deren Eltern es sich nicht leisten konnten, ihre Töchter auf eines der teuren Hauswirtschaftspensionate zu schicken.

Agnes Lindemann erarbeitete einen Lehrplan, besorgte das notwendige Küchengerät und zog damit über die umliegenden Dörfer. In jeweils zwei oder dreimonatigen Kursen wurden die jungen Frauen vor Ort unterrichtet. Insgesamt 16 solcher Kurse hielt Agnes Lindemann zwischen 1916 und 1921 in den Dörfern rund um Münster ab.

Aus einem dieser Kurse entstand auch der erste Landfrauenverein Westfalens, der auf Initiative Agnes Lindemanns hin gegründet wurde. 19 junge Frauen hatten Anfang 1920 im Dörfchen Gelmer in Münster an einem Haushaltungskursus teilgenommen. Auf der Abschlußfeier hoben die Schülerinnen am 22. Februar 1920 den "Ländlichen Hausfrauenverein Gelmer" aus der Taufe. Wenig später gehörten dem Verein sechzig Frauen aus der näheren Umgebung an.

"Dieser Verein", so berichtete Agnes Lindemann dem Münsteraner Landrat, "ist zunächst ein Zusammenschluß der ehemaligen Schülerinnen, die in Ortsversammlungen und Generalversammlungen in Münster mit wichtigen Zeitfragen vertraut gemacht werden sollen und Anregung und Auffrischung des Erlernten erhalten." Doch nicht nur die Schülerinnen, auch die älteren Bäuerinnen sollten sich dem Verein bald anschließen.

Wenige Monate später schied Agnes Lindemann aus dem Schuldienst. Im September 1921 heiratete die 27jährige Frau den einige Jahre älteren Heinrich Brirup, einen nachgeborenen Bauernsohn aus Albachten bei Münster, der Landwirtschaftslehrer geworden war und seit 1919 die Paderborner Landwirtschaftsschule leitete. Agnes Brirup brachte zwei Kinder zur Welt. Gleichwohl fand sie neben den familiären Pflichten genug Zeit, sich weiterhin an der Bildungs- und Organisationsarbeit der westfälischen Landfrauen zu beteiligen.

Vor allem durch Veröffentlichungen trieb sie das Ausbildungswesen und den organisatorischen Zusammenschluß der westfälischen Landfrauen weiter voran. Schon 1920 hatte sie eine umfangreiche Rezeptsammlung mit dem Titel. "Westfalenkost" vorgelegt, das den Untertitel trug: "Praktisches Kochbuch für Gesunde, Kranke und Kinder in Land und Stadt". Dieses Buch erreichte immerhin eine Auflage von 11000 Stück. Im Laufe der 20er Jahre verfaßte Agnes Brirup weitere Bücher und zahlreiche Broschüren mit Titeln wie "Ländliche Frauenbildung", "Aus der Lehrlingszeit des ländlich-hauswirtschaftlichen Lehrlings" oder "Die ländliche Hausfrau in ihren Pflichten und Aufgaben".

Ab 1926 gab Agnes Brirup im Auftrag der Landwirtschaftskammer Monat für Monat eine Beilage zur "Landwirtschaftlichen Zeitung Westfalen-Lippe" heraus. Mit dieser zwölfseitigen Beilage unter dem Titel "Die Westfälische Landfrau", die in einer stattlichen Auflage von rund 24000 Stück erschien, erreichte Agnes Brirup einen weitaus größeren Kreis von Leserinnen als mit den oben genannten Schriften.

Neben Themen zur alltäglichen Arbeit der Bäuerinnen in Haus und Hof, neben Rezepten und unterhaltenden Erzählungen wurden die Leserinnen in der Zeitschriften-Beilage regelmäßig unterrichtet über den Stand der westfälischen Landfrauenorganisation; sie wurden auch dazu angehalten, weitere ländliche Hausfrauenvereine zu gründen.

Im Herbst 1933 stellten die Nazis das Blatt ein, auch die I.andfrauenvereine wurden aufgelöst. Der NS-Reichsnährstand ließ keinen Platz für die konservativ geprägte, selbständige Verbandsarbeit der Landfrauen.

Agnes Brirup erhielt, wie sie in ihren Erinnerungen schreibt, das Angebot zu einem "hohen Posten" in der westfälischen Landesbauernschaft. Nach einigem Zögern lehnte sie vor allem aus religiösen Gründen ab. "Im November 1933 erkannte ich sehr klar, daß der Nationalsozialismus Hitlers bis in die innerste Substanz der christlichen Seele eingriff, heißt es in ihren Erinnerungen; sie habe sich "aus allem herausziehen können, und das war mir wegen der Landfrauenbildungsarbeit sehr schmerzlich".

1937 wurde ihr Mann vorzeitig pensioniert - zum einen aus Gesundheitsgründen, zum anderen, weil er, wie überliefert wird, mehrfach mit NS-Funktionären unter anderem aus der Kreisbauernschaft Paderborn aneinandergeraten war. Die Familie Brirup zog nach Albachten bei Münster, wo Heinrich Brirup 1939 verstarb.

Nach dem Ende des Krieges gründete Agnes Brirup einen Landfrauenverein in Albachten, kümmerte sich dort auch um die Flüchtlingsbetreuung und setzte sich in der Orts-Caritas ein. Später zog sie von Albachten nach Münster, wo sie am 23. Juli 1976 verstarb.

Nur gelegentlich noch beriet sie in den Nachkriegsjahren die Landfrauen, die in Westfalen eine neue Organisation aufbauten. Agnes Brirups Engagement, mit dem sie die westfälische Landfrauenarbeit der 20er Jahre geprägt hat, war - wie sie selbst in ihren Erinnerungen urteilt - mit dem "Dritten Reich" endgültig abgebrochen.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 137f.
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2004-09-09


PERSON IM INTERNETBiografien, Literatur und weitere Ressourcen zur Person mit der GND: 133014266
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QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 137f.

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.8   1850-1899
3.9   1900-1949
3.10   1950-1999
Sachgebiet6.8.8   Frauen
DATUM AUFNAHME2003-10-16
DATUM ÄNDERUNG2010-09-20
AUFRUFE GESAMT3703
AUFRUFE IM MONAT232