PERSON

FAMILIEBerens-Totenohl
VORNAMEJosefa


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1891-03-30   Suche
GEBURT ORTGrevenstein bei Meschede
TOD DATUM1969-06-06   Suche
TOD ORTMeschede, Krankenhaus


VATERBerens


BIOGRAFIEZu den meistverkauften Büchern im "Dritten Reich" zählten - neben Hitlers "Mein Kampf" und Hans Grimms "Volk ohne Raum" - die Romane der Sauerländer Schriftstellerin Josefa Berens-Totenohl. Ihr Bauern-Roman "Der Femhof", 1934 erschienen, erreichte die stattliche Auflage von 230.000 Stück, bis 1957 waren sogar insgesamt 275.000 Exemplare verkauft; eine ähnlich hohe Auflage erzielte ihr Nachfolgeroman "Frau Magdalene". Beide Romane wurden nicht nur in stattlicher Zahl verkauft, sondern auch gelesen. Eine Umfrage der westfälischen NS-Kulturverwaltung von 1938 ergab: In den Volksbüchereien westfälischer Landgemeinden und Kleinstädte waren die beiden Romane die mit Abstand am meisten ausgeliehenen Bücher.

Vergessen ist Josefa Berens-Totenohl bis heute nicht. In einschlägigen Literaturgeschichten findet sich die Dichterin unter dem Kapitel "Blut und Boden". Dieses Urteil freilich hindert einen rührigen, weithin über das Sauerland verstreuten Freundeskreis nicht, Josefa Berens-Totenohl "zu ihrer verdienten literarischen Beachtung zu verhelfen". So jedenfalls war es im März 1991 anläßlich des 100. Geburtstages der Dichterin in einer Tageszeitung des Sauerlands zu lesen.

Eine Gedenkstätte für die Blut-und Boden-Dichterin gibt es bereits im sauerländischen Luftkurort Saalhausen. An ihrem Geburtshaus in Grevenstein wurde anläßlich des 100. Geburtstages der Dichterin eine Gedenktafel enthüllt; gleichzeitig sollte Mitten im Saalhauser Kurpark ein Gedenkstein feierlich aufgestellt werden, wenn nicht der Kultur- und Denkmalpflegeausschuß des Ortes die Bremse gezogen hätte. "Es wurde die Auffassung vertreten", so hieß es vorsichtig in einem Brief an die unermüdlichen Freunde der Blut-und-Boden-Dichterin, "daß angesichts möglicher Diskussionen um die Person, die ja in der nicht eindeutig geklärten Vergangenheit aus der Zeit des Nationalsozialismus begründet sind, besonders würdigende Veranstaltungen nicht angebracht sind." Die Biographie der Josefa Berens-Totenohl freilich, speziell ihre NS-Vergangenheit, darf als "eindeutig geklärt" gelten.

Geboren wurde Josefa Berens - so ihr Geburtsname - am 30. März 1891 im Bergdörfchen Grevenstein, unweit von Meschede im Sauerland. Sie war das dritte Kind des Dorfschmiedes. Bei ihrer Geburt starb die Mutter; der Schmied heiratete ein zweites Mal. Seine zweite Frau war ebenfalls verwitwet und hatte bereits sieben Kinder zu versorgen. So wuchs Josefa Berens mit neun Geschwistern auf, in äußerst ärmlichen und streng geregelten Verhältnissen. "Früh aber gab es für alle strenge Pflichten", erinnerte sie sich später, "es gab schwere Arbeit, es gab Gemeinschaft und Einordnung. Wie hätte es anders sein können?"

Bücher gab es im Haushalt nicht, auch eine Bücherei war unerreichbar. Die ersten literarischen Erfahrungen der späteren Dichterin waren geprägt von den Erzählungen des Großvaters - von den Märchen der Brüder Grimm, den Eulenspiegel-Geschichten und seinen Erzählungen vom Schinderhannes.

Josefa Berens muß ausgesprochen talentiert gewesen sein. Nach dem Besuch der Volksschule bestand sie im Alter von 20 Jahren die Aufnahme in das Lehrerinnen-Seminar in Arnsberg. Sie absolvierte die dreijährige Ausbildung und wurde Lehrerin: zunächst an der einklassigen Schule in Stemel bei Sundern, unweit ihres Heimatortes, später dann in Oelinghausen und Warstein.

Anschließend begann sie ein dreijähriges Kunststudium in Düsseldorf, bevor sie als freischaffende Malerin in das Weser-Dörfchen Gondelheim unweit von Höxter zog. 1925 kehrte sie zurück ins Sauerland. Im Totenohl, unweit von Saalhausen, ließ sie sich nieder; den Namen ihres Wohnortes führte sie seither im Familiennamen.

Josepha Berens-Totenohl reiste viel umher, unter anderem nach Nordafrika, Spanien und Skandinavien, wo sie die greise Schriftstellerin Selma Lagerlöf kennenlernte. 1924 veröffentlichte Josefa Berens ihr erstes Buch - ein Kinderbuch mit dem Titel "Märchen der Liebe".

In diese Zeit fällt auch der Beginn ihrer Freundschaft mit Richard Euringer, einem frühen Hitler-Anhänger, der offen für den Nationalsozialismus eintrat und in Wort und Schrift das "Dritte Reich" vorbereitete.

Im Juni 1931 trat Josefa Berens-Totenohl der NSDAP bei. In ihren Erinnerungen rechtfertigte sie sich später. "Ich glaubte, daß es nur eine Wahl gäbe zwischen dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus, und bei diesem Gespräch entschloß ich mich, dem Letzteren beizutreten. Ich wollte nicht politisch arbeiten. Auch verstehe ich nicht die unterirdisch verlaufenen Wege der Politik. Nur meinen kleinen Beitrag an Geld wollte ich zahlen. Das war alles." Doch die Entrichtung des Mitgliedsbeitrags blieb beileibe nicht alles, wie sich in den Jahren des "Dritten Reiches" zeigte.

Der NS-Autor und Thingspiel-Dichter Richard Euringer regte Josefa Berens-Totenohl zu ihrem ersten größeren Roman an: "Der Fernhof". Er erschien 1934, ein Jahr später folgte der Nachfolge-Roman "Frau Magdlene". Beide Romane spielen im Westfalen des Mittelalters und sind durchtränkt von den Themen der NS-Bauerntums-Ideologie: Blutsbande und Erbschuld, Natur und Schicksal, Mensch und Sippe, Rasse und Volk. Ihre Bauernromane, so der Historiker Karl Ditt zusammenfassend, zeichnen den Menschen "als Vertreter der Werte von Blut und Boden, als Opfer seiner Leidenschaften oder als Instrument des Schicksals" - und eben nicht als individuellen Menschen mit all seinen Widersprüchen.

Ihre Bauernromane, so heißt es hingegen in der erst 1990 erschienenen Schrift über "Sauerländer Schriftsteller", "waren und sind großartige epische Dichtung, die der großen Erzählerin des Sauerlandes für immer einen Platz in der westfäIischen, in der deutschen Literaturgeschichte einräumen". Dieses Urteil stammt aus der Feder von Dietmar Rost, Schulleiter an den Grundschulen Westenfeld und Langscheid nahe Sundern und Verfasser zahlreicher religiöser Schriften und Kinderbücher.

"Sicher", so Dietmar Rost in seinem biographischen Portrait über Josefa Berens-Totenohl weiter, "sicher wird eine spätere Zeit das Werk der heute totgeschwiegenen eher, weil unvoreingenommener, würdigen können." Josefa Berens-Totenohl wird freilich von
der seriösen Literaturwissenschaft gerade nicht "totgeschwiegen", und es ließe sich trefflich darüber streiten, wer die Dichterin "voreingenommen würdigt". Daß sich der Autor überdies des Zuspruchs einer "späteren Zeit" sicher weiß, dürfte wiederum für sich sprechen.

Kurzum: Dietmar Rost unternimmt hier - wie übrigens auch an anderen Stellen - den unverhohlenen Versuch, eine Nazi-Dichterin wieder salonfähig zu machen - ein Versuch, der mit der Feststellung unterstrichen werden soll: "Die Qualität eines literarischen Werkes kann einzig mit literarischen Kriterien gemessen werden." Diese Behauptung unterstellt, Josefa Berens halte wenn schon nicht politisch, dann wenigstens literarisch der Kritik stand. Doch selbst dies war nie der Fall - nicht in der Nachkriegszeit, ja nicht einmal in den Jahren des "Dritten Reiches". Der NS-Gesinnungsgenosse Börries von Münchhausen, selbst ein Blut-und-Boden-Dichter, urteilte 1935 über den Roman "Frau Magdlene":

"Ich habe das außerordentlich langweilige Buch nicht fertig lesen können, weil mich, je weiter ich las, umso mehr die völlige Unfähigkeit dieser Frau für den geschichtlichen Roman halb ärgerte, halb belustigte. Wie schon in ihrem ersten Roman quält den Leser auch hier eine gewisse lähmende, unfrohe Trübseligkeit, die wohl Mittelalter und urigen Bauerntrotz, Herbheit und Schollengeruch vorstellen soll. Aber es ist weniger Scholle als klebriger Lehm in dem Buche." Dieser Verriß verschwand eilig in einer Schublade des Verlages. "Nicht zur Veröffentlichung" - so hatte ein Verlags-Angestellter über den Brief gekritzelt.

Im November 1949, als die Novellensammlung "Der Alte hinterm Turm" erschien, urteilte die Literaturkritikerin Oda Schäfer: "Manche nannten diese Art von Literatur 'BluBo', denn das gewaltig rauschende Blut der Ahnen tränkt frisch duftenden Ackerboden. Obwohl die Erde hier schwer rot und westfälisch ist, bleiben die Bauern Papier. Vielleicht sollte man bei der Lektüre einen Steinhäger trinken. Es steht aber mit Gewißheit zu befürchten, daß die Papier-Bauern bald die Volksbibliotheken bevölkern werden."

Für den Roman "Der Femhof" erhielt Josefa Berens im Januar 1936 den ersten Westfälischen Literaturpreis nicht zuletzt auf Betreiben ihres Freundes aus frühen Tagen, Richard Euringer. Ihre Werke hätten in der Öffentlichkeit Beachtung gefunden, hieß es in der Begründung zur Preisverleihung; vor allem aber verkörperten, wie es hieß, ihre Person und ihre Werke "das junge gesunde Volkstum" und die nationalistische Gesinnung.

Die Verleihung dieses Preises machte die Sauerländer Autorin weit über Westfalen hinaus bekannt und berühmt. Josepha Berens-Totenohl reiste kreuz und quer durchs "Großdeutsche Reich", las aus ihren Werken und hielt Vorträge vor der NS-Frauenschaft, dem "Bund deutscher Mädchen", der Hitlerjugend" und anderen NS-Organisationen. Sie sprach sich für eine "deutsche Kunst" aus, wetterte gegen "Bolschewismus" und "Systemzeit" der Weimarer Republik, und sie hetzte mit üblen antisemitischen Sprüchen ihr Publikum auf. Als beispielsweise im Oktober 1935 in Arnsberg die "Kunstschau Sauerländer Künstler" in Arnsberg eröffnet wurde, hielt sie die Eröffnungsrede, in der es hieß: "Wie aber der politische Bolschewismus eine Ehe darstellt des kalten, jüdischen Instinkts mit dem Steppenmenschen der mongolischen Rasse, so waren beide Elemente auch in unsere Kunst gekommen."

Der Verlag stellte Büchertische auf, auf denen ihre Bücher feilgeboten wurden - "Der Femhof' und "Frau Magdlene" selbstverständlich, die beiden Gedichtbände "Das schlafende Brot", 1936 erschienen, und " Heimaterde" (1937), ferner ihr Vortrag "Die Frau als Schöpferin und Erhalterin des Volkstums" aus dem Jahr 1938; er zählte zur Pflichtlektüre in der NSFrauenschaft.

Die Einnahmen aus den Büchern sprudelten reichlich. Die Dichterin finanzierte damit ihren "Femhof", den sie sich 1938 in Gleierbrück, zwischen Lennestadt und Saalhausen, erbauen ließ.

Die erstaunliche Karriere der Nazi-Dichterin war mit dem Ende des NS-Regimes schlagartig beendet. Die Schriftstellerin und Propagandistin von "Blut und Boden" mußte sich dem Entnazifizierungsverfahren stellen, wurde aber lediglich als "Mitläuferin" eingestuft.

Auch weiterhin erschienen Bücher aus ihrer Feder - mit Titeln wie "Die Stumme" (1949), "Das Gesicht" (1957), "Die heimliche Schuld" (1960) und als letzter Titel "Das Haus am Wege" (1962). Ihre letzten Jahre soll sie "in Armut und finanzieller Not" gelebt haben; "äußerlich gelassen, doch innerlich gebrochen", so Dietmar Rost in seinem Band über "Sauerländer Schriftsteller", soll sie "ihr Los in der Stille und Abgeschiedenheit ihres Femhofes" getragen haben. Am 06.06.1969 starb sie in einem Krankenhaus in Meschede.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 134-136
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2004-09-09


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QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 134-136

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ40   Biografie (Einzelperson/Familie)
Zeit3.8   1850-1899
3.9   1900-1949
3.10   1950-1999
Ort1.7.8   Meschede, Stadt
Sachgebiet6.8.8   Frauen
15.7   Literatur, Schriftstellerin/Schriftsteller
DATUM AUFNAHME2003-11-07
DATUM ÄNDERUNG2010-09-20
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