PERSON

FAMILIEWilbrand
VORNAMEJohann Bernhard
TITELProf. Dr. med.


GESCHLECHTmännlich
GEBURT DATUM1779-03-08   Suche
GEBURT ORTClarholz
EHEPARTNER(I) Herold, Sophie;
(II) Decken, Adolphine von der (gest. 1839);
(III) Grasso, Juliane
TOD DATUM1846-05-09   Suche
TOD ORTGießen


VATERWilbrand, Johann Heinrich, Bauer
MUTTERPlanmeyer, Anna Elisabeth


BIOGRAFIEJohann Bernhard Wilbrand war einer der bedeutendsten naturphilosophisch ausgerichteten Mediziner der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während er bei vielen Geisteswissenschaftlern hohe Anerkennung fand, geriet er mit der Entwicklung der naturwissenschaftlichen Medizin bei seinen Fachkollegen mehr und mehr in Kritik.

Er wurde 1779 als drittes Kind einer Kötterfamilie in Clarholz geboren, die dem dortigen Prämonstratenserkloster eigenhörig war. Aus den beengten familiären Verhältnissen konnte er herauswachsen, weil er eine frühe Förderung durch Joseph Wilhelm Hölscher, Pfarrer der dem Kloster inkorporierten Pfarrei Lette, und den Propst des Klosters Jodokus von Oldeneel erfuhr, der ihn den Freibrief aus der Eigenhörigkeit kostenlos ausstellte. Seine Förderer überzeugten die Eltern, den begabten Sohn 1792 nach Münster zum Besuch der Trivialschule zum Heiligen Lambert zu schicken, deren Abschluss Voraussetzung für einen Wechsel an das Jesuitengymnasium war. Von 1793 bis 1798 besuchte Wilbrand die damals unter der Leitung Franz von Fürstenbergs stehende Schule und nahm danach das zweijährige philosophische Grundstudium auf, das den Fachstudien vorausging.

1800 nahm Wilbrand - vielleicht auch aus Dankbarkeit für seine Förderung durch das Kloster - zunächst ein Studium der Theologie auf, um nach einem Jahr an die medizinische Fakultät zu wechseln. Medizinische und naturgeschichtliche Fragestellungen hatten ihn schon zuvor interessiert, weshalb er vor allem die naturgeschichtlichen Vorlesungen F. Wernekincks und die chemischen, pharmakologischen und naturwissenschaftlichen Vorlesungen Bernhard Boddes besuchte. Da klinische Medizin an der Universität Münster nicht vertreten war, zog Wilbrand 1805 nach Würzburg, wo er am Juliusspital die klinischen Fächer ansolvierte. Jedoch interessierte ihn weniger der klinische Unterricht als vielmehr die naturphilosophischen Vorlesungen Friedrich Wilhelm Schellings. Am 27.01.1806 wurde er in Würzburg mit der Arbeit 'Über das Wesen der Atmung', die ein Jahr später in Münster publiziert wurde, zum Doktor der Medizin promoviert.

Ein Stipendium ermöglichte Wilbrand im Frühjahr 1806 eine Reise über Straßburg nach Paris, ehe er im Wintersemester 1806/1807 in Münster mit einer Vorlesungsreihe über die 'Darstellung der inneren Bedeutung der gesamten Organisation' als Dozent antrat, die 1809/1810 in zwei Bänden veröffentlicht wurde. Offenbar erwarb Wilbrand sich rasch Ansehen in Fachkreisen, sodass er 1809 einen Ruf an die Universität Gießen auf den Lehrstuhl für Anatomie, Physiologie und Naturgeschichte annahm. 1817 wurde er zusätzlich zum Professor für Botanik ernannt.

Vor seiner Abreise nach Gießen heiratete er Sophie Herold, Tochter eines Apothekers aus Münster. Nachdem diese nach vierjähriger Ehe starb, heiratete er mit Adolphine von der Decken erneut eine Frau aus Münster. Nach dem Tod seiner zweiten Frau im Jahr 1839 schloss Wilbrand eine dritte Ehe mit Juliane Grasso aus Beverungen.

Aus der Vorlesungstätigkeit in Gießen gingen in rascher Folge die Hauptwerke Wilbrands hervor wie die 'Physiologie des Menschen', das 'Handbuch der Botanik' und 'Das Gesetz des polaren Verhaltens der Natur'. Von dieser Schrift sandte Wilbrand ein Exemplar an Johann Wolfgang von Goethe, woraus sich ein mehrjähriger Briefwechsel zwischen dem Mediziner und dem Dichter entwickelte. Insbesondere Wilbrands gemeinsam mit dem Gynäkologen F. A. Ritgen herausgegebener Band 'Gemälde der organischen Natur und ihrer Verbreitung auf der Erde', einer farbigen, von Wilbrand entworfenen und kommentierten, von Ritgen gezeichneten Weltkarte, die Humboldt und Goethe gewidmet war, stieß auf eine positive Rezeption. 1823 kam es zu einer persönlichen Begegnung Wilbrands und Goethes in Weimar, bei der die ähnlichen naturphilosophischen Grundlagen, in Einzelfragen aber auch Meinungsverschiedenheiten, deutlich wurden. Ein Jahr nach dem Besuch in Weimar schlief der Kontakt ein.

Während seiner ersten Jahre als Professor an der Universität Gießen erhielt Wilbrand viele wissenschaftliche Auszeichnungen und Preise. Darüber hinaus wurde er 1827 zum Ritter des Hessischen Ludwigsordens ernannt, dessen Kommandeurskreuz ihm 1844 verliehen wurde.

Je mehr er sich aber in seinen Vorlesungen auf Grundfragen der Naturphilosophie konzentrierte und diese als Grundlage auch seiner naturwissenschaftlichen Auffassungen machte, isolierte er sich in Fachkreisen. Insbesondere seine Auffassung von der Nichtexistenz des Blutkreislaufs, seine ebenso irrigen Vorstellungen von der fehlenden Bedeutung des Sauerstoffs für die Atmung und die kritische Distanz zu naturwissenschaftlichen Methoden stießen auf Unverständnis und Ablehnung und führten dazu, dass seine Fachkollegen ihn nicht ernst nahmen. Mit seinen letzten Schriften 'Über den Zusammenhang der Natur mit dem Übersinnlichen' versuchte Wilbrand, seine naturphilosophischen Überzeugungen abschließend zusammenzufassen und darin auch einen Beweis für das ewige Leben anzutreten.

Auch wegen mancher Skurrilitäten wurde der aus Westfalen stammende Hochschullehrer in Hessen belächelt. Das galt nicht nur für seinen westfälischen Dialekt, sondern auch für Auftritte seines Sohnes, der in den Vorlesungen mit den Ohren wackeln musste. Diese Szene hat in der Figur des Doktors in Georg Büchners 'Woyzeck' Eingang in die Literaturgeschichte gefunden. Johann Bernhard Wilbrand starb am 06.05.1846 in Gießen.


Literatur


Maas, Christian
Johann Bernhard Wilbrand (1779-1846). Herausragender Vertreter der romantischen Naturlehre. 2 Bde. Gießen 1994

Murken, Axel Hinrich
Johann Bernhard Wilbrand (1779-1846), ein Naturwissenschaftler der Romantik und seine Beziehung zu J. W. von Goethe. In: Medizinische Monatszeitschrift 24, 1970

Murken, Axel Hinrich
Das Lebenswerk Johann Bernhard Wilbrands (1779-1846). Ein westfälischer Mediziner und Naturforscher der deutschen Romantik. In: Clarholtensis Ecclesia. Forschungen zur Geschichte der Prämonstratenser in Clarholz und Lette (1133-1803). Zur 850-Jahr-Feier der Stiftsgründung hg. von Johannes Meier. Paderborn 1983 (= Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte, Band 21. Im Auftrag des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens. Abt. Paderborn hrsg. von Friedrich Gerhard Hohmann)

Murken, Axel Hinrich
Johann Bernhard Wilbrand. Naturwissenschaftler der Romantik. In: Clarholz und Lette in Geschichte und Gegenwart 1133-983. Heimatbuch, zur gemeinsamen 850-Jahr-Feier herausgegeben von den Heimatvereinen Clarholz und Lette. (Herzebrock)-Clarholz und (Oelde)-Lette 1983

Probst, Christian
Johann Bernhard Wilbrand (1779-1846) und die Physiologie der Romantik. In: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte 50, 1966



Werke


1. Über das Verhalten der Luft zur Organisation. Eine nähere Darstellung der eigentlichen Bedeutung des Respirationsprocesses. Münster 1807
2. Die Darstellung der gesamten Organisation. 2 Bde. Gießen und Darmstadt 1809 und 1810
3. Das Hautsystem in allen seinen Verzweigungen. Gießen 1813
4. Über die Classification der Thiere. Eine von der Akademie zu Haarlem mit der goldenen Medaille gekrönte Preisschrift. Gießen 1814
5. Physiologie des Menschen. Gießen 1815
6. Handbuch der Botanik nach Linné’s System. Band 1: Betrachtung der Vegetation in ihrem allgemeinen Verhalten. Gießen 1819
7. Handbuch der Botank nach Linné’s System: Band 2: Beschreibung einzelner Pflanzen. Gießen 1819
8. Das Gesetz des polaren Verhaltens der Natur. Dargestellt in den magnetischen, electrischen und chemischen Naturerscheinungen, in dem Verhalten der unorganischen Natur zur organischen Schöpfung, in den Erscheinungen des Pflanzen- und Thierlebens, in den Verhalten unseres Weltkörpers zu dem umgebenden Planetensystem, zur Begründung einer wissenschaftlichen Physiologie. Naturforscher, Physiologen und wissenschaftlichen Aerzten gewidmet. Gießen 1819
9. Gemälde der organischen Natur in ihrer Verbreitung auf der Erde. Gießen 1821
10. Darstellung des thierischen Magnetismus als einer in den Gesetzen der Natur vollkommen gegründeten Erscheinung. Frankfurt a. M. 1824
11. Die Natur des Athmungs-Processes. Frankfurt a. M. 1827
12. Nachricht von einer naturhistorischen Reise durch die Schweiz und Oberitalien. Regensburg 1828
13. Handbuch der Naturgeschichte des Thierreichs. Nach der verbesserten Linné’schen Methode. Gießen 1829
14. Selbstbiographie. Gießen 1831
15. Allgemeine Physiologie. Insbesondere vergleichende Physiologie der Pflanzen und der Thiere. Leipzig 1833
16. Die natürlichen Pflanzenfamilien in ihren gegenseitigen Stellungen, Verzweigungen und Gruppirungen zu einen natürliche Pflanzensysteme. Gießen 1834
17. Handbuch der Botanik nach den natürlichen Pflanzenstufen mit einer einleitenden Aufzählung sämmtlicher Geschlechter nach Linné’s System zum Gebrauche beim Aufnehmen unbekannter Pflanzen. Darmstadt 1838
18. Handbuch der vergleichenden Anatomie in ihrer nächsten Beziehung auf die Physiologie für wissenschaftliche Aezte und für Studirende der Arzneikunde. Darmstadt 1838
19. Bedenken und Zweifel betreffend das Verhältniss der chemischen Theorien zu den Erfordernissen des Wissens überhaupt und zur Physiologie, so wie zur ärztlichen Praxis insbesondere. Mainz 1842
20. Über den Zusammenhang der Natur mit dem Übersinnlichen. Eine Vorlesung. Mainz 1843
21. Über das Leben und seine Erscheinung. Zur näheren Erläuterung der Schrift 'Über den Zusammenhang der Natur mit dem Übersinnlichen. (Mainz 1843)'. Mainz 1844

Eckhard Möller
AUFNAHMEDATUM2007-08-31


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QUELLE    Kohl, Wilhelm / Giesler, Robert | Die Matrikel der Universität Münster 1780 bis 1818 | S. 161f, Nr. 0582

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.6   1750-1799
3.7   1800-1849
Ort2.2.5   Herzebrock-Clarholz, Gemeinde
Sachgebiet8.5   Medizinische Versorgung, Ärztin/Arzt
13.4   Hochschullehrer/Hochschullehrerinnen
13.7.3   Medizin, Pharmazie
DATUM AUFNAHME2007-08-31
AUFRUFE GESAMT3980
AUFRUFE IM MONAT340